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Das Buch für alle: illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann — 33.1898

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Heft 9
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Heft 9.

D a s B u ch f ür Alle.

223



an solchen. Diesem Uebelstand will der Verein abhelfen, und ;

es iſt Aussicht, daß es gründlich geschieht, denn auch in an-
deren größeren Städten soll alsbald mit der Errichtung von
Vereinsabteilungen vorgegangen werden. In der Hand des
Unteroffiziers liegt in erſter Linie die Ausbildung des Mannes.
Wir haben glücklicherweiſe ein tüchtiges Unteroffiziercorps;
und wenn Fürst Bismarck in einer Rede äußerte: „Unser
Offiziercorps macht uns keiner nach!“ so können wir mit
gerechtem Stolz hinzusſeßen: „Unser Unteroffiziercorps erſt
feu nicht!" Und daß es so bleibe, dafür will der Verein
orgen.



Eine ſtolze Schönheit.
(Siehe das Bild auf Seite 223.)

E? giebt nur eine Schönheit, aber sie hat viele Erſchei-
; nungsarten. Besonders die Frauenschönheit iſt ſo mannig-

faltig, daß man ſagen kann, jedes ſchöne Weib ſtelle eine
beſondere Art derſelben vor. Doch läßt sich dieſe „Fülle der
Geſichte" unter einige große allgemeine Abteilungen bringen.
Da haben wir die heldenhafte Schönheit, die als Walküre
im Norden, als Mutter der Gracchen, als Medea oder Judith

im Süden gedeiht. Ihr Gegenstück iſt die madonnenhofte

Schönheit, welche die Heldin nicht der That, sondern des
Leidens und Duldens darstelle. Dann die naive, kindlich-
liebenswürdige Schönheit, die bescheidene, gretchenhafte, die
kecke, herausfordernde, soubrettenhafte, die stolze, unnahbare
und eine Anzahl von Miſchtypen. Wer kann ſie alle auf-
zählen? Der Künſtler, dessen vortreffliches Frauenbildnis
wir auf S. 225 wiedergeben, hat ſich eine stolze Schönheit
zum Vorwurf erwählt, und zwar eine solche aus dem Süden.
Dunkel ringeln sich die welligen Haare um den vollen Hals
und die Schultern, Unnahbarkeit künden die kaum geſchwun-
genen dichten Brauen und der festgeschloſſene Mund, kühle
Geringschätung der Meinung anderer der ruhige, kalte Blick.
Es ist, als wolle dies Gesicht sagen : ich weiß, daß ich schön
bin, und daß ihr mir huldigt, iſt eure Pflicht, für die ich
euch weder Dank noch Entgegenkommen schuldig bin. Doch
ob ihr mir ſchmeichelt oder mich lästert ~ mich kümmert's
nicht. Der Stolz iſt stets seiner ſelbſt gewiß und kann die
Meinung anderer verachten.



€in Thronwetchſel vor hundert Jahren.

Gedenkblatt von Kurt Laſſen.



(Nachdruck verboten.)

m 16. November 1797 verbreitete ſich in der
Y hs

morpalais zu Potsdam an der Bruſtwaſser-
sucht geſtorben sei. Sein ältester Sohn, der siebenund-
zwanzigjährige Kronprinz, bestieg als Friedrich Wil-
helm III. den Thron.

Dieſer Regierungswechsel, der eine für Preußen
wie für ganz Deutſchland so ungemein bedeutungsvolle
Zeit einleitete, legt im Hinblick auf die Persönlichkeit
des verſtorbenen und des nun zur Herrſchaft gelangten
Monarchen die Bemerkung nahe, wie grundverſchieden
bei aller typiſchen Familienverwandtſchaft doch die ein-
zelnen Regenten aus dem Hauſe der Hohenzollern von
jeher geweſen ſind. Auf den streitbaren Großen Kur-
fürſten folgte der friedliche, prachtliebende Friedrich II.,
der Preußens erſter König wurde. Sein Sohn war
der derbe „Soldatenkönig“ und Sparmeiſter Friedrich
Wilhelm I., dem alles franzöſiſche Weſen ein Greuel
war, und der stets eine kaiſertreue Politik verfolgte;
ſein Nachfolger wurde Friedrich der Große, der Freund
Voltaires und Gegner Maria Theresias, der das kleine
Preußen zu einer europäiſchen Großmacht erhob. Nach
dieſem kriegeriſchen Helden kam der weichliche, ſtets
von Günſtlingen beeinflußte Friedrich Wilhelm II., der
den stolzen Bau, den sein großer Oheim aufgeführt,
untergrub, und desſen Hinſcheiden wiederum seinen
leibhaftigen Gegenſatz, den strengen und rechtſchaffenen
Friedrich Wilhelm II., zum Herrſcher berief.

