Rvbert LNltor v. Piittknmer, kouitzl. prcntzischcr KultnSmiuIstcr.
Nach cincr Pholographic gezeichnet von C. Kolb. (S. 55.)
Von Bernhard nichts mehr zu erblicken. Lächelnd schüt-
telte er das Haupt.
„Es scheint, als solle Jeder von uns die ersten
Stunden unseres neuen Glückes sür sich allein durch-
kosten. Nun, wohlan, ich bin nicht allein; komm, Ge-
liebte, Dein holdes Bild soll bei mir sein!" In
seiner plötzlich aufgcflammtcn Liebesgluth für das schöne
Mädchen achtete er wenig darauf, wie cs in dem Herzen
Bernhard's eigentlich aussehen mußte. Wohl hatte der
Bruder zuerst für Annunziata geschwärmt und er war
erst durch ihn auf das herrliche Mädchen aufmerksam
gemacht worden, aber er kannte ja den Leichtblütigen,
dessen Liebe wie eine Mecreswclle kam und ging. . .
und dessen Herz beständig ans der Wanderung zu sein
schien nach irgend einem Ideal. . . Und selbst wenn
er gewußt hätte, daß diesmal die Gefühle Bernhard's
etwas tiefer wurzelten, Edwin hätte doch nicht vermocht,
zu Gunsten des Bruders seine eigene Lei-
denschaft zu unterdrücken, die den bisher
so Ruhigen mit Sturmesgewalt und nm
so gewaltiger erfaßt hatte, als sie zum ersten
Male in sein Herz einzog, und eine mäch-
tige Leidenschaft macht auch sür die
Schmerzen der Anderen blind. Edwin ge-
wahrte nicht, Ivie schwer bereits sein armer
Bruder litt.
Bernhard hatte inzwischen ohne Plan
und Ziel eine Straße nach der anderen
durchschritten; nur fort, fort wollte er,
um mit seinem Schmerze allein zu sein,
um seine Gedanken ordnen zu können.
Auf der Piazza di Santa Croce blieb
er stehen, und ohne cs recht zu wissen,
was er that, trat er über die Schwelle der
altehrwürdigen Kirche, in welcher sich die
Grabstätten der größten Bürger von Flo-
renz befinden. Der Abend war schon weit
vorgerückt, als er in die Klosterhöfe schritt;
der Mond warf sein Licht durch die Kreuz-
gänge, auf die Steinplatten und Grabes-
münumentc, welche Kunde von den hier
ruhenden großen Todten geben . . . Hätte
der junge Mann mit bewußter Absicht
diesen Ort ausgesucht, er würde ihn für
seinen Seelenznstand nicht geeigneter zu
wählen vermocht haben. Wie ließ sich
besser das sturmbcwegte Herz zur Ruhe
bringen, als angesichts der Stätte, ans
der Herzen Ruhe gefunden, die vor uns
gelebt, gelitten und gekämpft haben; . . .
als an dem Orte, der stumm und doch so
laut die Vergänglichkeit alles Irdischen
Predigt?
Bernhard wollte entsagen — einem
Wunsche entsagen, dessen Vorhandensein
ihm gerade in den: Augenblicke klarer denn
je zum Bewußtsein gekommen war, wo
er begriffen hatte, daß er darauf ver-
zichten müsse.
Annnnziata's liebliche Erscheinung hatte
vom ersten Augenblicke an, wo sie ihm auf-
Vcrl o r e n.
Roman
, von
Ludwig K a o i <s> t.
(Fortsetzung.) (Nachdruck verboten.)
möchte Europa, Asien, die halbe Welt
durchstreifen, ehe ich nach Deutschland zurück-
beschriebenes Blatt. Meine Sorge soll es sein, mit
Flammenschrift unauslöschlich meinen Namen darauf zu
schreiben." Er sprach mit einem Feuer, einer Begeiste-
rung, die früher an ihm völlig fremd war.
„Aber
„Kein Aber," wehrte Edwin ab, „morgen werbe ich
nm Annunziata; dem Muthigcn gehört die Welt! —
Nur mit ihr ist Leben, Glück, Wonne, ohne sic ist mir
das Dasein glcichgiltig, das Gold werthlose Spreu."
„So versuche Dein Heil," sagte Bernhard mit leiser
Stimme und reichte dem Bruder die Hand.
„Was ist Dir?" fragte Edwin betroffen.
„Die Freude, die Aufregung hat mich schwindelig
gemacht, ich sagte Dir ja schon, ich muß hinaus."
Ohne eine Antwort äbznwarten, stürzte er aus dem
Zimmer. „So nimm mich doch mit!" rief Edwin. Er
eilte ihm nach, als er aber die Straße erreichte, war
U. ch
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kehre," setzte Bernhard seine im Scherze cnt-
worfenen Projekte fort.
? „Du aber kehrst doch dahin zurück. Ich
— ich bleibe für immer in Italien," erklärte Edwin
mit einer Entschiedenheit, die jeden Scherz ansschloß.
Bernhard sah den Bruder erstaunt an. Während
alle anderen Pläne hingeworfen waren wie Seifen-
blasen, welche ihr Verfertiger mit Vergnügen entstehen
und schillern, aber ohne Bedauern zerplatzen
sieht, lag in Edwin's letzterer Aenßerung
schon etwas von einem bestimmten Vor-
haben.
„Es ist mein Ernst!" nickte Edwin; „hier
in Florenz ist's gut sein, hier laßt uns,
wenn keinen Palast, so doch eine Hütte
bauen. Die Königin ist schon gefunden;
Signora Petronella soll mich nicht zum
zweiten Male von ihrer Thür weisen."
„Wie, Du wärest draußen?" fragte
Bernhard rasch.
Edwin nickte. „Vergib, Brüderchen, die
kleine List, Du weißt, im Kriege wie in
der Liebe sind dergleichen Kunstgriffe erlaubt.
Ich wollte gern einmal auf eigene Hand den
Angriff auf das kleine Häuschen wagen."
„Und - ?"
„Und bin schmählich zurückgeworfen
worden. Ein schwarzer Bursche, das wahre
Musterbild eines Bravo, hat mir die Thüre
vor der Nase zngeschlagcn."
„Und Annunziata?"
„Habe ich nicht zu sehen bekommen, die
Frau Mama dagegen hat mir vom Fenster
aus einen sehr bösen Blick zugeworfen. Das
hat aber nichts zu sagen. Gold erschließt
alle Thüren. Reichthum, gesegneter Reich-
thum, du hilfst mir die Holde erringen.
Annunziata wird mein Weib!"
Stürmisch umarmte er den Bruder
und achtete in seinem Freudentaumel nicht
darauf, daß Bernhard Plötzlich bleich und
still geworden war.
„Weißt Du denn auch, ob das Mädchen
Dich liebt?" fragte er zögernd, „Du hast
noch nie mit ihr gesprochen; scheu und
ängstlich ist sie stets vor uns geflohen."
„Die Furcht vor der Mutter," ent-
gegnete Edwin zuversichtlich. „Liebt mich
Annunziata noch nicht, so soll, so wird
sie mich lieben. Eine Liebe Ivie die meinige
muß Gegenliebe erwecken, und die Seele
dieses jungen Mädchens ist noch ein un-