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Das Buch für alle: illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann — 20.1885

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Heft 20
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https://doi.org/10.11588/diglit.61341#0469
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Hrst 20.

Das Buch für Alle.

479

fluß oder die Herrschaft der europäischen Mächte oer- !
theilt. Außer Frankreich, das über einige kleinere
Gruppen gebietet, zählt Spanien die äußerst schlecht
verwalteten Marianen und die Karolinen zu seinen
Kolonien, und Nordamerika hat, weniger des dauernden
Besitzes, als der vorübergehenden Ausnutzung halber
einige unbedeutende Felseninseln beseht.
Ar handelspolitischer Beziehung nimmt Deutschland
auf den bisher noch unabhängig gebliebenen Inseln die
erste Stelle ein, und die Bersuche englischer und zum
Theil auch amerikanischer Firmen, dem deutschen Unter-
nehmungsgeist den Rang streitig zu machen, sind bis-
her nur von geringen! Erfolge begleitet gewesen, nur
der Handel der Sandwich-Jnseln gravitirt nach Nord- i
amerika.
Ganz besonders ist der Plantagenbau und der Handel
in deutschen Händen auf den Tonga- und Samoa-Inseln, !
dem Marschallsarchipel, auf der kleinen Ellicegruppc, und
hier sind die deutschen Interessen überall durch Ver-
träge mit einzelnen der eingeborenen Herrscher, sowie
durch festerworbene Kohlenstationen für unsere Marine
und durch Konsulate in Apia auf den Samoa-, in
Jnluit auf den Marschalls-Inseln, und in Honolulu auf
Hawai nnterstükt. Die Stationirung einiger Kriegs-
schiffe gewährleistet den deutschen Kaufleuten die nöthige
Sicherheit und der deutschen Flagge die erforderliche
Achtung.
Es ist noch in frischer Erinnerung, daß cs be-
reits 1879 nahe daran war, Samoa ganz für Deutsch-
land zu gewinnen, und daß nur der Widerstand des
damaligen deutschen Reichstages die Ausführung des
Projekts, die Besitzungen des Hauses Godeffroy in das
Eigenthum des Reiches überzuführen, scheitern ließ.
Inzwischen hat sich die Stimmung in den weitesten
Kreisen des deutschen Volkes so entschieden für koloniale
Unternehmungen ausgesprochen, daß ein ähnliches Veto
kaum noch zu befürchten ist. Ob uns freilich gerade
die herrlichen Samoa-Inseln jemals zufallen werden, !
muß bei der Eifersucht der konkürrirenden Mächte frag-
lich erscheinen, die günstige Gelegenheit, sie fest zu er- !
werben, ist Wohl für immer dahin.
Frankreich hat mit der Besitznahme von Tahiti, !
der wichtigsten der Gesellschafts-Inseln, einen großen Er-
folg erzielt. Auch hier ist der Plantagenbau zur hohen !
Blüthe entwickelt, die Baumwolle von Tahiti rivalisirt j
mit der besten Nordamerikas, das Zuckerrohr gedeiht
vortrefflich, Kokospalmen und vor Allem Orangen-
kulturen liefern reiche Erträge. Die gesanimte Handels-
bewegung bewerthet sich bereits auf jährlich rund sechs
Millionen Mark, woran Deutschland mit fast einem
Drittel betheiligt ist. Charakteristisch ist überhaupt, !
daß ebenso wie die Eingeborenen sich nur in sehr ge-
ringem Maße dem Ackerbau widmen und meist durch
eingeführte Arbeiter ersetzt werden müssen, die herr-
schenden Franzosen den Großhandel fast ganz fremden,
amerikanischen, deutschen und englischen Firmen über-
lassen haben. Auf der anderen Seite hat die fran-
zösische Verwaltung aber viel sür die Insel gethan,
das Wegnetz ist recht gut ausgebaut, eine subventionirte
Tampferlinie vermittelt den regelmäßigen Verkehr mit !
San Francisco, ja Tahiti erfreut sich sogar bereits
einer kleinen Eisenbahnstrecke mit dein Ausgangspunkt
Papeete an der Nordseite des Eilands.