Friedrich Wilhelm II., um den vor hundert Jahren
das Trauergeläute erſcholl, hatte nie wie ſeine Vor-
gänger den Ehrgeiz gehegt, der erſte Diener des Staates
ſein zu wollen. Als Sohn des Prinzen Auguſt Wil-
helm, älteſten Bruders Friedrichs IT., am 25. Sep-
tember 1744 zu Prenzlau geboren, war er 1758 nach
seines Vaters Tode als Prinz von Preußen zum Thron-
folger bestimmt worden, da Friedrichs des Großen
Ehe bekanntlich kinderlos geblieben war. Seine Er-
ziehung leiteten Graf Borcke und ein junger Schweizer,

Nikolaus Beguelin, doch vermochten sie keine ſonder-

lich rühmenswerten Ergebniſſe zu erzielen. Ernstem
Denken und angestrengter Thätigkeit abhold, erweckte
Friedrich Wilhelm trotz guter natürlicher Anlagen und
eines wohlwollenden Gemütes ſchon als Kronprinz durch
Genußſucht und Hang zum Prunken, durch die Wahl
und die Benutzung seines Umganges und die Art, wie
er ſich ſeinen Neigungen hingab, die ſpäter gerechtfertigte
Besorgnis, daß er sich einst als unumſchränkter
Herrſcher leicht fremdem Einfluß mehr hingeben werde,
nals mit dem Landeswohl verträglich ſei.

Der alte Fritz hielt nicht viel von dem Neffen, der





ſo gar nichts von ſeiner Charakterfestigkeit,

schrieb einmal über ihn: „Er hat kein böſes Herz. Aber
es wird nach meinem Tode ein luſtiges Leben bei Hofe
werden. Mein Neffe wird den Schatz verſchwenden
und die Armee ausarten laſſen." Es bestand ein ſehr
unerquickliches Verhältnis zwischen dem König und dem
Thronfolger, der gegen den geſtrengen Oheim eine
große Abneigung empfand. JInfolgedeſſen blieb Fried-
rich Wilhelm den Staatsgeſchäften völlig fern und
fiel um so leichter den üblen Einflüſſen anheim, denen
ein junger Prinz, dem es an Willenskraft und sſitt-
lichem Ernste gebricht, so ſchwer entgeht.

Der alte König hielt es für das beſte, den Thron-
folger bald zu verheiraten, und vermählte den noch
nicht Einundzwanzigjährigen am 14. Juli 1765 mit
seiner Nichte, der neunzehnjährigen Prinzessin ECliſabeth
von Braunſchweig. Sie ſchenkte ihm eine Tochter,
die nachherige Herzogin von York, allein die Ehe wurde
bereits nach wenigen Jahren gerichtlich getrennt. Gleich
nach der Scheidung heiratete der Prinz von Preußen
am 14. Juli 1769 die Prinzeſſin Luiſe von Heſſen-
Darmstadt; von ihr hatte er vier Söhne, den Thron-
erben Friedrich Wilhelm, die Prinzen Ludwig, Hein-
rich und Wilhelm, und zwei Töchter, die er ſpäter mit
dem Erbſtatthalter von Oranien, Wilhelm V., und
dem Kurprinzen, späteren Kurfürſten Wilhelm II., von
Heſſen - Kaſſel vermählte. Außerdem ging Friedrich

Wilhelm als König noch zwei Ehen zur linken Hand

ein: mit Fräulein v. Voß, die er zur Gräfin v. Ingen-
heim erhob, und nach deren Tode mit der jungen Gräfin
Dönhoff, deren Nachkommen die Grafen v. Branden-
burg sind. Den größten Einfluß aber auf ihn gewann
Wilhelmine Enke, die Tochter eines Trompeters, die
seinen Kammerdiener Rieth heiratete. Als die „Ppreußiſche
Pompadour" mit fürstlichem Auſwand eine Reife nach
Italien machte, und die Königin Karoline von Neapel
ſie nicht empfangen wollte, verlieh ihr der König den

| Rang einer Gräfin v. Lichtenau.

