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Das Buch für alle: illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann — 41.1906

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Heft 11
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https://doi.org/10.11588/diglit.60737#0285
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246

Das lenkbare luuktschjff „luebauclp".
(Siehe 6as Lyc! auf Seite 2qs0
^4ii Frankreich ist inan besonders eifrig beschäftigt, daS
FIngprobleni zu lösen, bewegt sich aber unanSgcseht in
der nach Meinung der fähigsten Beurteiler falschen Dichtung
der Konstruktion sogenannter lenkbarer Luftschiffe in Ballon-
form, bei denen der tragende Körper leichter ist als die Luft,
daher man ihn nie gegen einen irgendwie beträchtlichen
Wind steuern, sondern nur bei nahezu unbewegter Luft
freie Fahrten ausfuhren kann. Allerdings bat man in den
letzten Jahren in der Konstruktion solcher Fahrzeuge be-
deutende Fortschritte gemacht, und das lenkbare Luftschiff
„Lebaudy" soll, nach dem Ergebnis der kürzlich in Toni vor-
genommenen Probefahrten, die vollkommenste Maschine dieser
Art sein, die bisher konstruiert worden ist. Die französische
Heeresleitung interessiert sich sehr für die Erfindung und
hofft, daß sie für den militärischen Aufklärungsdienst im
Knege von großem Stutzen sein werde. Der Ballon „Le-
baudp" ist nach den Angaben der beiden Brüder, deren
Namen er trägt, von dem Ingenieur Julliot erbaut worden.
Er fällt zunächst durch seine unsymmetrische Gestalt auf: eine
Walze mit ungleich langen und verschieden geformten Spitzen.
Dann fehlt das Netz; statt an einem solchen hängt die Gondel
an einem unter dem Ballon angebrachten gewaltigen Fall-
schirm von 21,5, Meter Länge und 6 Meter Breite. Sie hat
im Inneren einen Daimlermotor von 35 Pferdestärken und
zu beiden Seiten je eine Schraube, um auf dem Fleck drehen
zu können. Mit den Nebenapparaten: Benzinbehälter, An-
drehvorrichtung, Kühlapparat wiegt die maschinelle Einrich-
tung 316 Kilogramm. Unter der Gondel befindet sich noch
eine Vorrichtung zum Auffangcn des Stoßes und zum Schutz
des Benzinbehälters beini Landen. Beim ersten Aufstieg
im Mai 1905 machte das lenkbare Luftschiff „Lebandy" nach
den Angaben der Erfinder eine Rundfahrt von 37 Kilometer
in einer Stunde. Der zweite Versuch hatte bereits ein
besseres Ergebnis. Er fuhr gegen einen Wind von 7 Meter
Geschwindigkeit in der Sekunde mit einer Eigengeschwindig-
keit von 4,87 Meter; nach abermaligen Verbesserungen wurde
eine erfolgreiche Dauerfahrt von 99 Kilometer unternommen,
und nun faßten die Erbauer den Mut, mit ihrem Werke vor
die Öffentlichkeit zu treten. Man lud den französischen
Kriegsminister und höhere Offiziere vom Geniekorps nach
Toul ein, um das neue Fahrzeug zu prüfen. Diese Prü-
fung ist, wie wir schon eingangs erwähnten, sehr zur Zu-
friedenheit der Teilnehmer ausgefallen.