Unter den unabhängig gebliebenen Inselgruppen
nehmen in Bezug auf schnell fortschreitendes Gedeihen
die Tonga-Inseln und Hawai, so werden jetzt meist !
offiziell die Sandwich-Jnseln genannt, die erste Stelle !
ein. Auf beiden Inselgruppen haben sich unter ein-
heimischen Herrschern ruhige und geordnete Verhältnisse ;
hcrausgebildet. Die durch ein gesundes Klima, üppige !
Vegetation und gute Bewässerung ausgezeichneten Tonga- !
oder Freundschafts-Inseln bilden bereits seit dem An-
fang dieses Jahrhunderts ein selbstständiges Reich, das
jetzt unter dem einsichtsvollen und energischen König
Georg I., dem in der Person des früheren Missionars
Baker ein höchst gewandter Rathgeber zur Seite stand,
einen bewundernswerthen Blüthezustand erlangt hat.
Ein neuerer Reisender vergleicht die Tonga-Inseln gerade- s
zu mit einer Reihe blühender Gärten und schildert die
sozialen Verhältnisse als durchaus ansprechend. Nicht j
nur ein geordnetes Justizwesen und gute Schulen sind
vorhanden, es besteht sogar eine konstitutionelle Aer- s
fassung und allgemeine Wehrpflicht. Das Königreich j
umfaßt ein Areal von fast tausend Quadratkilometern
und ist verhältnißmüßig dicht bevölkert, inan zählt
gegen 25,000 Bewohner.
Eine wichtigere Position nimmt Hawai ein, denn
die durch ihre centrale Lage zwischen Asien und Ame-
rika begünstigten Sandwich-Jnseln bilden in der That
die einzige Inselgruppe der Südsee, die unter Wahrung
ihrer Selbstständigkeit in den großen Weltverkehr ener-
gisch eingetreten ist. Die Hawaier gelten mit Recht
als die betriebsamsten unter allen Polynesiern, sie stan-
den schon auf einer verhältnißmüßig hohen Kulturstufe,
als Cook 1778 Hawai entdeckte, und sie haben unter
dem Herrschcrhause der Kamehamehas, das bereits am
Ende des vorigen Jahrhunderts die acht Inseln zu
einem Königreich vereinigte, sich stetig weiter entwickelt.

Vortreffliche, ja die besten Ackerbauer der Südsee, sind
sie zugleich auch als ausgezeichnete Seeleute bekannt
und haben sich die Formen des europäischen Verkehrs
erstaunlich schnell angeeignet. Ter Handel der vul-
kanischen Gruppe, die mit fast 20,000 Quadratkilo-
meter Areal dem Königreich Württemberg an Größe
gleichsteht und circa 60,000 Einwohner hat, ist in den
letzten Jahrzehnten enorm gestiegen und wird besonders
von Nordamerika in jeder Weise unterstützt. Die Ein-
fuhr bewerthete sich 1881 bereits auf circa 18 Mil-
lionen, die Ausfuhr auf 27 Millionen Mark. Wenn
es dem jetzigen Könige Kalakaua I. gelingt, seinem reich-
gesegneten Lande an Stelle der sich nach und nach ver-
ringernden eingeborenen Bevölkerung frische Kräfte zuzu-
führen, so hat Hawai eine große Zukunft. In der That
scheint cs, als ob die Einwanderung eine recht starke wer-
den wolltej abgesehen von den zahlreichen, aber wenig
willkommenen Chinesen sind unter Anderen in den Jahren
1880 bis 1882 allein 4000 Einwanderer aus portu-
giesischen Besitzungen in Hawai eingetroffen, die, init
dem Bau des Zuckerrohrs vertraut, für die Landes-
kultur besonders werthvoll erscheinen. Auch circa 800
Deutsche sind auf den Inseln ansässig.
Selbst ein flüchtiger Ueberblick über die reichen und
mannigfaltigen Inselgruppen der Südsee zeigt, daß die
heutigen Kolonisten des australischen Kontinents durch-
aus keinen Anspruch darauf haben, Melanesien und
Polynesien zu beherrschen. Die oceanische Inselwelt
hat, wie neuere Forscher übereinstimmend nachweisen,
mit dem Australkontinent sowohl in geographischer als
ethnographischer Hinsicht fast nichts gemein und wurde
nur infolge mangelhafter Kenntniß ein Jahrhundert
hindurch zu Australien gerechnet.

^)IllIllllA7llI1lAk§. (Nachdruck Ucrlwtcn.)
