Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Das Buch für alle: illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann — 2.1867

DOI Heft:
Heft 11
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.44082#0340
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
-E> 332 <Z->-


So lange die Welt steht, sind Konkursen- „Ja einig, einig, mein alter Freund," rief!
und es ist ja auch - Steal und breitete die Arme aus, „kommen Sie!
! an mein Herz! Ich umarme Sie, Vater der !

ten keine Freunde gewesen,
gar nicht möglich!"
„In der That, es liegt nicht
in der Natur der Sache."
„Und deßhalb muß ich die Ver-
bindung unserer Kinder innigst be¬
klagen, weil sich die Väter nicht
die Hände reichen können."
„Aus diesem Grunde muß ich
dasselbe thun."
Beide fochten mit den Armen
durch die Lust und stürmten nach
rechts und links und verwünschten
das Geschick, welches sie zu Hut-
fabrikanten gemacht hatte. Doch
jetzt war für die Geister des Weins
der schönste Augenblick gekommen;
jetzt zündeten sie in diesen Köpfen
nicht ein Licht, sondern ein ganzes
Lichtmeer an. Mr. Steal blieb
stehen und knipste mit Daumen
und Zeigefinger, als wenn er nach
langem, langem Suchen eine neue
Welt gefunden hätte; Mr. Arma-
dale schaute ganz verklärt drein,
als entdeckte er mitten in der schau-
rigsten Wüste die lachendste Oase.
Und dann hoben sie die Hände und
eilten funkelnden Auges auf ein-
ander zu und —
„Wie alt sind Sic, mein Bester?"
rief Jame's Papa.
„Wenig über fünfzig Jahre."
„Ich auch, ich auch."
„Dann haben wir ein halbes
Jahrhundert auf dem Rücken,"
sprach Armadale, so stolz, als ob
das eine ganz besondere Ehre wäre.
„Hören Sie meinen Vorschlag. Unsere
Kinder können sich in jeder Hinsicht sehen lassen.
Gesundheit und Vermögen, alles was zum Glücke
gehört, ist vorhanden. So lange wir aber
Konkurrenten sind, fehlt diesem Glück das echte
und rechte Fundament, denn wenn die Väter
— Sie verstehen mich, und deßhalb erlaube ich
mir den Vorschlag —"
„Ich weiß, mein Werthester," unterbrach
Mary's Papa, „was Sie sagen wollen. Wir
sind alt genug, wir können uns zur Ruhe setzen,
wir können das redlich Erworbene mit Behagen
genießen. Allerdings, auf diese Weise würde —"
„Das Eine, die Klippe, zerstört, das echte
und rechte Fundament gelegt. Ich habe nur
den einen Sohn, Sie nur die eine Tochter,
folglich ist das Exempel kinderleicht."
„Wir treten den Kindern das Geschäft ab
und —"
„Die Konkurrenz, die uns mit Haß erfüllen
mußte, ist gefallen, denn —"
„Mann und Frau sind ja Eins. Sie ver-
kaufen Ihr Haus —"
„Oder Sie das Ihre."
„Bitte, bitte, mein Haus ist ein Erbstück
und ich werde nie —"
„Nun, deßhalb keinen Zwist. Ein Haus,
Eine Familie, Eine Firma: Steal und Armadale!"
„Oder: Armadale und Steal; so klingt es
auch besser."
„Das ist eine Ansicht, der ich nicht beipflich-
ten kann. Warum sollte Steal und Armadale
nicht eben so gut klingen?"
„O, streiten wir uns in diesem Augenblicke
nicht, das wird sich Alles finden. In der Haupt-
sache sind wir einig und —"

holden Mary, die nun auch meine Tochter ist.
Wie stehen wir da? Wie die Ecksteine zweier
Familien, wie Orestes und Pylades!"
Armadale zog das blau und weiß gewürfelte
Tuch aus der Hinteren Rocktasche, seine Augen
wurden feucht. Er wollte sehr viel sagen, brachte
aber nur zum Vorschein, daß dieser Tag der
schönste seines Lebens sei.
„Ein Glück," sprach noch Steal, „daß wir
auf den Wagen warten mußten. Wären wir

Lildrr-Käthset.


Auflösung folgt im nächsten Heft.

Auflösung des Sildcr-Räthscls im zehnten Heft».
Karneval.

gleich weiter gefahren, wären wir noch rechtzeitig
in Gretna-Green angekommen, hätten wir uns
der Heirath widersetzt — o, die Konkurrenz,
die Verstimmung, Alles wäre beim
Alten geblieben!"
„Der Himmel hat sich unserer
Köpfe und Herzen erbarmt," rief
feierlichen Tones der christlich ge-
sinnte Armadale.
Die Geister des Weines lach-
ten, kicherten und geberdeten sich,
als ob sie selbst einen kleinen Spitz
hätten.
In der Ferne ein Rollen. Eine
Postkutsche naht. Schwager Po-
stillon bläst ein Liebeslied.
„O mir ahnt —"
„Sollten das unsere Kinder —"
„Kommen Sie hinaus —
Die Männer stürzen vor die
Thür. Die Post hält. Im Wagen
ein weiblicher Schrei und ein männ-
licher Ausruf der Bestürzung; vor
dem Wagen zwei rothe Gesichter,
die „Willkommen! Willkommen!"
schreien.
Das überhört das Pärchen in
seinem Schreck, der ihm in alle
Glieder gefahren.
„O mein Gott!" stammelt
Mary; sie ist einer Ohnmacht nahe.
„Ruhig, mein Weibchen," bit-
tet James, „ich schütze Dich!"
„Willkommen!" schreien die ro-
chen Gesichter.
Sind das zürnende Väter? Und
die Konkurrenten Hand in Hand?
Ganz verwirrt schauen James und
Mary drein.
Er ruft: „Vater, wir wußten keinen anderen
Ausweg. Seit zwei Jahren lieben wir uns
und unter solchen Verhältnissen blieb nichts
weiter —"
„Als der Schmied," ruft sie. „O mein
Vater!"
„Die besten, die prächtigsten Verhältnisse!"
jubelt Steal.
„Die besten, besten," ertönt das Echo von
Armadale's Lippen.
„Heraus aus dem Wagen und in die Stube.
Ihr sollt Alles erfahren."
„Schönster Tag meines Lebens!" ruft Mary's
Papa, nach dem blau und weiß gewürfelten
Tuche tastend, zum Himmel empor.
Natürlich machen die jungen Leute wahrhaft
t,ellergroße Augen. Sind sie, sind die Väter, ist
die ganze Welt behext? Sie verlassen die Kutsche,
vier Arme strecken sich ihnen entgegen, vier Hände
zerren sie unter die Thür, und Papa Steal don-
nert durch das Haus: „Frau Verwalterin, vom
allerbesten Sect!"
Und das war das lustige Ende der tragischen
Geschichte. Dame Steal und Dame Armadale
mit den ellenlangen Locken in Gestalt von Kork-
ziehern reichten sich nach dem Beispiel der
Herren und Gebieter die Hände, wie es für das
schwache Geschlecht sich ziemt. Noch an demsel-
ben Abend wurden Verlobung und Hochzeit zu-
sammen gefeiert, und nichts ist erklärlicher, als
daß sich Steal's und Armadale's kleiner Spitz
in dieser Doppelfeier in einen sehr großen Spitz
verwandelte.
 
Annotationen