fkulciigung äer Vorfahren clerlaaotier
vor König Sisawong von lüuang-
Prabang.
(Siehe äas Gilci auf Seite 249.)
Volksstamm der Laos oder Laotier in Hinterindien
ist noch wenig bekannt. Er bewohnt das Hinterland
von Siam, Tongking und Anam, sowie Birma. Die Laotier
sind mittelgroße, gutgewachsene, kräftige Leute mit Heller
Hautfarbe, am nächsten den Siamesen verwandt, obschon ihre
Kultur tiefer steht. Während die niederen Stände sich mit einem
baumwollenen Lendentuch als Kleidung begnügen, tragen die
Wohlhabenderen daS lange Hüfttuch in der Art geschlungen,
daß es eine bis über die Kniee reichende Pumphose bildet, und
dazu eine baumwollene oder seidene, meist buntgestreifte
Jacke. Ackerbau und Gartenzucht wird eifrig betrieben, nicht
minder der Handel, für den sic natürliche Begabung haben.
Die Häuser stehen auf Ihs bis 2 Meter hohen Pfählen oder
einein steinernen Unterbau und bilden eine offene, mit Schilf-
oder Palmblättern gedeckte Halle, deren Seiten nach Bedarf
durch Matten aus Bambusgeflccht geschloffen werden können.
Kopfputz und Fußbekleidung sind nicht üblich, einen Hut
tragen nur die Bootsleute, um sich vor den auf den offenen
Gewässern doppelt wirksamen Sonnenstrahlen zu schützen.
Den Tanz lieben sie nicht, umsomehr die Musik und alle-
gorische Pantomimen, meist mythischen und religiösen In-
halts, die bei keiner größeren Festlichkeit fehlen dürfen. Unser
Bild gibt solch eine mythisch-allegorische Darstellung bei den
zum indochinesischen Kolonialreich der Franzosen gehörigen
Laos. Dort wurde kürzlich die Thronbesteigung des jungen
Königs Sisawong von Luang-Prabang mit großen Feierlich-
keiten begangen, wobei auch der französische Resident und
einige andere höhere Beamte, die in Wirklichkeit die Herr-
schaft führen, während der sogenannte „König" nur dem
Namen nach regiert, anwesend waren. Unter diesen befand
sich auch der Liebhaberphotograph, der das charakteristische,
von uns wiedergcgebene Bild ausgenommen hat. Es zeigt
den feierlichen Moment, da die sagenhaften Vorfahren der
Laos nahen, um dem neuen König ihre Huldigung darzu-
bringen. Mit sich führen sie ein Ungeheuer, das die durch
dis beiden Begleiter mit den McnschenmaSken gebändigte
Unkultur versinnbildlicht. Eine Woche lang währten die
Feste, bei denen alle Pracht, welche das Land aufbieten kann,
entfaltet wurde, und die Umzüge, dramatischen Vorstellungen,
Anreden und Festmahle kein Ende nahmen.
Oie Erhebung Württembergs zum
Königreich.
(Siehe cias BilU auk Seite 251.)
er Rückblick auf die unrühmliche Epoche deutscher Geschichte,
die vor hundert Jahren den Kaiser Napoleon I. zum Herrn
in Deutschland machte, bietet dem Auge zwar wenig angenehme
Ruhepunkte, aber er ist umso lehrreicher. Jeder der deut-
schen Fürsten, der gegen das Ende des 18. Jahrhunderts
durch seinen dynastischen Eigennutz zur Schwächung Deutsch-

lands beigetragen hatte, tst damals durch Napoleon tief ge-
demütigt worden, denn auch die Rangerhöhung der süddeut-
schen Fürsten, die diese als Bundesgenossen Napoleons nach
dein Frieden von Preßburg im Dezember 1805 an sich selbst
vollzogen, erscheint unlösbar verquickt mit dem Untergang
des alten Reichs deutscher Nation und der Anerkennung der
Oberhoheit Napoleons durch den Rheinbund. Einen besonders
dramatischen Charakter hatte das Auftreten Napoleons dem Herr-
scher Württembergs gegenüber, der am 23. Dezember 1797 als
Herzog Friedrich II. den Thron bestieg, am 25. Februar 1803
durch den Rcichsdeputationshauptschluß Kurfürst wurde und
am 26. Dezember 1805 im Frieden von Preßburg die Königs-
würde zuerkannt erhielt. Herzog Friedrich war ein ehrgeiziger
Fürst, der als Widersacher der französischen Revolution zäh
an den Grundsätzen des „aufgeklärten Despotismus" festhielt
und gleich nach seinem Regierungsantritt in einen scharfen
Konflikt mit den württembergischen Landständen geriet. Ge-
genüber den Heeren der französischen Republik war er mit
-Österreich verbündet; nach dem zweiten Koalitionskrieg hatte
er seine linksrheinischen Erblande an Frankreich abtreten
müssen. Er schloß deshalb einen besonderen Frieden mit
letzterem, der ihm reichliche Entschädigungen brachte. Als sich
nach Aufrichtung des Napoleonischen Kaisertums Österreich,
England, Rußland und Schweden zur dritten Koalition gegen
Frankreich vereinigten, verhandelte Kurfürst Friedrich gleich-
zeitig mit Österreich und Frankreich. Zögernd neigte er sich
dem vorteilhafteren Bündnis mit letzterem zu. Noch hatte er
aber mit Napoleon keinen festen Bündnisvertrag abgeschlossen,
da überschwemmten schon die französischen Heere Württem-
berg, und am 30. September 1805 erschien Marschall Ney
in Stuttgart, besetzte die Tore der Stadt und gebärdete sich
als Eroberer. Kurfürst Friedrich befand sich in seiner zweiten
Residenz zu Ludwigsburg, und hier traf Napoleon selbst am
2. Oktober ein.* Nun gab eS für den Landesfürsten kein
Zögern mehr. Sein Verlangen, neutral zu bleiben, wies der
Korse schroff ab. „Wer nicht mit mir ist, ist wider mich,"
erklärte er und drohte, Württemberg als eroberte Provinz zu
behandeln. Am 5. Oktober, als Napoleon Ludwigsburg wieder
verließ, um zum Heere zu stoßen, war der Bundesvertrag
vollzogen. Kurfürst Friedrich hatte sich verpflichten müssen,
eine Hilfstruppe von 8000 Mann zu stellen. Er erhielt da-
für seinen Länderbesitz und die volle Hoheit über seine Staaten
garantiert und Anteil an den zu erwartenden Eroberungen
zugesichert. Dieser blieb denn auch nicht aus in diesem
Kriege, den Napoleons Sieg bei Austerlitz schnell zu Ende
führte. Schon am 26. Dezember konnte Kurfürst Friedrich
den württembergischen Negierungskollegien seine Erhebung
zum König ankündigen, und in den ersten Tagen des Januar
erfolgte der Besuch Napoleons in Stuttgart, der dem neuen
König seine Glückwünsche darbrachte. Unser Bild zeigt die
Ankunft des Kaisers vor dem Stuttgarter Residenzschloß.
König Friedrich erwartete mit seiner Gemahlin Mathilde den
Sieger von Austerlitz am Portal.