Ein Bielbenutzter. — Zu den unentbehrlichsten Toilette-
gegenständen gehört heutzutage der Schirm. In Palast nnd
Hütte ist er zu finden, der arme Tagelöhner nnd die Dienst-
magd benutzen dieses Requisit ebenso wie der elegante Mode-
herr und die Prinzessin. Freilich ist in Form und Qualität
ein himmelweiter Unterschied, denn in der uralten, feuerrothen
Familientulpe mit dein gepreßten Messinggriff erkennt man
kaum noch das Urbild jenes zierlichen goldgestickten, in den
zartesten Farben schimmernden Sonnenschirmchens, welches auf
der Promenade das niedliche Gesichtchen der reichen Bankiers-
tochter vor den sengenden Strahlen des Tagesgestirns schützt.
Fast täglich ist der Schirin im Gebrauch, aber' kaum Jemand
hat sich wohl schon die Mühe gegeben, über seine Geschichte
ein wenig uachzudenken. Und doch ist diese keineswegs un-
interessant. Das Alter dieses Schutzdaches ist ein sehr hohes,
aber mit Sicherheit nicht mehr anzugeben. Jedenfalls war
der Schirm den Assyrern schon vor drei Jahrtausenden be-
kannt, denn der berühmte Reisende Layard entdeckte in den
Ruinen von Ninivch, der einstigen Hauptstadt des gewaltigen
assyrischen Reiches, ein Basreliefs welches einen König dar-
stellt, über dessen Haupt eine Sklavin einen Schirm hält.
Das uralte Steinbildwerk zeigt den dargestellten Gegenstand
noch mit solcher Deutlichkeit, daß sogar die kleinen Quasten
an dem Schirm, sowie die zierlich gemeißelte Blume auf der
Spitze noch genau zu unterscheiden sind. Auch das klassische
Alterthum kannte die Schirme und zwar wurden dieselben
von Männern und Frauen in verschiedenen Größen getragen.
Die Griechen besaßen bereits solche mit einer Vorrichtung
zum Auf- und Zuklappen, was mittelst beweglicher Stäbe
hervorgebracht wurde. Bei den großen Festen der Pallas
Athene mußten die Töchter der Neubürger, der Eingewan-
derten, den Frauen der Alteingesessenen die Schirme nach-
tragen, was gleichbedeutend mit dem Anerkenntnis; einer ge-
wissen Abhängigkeit und Unterwürfigkeit war. Bei den Rö-
mern waren die Sonnenschirme ebenfalls in Gebrauch, und
während der etwas üppigen Kaiserzeit wurden sie von Jedem
getragen, der einigermaßen Anspruch auf Namen und Rang
machte. Indessen war ihre Form nicht ganz der heutigen
Gestalt entsprechend, wenigstens berichten römische Geschichts-
schreiber, daß bei Volksversammlungen und namentlich bei
den großen SchauspieleirZn den offenen Amphitheatern fast
alle Zuschauer mit einer Schutzvorrichtung gegen die Sonnen-
strahlen versehen gewesen seien, die halb Schirm, halb Fächer
war. Im Orient, in Indien und China spielt der Schirm
eine große Rolle. Der König von Birma führt den Titel:
„Herr des weißen Elephanten und Besitzer der vierundzwanzig
weißen Schirme." Keiner seiner Unterthancn darf weiße
Schirme tragen, und die Rangstufe derZPrinzen erkennt man
an der Größe dieser Schilder gegen die Sonnenstrahlen, welche
Hofbeamte über den Häuptern derselben halten müssen. Ein
Chinese ohne Schirm oder Fächer ist nicht denkbar, er gehört so
gut zur Charakteristik dieses Kulturvolkes, wie der Zopf und die
Theekanne. Am großartigsten freilich treibt es der Beherrscher
des himmlischen Reiches selbst j sobald er sich auf der Straße
blicken läßt, werden ihm vierundzwanzig Schirme, zur Hälfte
aus Seide, zur Hülste aus feinem buntlackirten Papier her-
gestellt, vorausgetragen und mit allen diesen Schutzdächern ab-
wechselnd seine^ geheiligte Person vor der Gluth der Sonne
bewahrt. — Selbst die keineswegs im Rufe großer Klugheit
stehenden Kaffern bedienen sich einer dein Schirm ähnlichen
Vorrichtung, die aus Bambus und Palmblättern gefertigt ist.