Als Friedrich der Große, in seiner letzten Lebens-
zeit mehr und mehr verbittert und vereinſamt, am
17. Auguſt 1786 in Sanssouci aus dem Leben ſchied,
hinterließ er ſeinem Neffen ein Staatswesen von faſt
200,000 Quadratkilometer mit beinahe sechs Millionen
Einwohnern, mit einem Heere von 200,000 Mann, das

als das beste der Welt galt, einem Jahreseinkommen

von 22 Millionen Thalern und einem mit 55 Millionen
gefüllten Staatsſchaßt. Allein der Staat war unter
ihm zu einer künſtlichen Maſchine geworden, deren
Triebfeder und Kontrolle ganz allein in der Perſon des
genialen und in seinem Herrsſcherberuf unermüdlich
thätigen Regenten ruhte. In ihm allein war der ein-
heitliche Staatsgedanke, die lezten Spuren von Selbst-
verwaltung wurden vernichtet, von ihm ging in jeder
Richtung die erſte Anregung aus; die Beamten waren
die Werkzeuge seines Willens, während das Volk in
Unthätigkeit und Unmündigkeit verharrte. Ein ſolches
Regimeifkt konnte nur von einem Herrſcher weitergeführt
werden, der auch Friedrichs erſtaunliche Willensſtärke
und Arbeitskraft, ſeine Einsicht und seinen raſchen
Ueberblick besaß. Als dagegen auf diesen ſtraffen,
erleuchteten Deſpotismus eine ſchlaffe Günſtlingswirt-

ſchaft folgte, mußten Zerrüttung und Entkräftung des

gesamten Staatswesens eintreten.

Friedrich Wilhelm II. ließ die Staatsmaſchine,
wie sie sein Oheim geschaffen hatte, weitergehen, ver-
traute aber ihre Leitung unfähigen und eigenJqüchtigen
Menschen an, die ſeinen Schwächen ſchmeichelten. Obenan
unter ihnen standen der hofmänniſch weltgewandte, aber
geistig beſchränkte Biſchoffwerder, den er zum General-
major machte, und der von ihm geadelte und 1788
zum Staats- und Juſtizminiſter und Chef des geist-
lichen Departements erhobene intrigante Wöllner, deſſen
verhängnisvollem Einfluſſe es vor allem zuzuſchreiben

war, wenn alle von dem Könige wenigstens anfangs

angestrebten Reformen im Sande verliefen oder sich
in ihr Gegenteil verkehrten.
Um den König ganz in ihre Gewalt zu bekommen,

benutzten diese beiden den geheimbündleriſchen Hang

der Zeit, in der Schrepfer, Caglioſtro, Saint-Germain
und andere „Wundermänner“" die Leichtgläubigkeit der
Vornehmen und Reichen ausbeuteten, und dem auch
Friedrich Wilhelm ſehr zugänglich war. Er ließ ſich
unter dem Namen Ormeſus Magnus förmlich in den
Orden der von Schwärmern und Schwindlern begrün-
deten Orden der Roſenkreuzer aufnehmen, deren geheime
Oberen mit Alchimie, Geheimmitteln und Zauberei
ſchwache Geister zu bethören verſtanden. Durch optiſche
Spiegel wurden dem Monarchen Geiſstererſcheinungen
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Feu chſie Angst versetzte. eyet

Die äußere Politik des Königs war launenhaft und
ſchwankend; die unglücklichen und unrühmlichen Feld-
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Scharfblick und seiner raſtloſen Thätigkeit t t L: |



während zugleich die Ordnung und Feſtigkeit nach
innen mehr und mehr verloren ging.

Der Staatsſchaß Friedrichs des Großen war ver-
braucht, dagegen waren 48 Millionen Schulden gemacht;
die Staatsgüter in den neuerworbenen Provinzen wur-
den auf das gewisſenloſeſte verſchleudert, die wichtigsten
Aemter nach Gunſt vergeben. Die Armee verfiel;
drückende Steuern belaſteten das Volk, das ein Gegen-
stand der Ausbeutung für die bevorrechteten Stände,
den Adel und das Beamtentum, geworden war.

Von Person war König Friedrich Wilhelm II. ein
hochgewachſener Mann von edler Haltung und fürſt-
lichem Anſtande, nur beeinträchtigte ſpäter raſch zu-
nehmende Beleibtheit ſeine Erſcheinung. Seine Sprache
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Perſönlichen Mut und Unerſchrockenheit hat er während
der franzöſiſchen Feldzüge wiederholt bewiesen. Gleich
Friedrich Il. hielt er viel auf eine gute Tafel, aber
weniger, als der „Philoſoph von Sanssouci“, auf geiſt-
reiche Unterhaltung. Ferner aber hatte er mit dem
großen König eine lebhafte Vorliebe für die Tonkunſt
gemeinſam; er spielte das Violoncello mit Fertigkeit,
lud Mozart zu ſich ein und hätte ihn gern in ſeinen
Dienst gezogen. Auch in seinen Bauten herrſcht ein
edler Geschmack, dafür zeugen insbesondere das von
ihm 1790 bezogene Marmorpalais im Neuen Garten
bei Potsdam und das von Langerhans nach dem Vor-
bilde der atheniſchen Propyläen gebaute Brandenburger
Thor in Berlin, das Schadow mit meiſterhaften Bild-
werken schmückte.