Jeder Häuptling besitzt seinen eigenen Schirmträger, und wehe
ihm, wenn ein Sonnenstrahl das Antlitz seines Gebieters trifft.
Schwere körperliche Züchtigung ist die unausbleibliche Folge
dieser Nachlässigkeit, ja es kann ihm sogar an's Leben gehen,
wenn er bei einem Ausgange des Häuptlings den Schirm etwa
gar vergißt. In der Türkei bildete der Schirm ehedem das aus-
schließliche Prärogativ des Sultans und seiner höchsten
Würdenträger, mit dem Vordringen der westeuropäischen
Kultur wurde aber auch dieses Requisit immer mehr Gemein-

gut aller Klassen. Jetzt ist es jedem Osmanen erlaubt, einen
schirm zu tragen, nur muß er ihn schließen, wenn er am
Palast des Sultans oder an der „hohen Pforte" vorüber-
geht. Um dieser lästigen Bestimmung zu entgehen, tragen
die Türken in Konstantinopel fast nur Fächer, welche meist
ans bunten Federn gefertigt und in der Mitte mit einem
kleinen Spiegel versehen sind. In den Kulturstaaten des
Abendlandes kennt man den Gebrauch des Schirmes erst seit
dem Jahre 1756. John Hanway, der Gründer des Londoner
Hospitals, wagte es in dem genannten Jahre zum ersten
Male, mit einem Regenschirm über die Straße zu gehen.
Er erregte kolossales Aufsehen, Spott und Hohn entlud sich
über den Neuerer, und ein mächtiger Schweif von Straßen-
buben heftete sich an seine Fersen. Aber er ließ sich nicht
irre machen und bald hatte er die Genugthuung, zu sehen,
wie man das Praktische dieses Garderobestückes zu begreifen
begann und seinem Beispiel folgte. Rasch nahm nun der
Schirm seinen Weg durch das übrige England, nach Frank-
reich, Deutschland, Oesterreich und die übrigen europäischen
Staaten, und heute ist er längst kein Luxusgegenstand mehr,
sondern ein unentbehrlicher Bedarfsartikel. Den kostbarsten
Sonnenschirm dürfte gegenwärtig wohl die Königin Viktoria
besitzen, die ihn von der ostindischerr^Compagnie zum Geschenk
erhielt. Er ist von den kostbarsten Spitzen gefertigt, der Stab
aus Elfenbein mit herrlicher Schnitzerei und reich mit Bril-
j kanten, Smaragden und Sapphiren besetzt. Ein großer Dia-
mant ziert die an dem schirm befindliche Quaste, ein anderer
die Spitze desselben; der Werth dieses Prachtstückes soll gegen
zweimalhunderttausend Franken betragen. Moritz Lilie.
Die Rechtspflege der Republik Andorra. — Diese
kleine Republik liegt mitten in dem steilsten Theil der Pyre-
näen! sie kommt nicht vor in den Händeln der Welt und
selbst die Geographen wissen von ihrer Existenz nichts oder
nur wenig. Zu ihr gehören 54 Dörfer mit 13,000 Einwoh-
nern. Bis zum 7. November 1846 besaß die Republik keine
geschriebenen Gesetze; auch Napoleon, den sie um sein Pro-
tektorat und dabei zugleich um solche gebeten hatten, hatte sie
nicht damit bedenken können. Der Codex, der seitdem den
richterlichen Funktionen zu Grunde liegt, ist höchst interessant,
: denn er ist ganz dem einfachen Charakter des unverdorbenen
Hirtenvolkes entsprechend abgefaßt und enthält nur 100 Ar-
tikel. Da Mord höchst selten in Andorra vorkommt, so ist
die Verurtheilung des Verbrechers zum Tode auch init beson-
deren Förmlichkeiten verknüpft. Das Urtheil muß nämlich von
sämmtlichen Schulzen der 54 Dörfer bestätigt werden. Als-
dann wird , wie es auch in einigen Gegenden des Himalaya
Sitte ist, der Verurtheilte an eine Felsschlucht geführt, in
deren Tiefe man auf keinem Wege gelangen kann, und in
Gegenwart aller 54 Schulzen oder ihrer Vertreter von dem
Richter eigenhändig hinabgestürzt. I.