Die früher so feſte Gesundheit des Monarchen war
durch übermäßigen Lebensgenuß untergraben worden.
Als die Beschwerden zunahmen, hoffte Friedrich Wil-
helm in Pyrmont, dem damaligen Baden - Baden
Deutschlands, Geneſung zu finden. Im erſten Sommer
(1796) brachte ihm das Bad auch in der That einige
Linderung. Am 3. April 1797 hielt er noch den
zweiten Sohn des Kronprinzenpaares, den nachmaligen
Kaiser Wilhelm I., persönlich während der im Audienz-
saale des Kronprinzenpalais vollzogenen Taufhandlung
in den Armen, dann reiſte er abermals nach Pyrmont,
von wo er im September krank nach dem Neuen Palais
bei Potsdam, das er nicht mehr verlassen ſollte, zu-
rückkehrte. Wohl wurde von seiner Umgebung alles
aufgeboten, seinen wahren Zustand zu verheimlichen;
die Gräfin Lichtenau veranstaltete sogar ein glänzendes
Fest, bei dem sie als Polyhymnia in griechischem Ge-
wande eine von ihr verfaßte, den König verherrlichende
Reimerei vortrug, was dieſen so rührte, daß er den
Kronprinzen zwang, ihr die Hand zu küſſen. Jm
Oktober aber gaben die Aerzte, da inzwiſchen die Bruſt-
wasſerſucht ſich völlig ausgebildet hatte, den Kranken
verloren, während er ſelbſt noch bis drei Tage vor
seinem Ende auf Herstellung hoffte.

Einen höchſt intereſſanten Einblick in die damaligen
Zustände am preußiſchen Hofe erſchließkt uns der Be-
je bet ict tui sont uur tt u
Zaren Paul I. Nachdem er den kläglichen und hoff-
ſütgsteh. svhatt res Karica. seſhfeurte !utt ir
Palaste sehen. Ein Charlatan seiner Clique, der den
König mit Hilfe von Sauerſtoffluft wiederherſtellen zu
können behauptet, läßt ihn die ſstärkſten Weine trinken,
um den ihn verzehrenden Durst zu löſchen. Bis zu
elf Gläsern giebt man dem Monarchen zu trinken.“
Des Königs Kabinett und ſein perſönliches Archiv
ständen offen, ſo daß die Perſonen seiner Umgebung
zu den wichtigſten Dokumenten gelangen könnten. Schon

Ende September habe man die Kataſtrophe erwartet,

und man behaupte, daß vor dem Thore des Marmor-
palais beſpannte Wagen bereitgeſtanden hätten, um
der Gräfin Lichtenau und ihrem Anhange die sofortige
Flucht ins Ausland zu ermöglichen. Der Kronprinz
zeige ſich in Geſellſchaften, im Theater und auf der
Promenade, um. im Publikum den Glauben zu er-
wecken, daß der Zuſtand ſeines Vaters keineswegs be-
unruhigend ſei.
Am 15. November ſah der König den Kronprinzen
zum letztenmal, und am 16. morgens verſchied er im
54. Lebensjahr und im zwölften seiner Regierung.
Sobald die Kunde nach Berlin gelangte, wurden die
Stadtthore geſchloſſen, bis das Militär und die Be-
amten auf den neuen Regenten vereidigt worden waren.
Die Leiche wurde in der Berliner Domtltirche bei Fackel-
ein beſtattet.
ih ! beſteit Wilhelm III. ließ unmittelbar nach seines
Vaters Tode die Gräfin Lichtenau verhasten und ihr
den Prozeß machen, der jedoch nichts Belaſtendes gegen
ſie ergab. Sie verlor die halbe Million Thaler, die
ihr Friedrich Wilhelm Il. kurz vorher geſchenkt hatte,
und wurde in Glogau interniert. Ihre Freiheit er-
hielt sie erſt nach einer unbedingten Verzichtleiſtung auf
ihr ganzes Vermögen zurück, wogegen ihr eine jähr-
liche Penſion von 4000 Thalern bewilligt wurde; später
bekam sie auch einen Teil ihrer Güter wieder. 1802
heiratete sie den Theaterdirektor und -:.dichter v. Holbein,
 
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