Der goldene Zahn. — Wie gewaltige Dimensionen
der Glaube an Zauberei, Magie und Einwirkung der Ge-
stirne auf den Menschen im 16. Jahrhundert angenommen
hatte, davon liefert die Geschichte des „goldenen Zahns" ein
ergötzliches Beispiel. Einem Knaben von neun Jahren in der
Gegend von Schweidnitz in Schlesien sollte ein goldener Zahn
gewachsen sein. Professor Jakob Horst in Helmstädt, welcher
irüher Arzt in Schweidnitz gewesen war, hörte diese wunder-
bare Geschichte und schrieb ein seltsames Buch darüber. Ohne
nur einen Augenblick an der Glaubwürdigkeit der Erzählung
! zu zweifeln, obgleich er Professor der Medicin und Physik
war, betrachtete er die Erzeugung dieses Zahns als eine über-
! natürliche Wirkung, die von der Konstellation abhinge, unter
welcher der Knabe geboren sei. Am Tage seiner Geburt (den
22. Dezember 1586) habe nämlich die Sonne in Konjunktion
mit dem Saturn im Zeichen des Widders gestanden; durch
diese Ursache sei die ernährende Kraft vermittelst der Zunahme
der Hitze wunderbar verstärkt und so fei statt der Knochen-
materie jener Goldstoff ausgeschieden worden. Hinsichtlich der
Vorbedeutung dieses Wunders meint er, man müsse diesen
goldenen Zahn als ein Zeichen der Ankunft des goldenen
Zeitalters ansehen; der römische Kaiser werde den Türken,
diesen Feind der Christenheit, aus Europa vertreiben, und
! alsdann sei das tausendjährige Reich und das goldene Zeit-
alter vor der Thüre. Tausende von Menschen aus allen Theilen
Deutschlands reisten nach Schweidnitz, um diesen merkwür-
digen Zahn zu sehen und anzustaunen, aber Niemand fiel
es ein, die Echtheit des Zahnes zu untersuchen. Nach längerer
Zeit erst wurde der Schwindel — es handelte sich in Wirk-
lichkeit um nichts, als um eine allerdings etwas auffallende
goldgelbe Färbung der Glasur des betreffenden Zahnes —
endlich entdeckt, und Professor Horst war init seiner gelehrten
Abhandlung gründlich blamirtü ösch.
Vögel nnd Cholera. — Man will beobachtet haben,
daß mit dem Beginn der Epidemie in Marseille 1884 die
Schwalben davonzogen und in diesen! Jahre auch nicht wieder-
kehrten. Ebenso sei in der Stadt kein Sperling zu erblicken
gewesen. Dasselbe soll während der Krankheit in Kairo und
f anderen Städten Egyptens wahrgenommen worden fein. R.
Gut parirt. — Der berühmte französische Arzt Orfila
ivar einmal als Sachverständiger in einem Kriminalprozeß
vorgeladen, bei welcher Gelegenheit es sich der Präsident
! des Gerichtshofes, der ihm aus irgend einem Grunde nicht
wohlwollte, beisallen ließ, die lächerliche Frage an ihn zu
! richten, ob er vielleicht auch wisse, welches Quantum Ar-
j senik erforderlich sei, eine Fliege zu tödten. Orfila entgegnete
! ruhig: „Darüber kann ich Ihnen allerdings Ausschluß geben,
! sobald ich das Alter der Fliege, ihr Temperament, ihre Leibes-
beschaffenheit und ihre Lebensgewohnheiten, sowie ferner in
! Erfahrung gebracht, ob sie ledig oder verheirathet ist. Wollen
Sie die Güte haben, mir diesbezügliche Angaben zu machen."
Der Präsident biß sich aus die Lippen, und Orfila war für
> die Folge vor ähnlichen Fragen seinerseits behütet. L. M.
Edles Wort. — Der Kaiser Hadrianus begegnete kurz
nach seiner Erwählung einem Menschen, der ihn, da er noch
der einfache Ritter Publius Aelius Hadrianus war, tüdtlich
beleidigt hatte, und nun scheu und ängstlich bei Seite wich.
„Tritt näher," sprach Hadrian mit mildem Lächeln, „Du hast
nichts mehr von mir zu fürchten. Ich bin ja jetzt Kaiser!^
--— L. Z.
 
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