Der Schützenkönig.
Lin Zagclabsntsuer aus Deutsch-Nestafrika.
Von ?neörich Z. ipajoken.

Machüruck verboten.)
ist im allgemeinen der Dienst bei
der Schutztcuppe in Afrika abwechs-
lungsreichcr als der Militärdienst in
Deutschland; aber lebt man auf irgend
einer im Innern des Landes gelegenen
Station, meistens als einziger Weißer unter farbigen
Soldaten nnd Arbeitern, ist es wobl zu begreifen,
daß man mit der Zeit fast melancholisch vor Länger-
weile wird. Ich muß zwar sagen, daß ich weniger
unter solchen Empfindungen zu leiden hatte, denn
ich hatte meine alte Leidenschaft für die Jagd mit
nach Afrika gebracht, und diese wurde dort bei der
reichen Auswahl an besonderem Wild, auf das zu
birschen deutschen Jägern wohl selten geboten wird,
nur noch gesteigert."
So begann mein Freund Ludwig St. eine seiner
Erzählungen, zu der die in seinem Rauchzimmer
rings an den Wänden angebrachten Jagdtrophäen,
welche er während seines vierjährigen Aufenthaltes
in Westafrika gesammelt hatte, Veranlassung genug
gaben.
„Nicht wahr, ein hübsches Exemplar!" sagte er
schmunzelnd, und seine Augen hingen mit Wohl-
gefallen an dem riesigen Schädel eines Flußpferdes,
der, auf einem besonderen Gestell liegend, unter
seinen Jagdtrophäen ein Hauptstück bildete. „Beim
Anblick desselben steht lebhaft wieder der Tag vor
mir, an dem ich das gewaltige Tier erlegte.
Ich hatte damals die Station Ossidinge am
Croßfluß eingerichtet und war dadurch derartig in
Anspruch genommen worden, daß ich längere Zeit
keine Muße gefunden hatte, meiner Jagdleidenschaft
zu frönen. Als nun aber alles fertig war, und ich
mir sagen durfte, daß ich auch alles, so gut, wie ich
es vermochte, erledigt hatte, regte sich in mir meine
Jagdlust mit doppelter Macht. — Ich hatte erfahren,
daß sich etwa zehn Kilometer stromabwärts Fluß-
pferde aufhielten, nnd als mir eines Abends Ein-
geborene die Nachricht brachten, daß sie an dem-

selben Morgen dort mehrere Tiere gesehen hätten,
ließ ich mich nicht länger halten.
Ein deutscher Pflanzer namens Stolzenberg,
der von einer Handelsgesellschaft Kameruns nach
Ossidinge geschickt worden war, nm an der anderen
Seite des Flusses unter dem Schutze der Station
eine Gummiplantage anzulegen, bat mich, sich an
meinem Jagdansflug, den ich für den nächsten Tag
angesetzt hatte, beteiligen zu dürfen. Ich verab-
redete mit ihm, daß ich ihn am anderen Morgen
vor Tagesgrauen in meinem Boot abholen würde,
und bereitete dann alles für den Ausflug vor.
Richtiges Jagdfieber ergriff mich schon, als ich
Abends zur Ruhe ging. Das Wild, welches ich am
kommenden Tage zu finden und zur Strecke zu
bringen hoffte, war mir neu; doch hatte mir ein
Kamerad, der gleichfalls ein eifriger Jäger und
bereits längere Zeit aus verschiedenen Stationen im
Innern Afrikas gewesen war, in glühenden Farben
eine derartige Jagd geschildert. Daran mußte ich
immer wieder denken, und das raubte mir lange den
Schlummer. Schließlich forderte dec Körper aber
dennoch fein Recht, und ich schlief, bis mein Boy
mich, dem erhaltenen Auftrage gemäß, um fünf
Uhr Morgens weckte. Ein Blick ins Freie über
zeugte mich, daß das Wetter dem Jagdausflug
günstig war. Klar war der Himmel. Stark fallen-
der Tau verriet das Weichen der Nacht.
Der Koch war vor meinem Zelte bereits in
eifriger Tätigkeit. Mein Boy, ein Bursche von
etwa vierzehn Jahren, den ich zu meiner Bedienung,
zur Reinigung meiner Waffen und zu Dienst-
leistungen auf meinen Jagdausflügen angestellt
hatte, legte alles für die Jagd Erforderliche bereit.
Schnell badete ich und kleidete mich an, worauf ich
in Eile meine erste Mahlzeit, Kakao und Reis mit
Honig, einnahm. Währenddem meldeten sich bei
mir die für den Jagdansflug von mir bestimmten
Leute: ein schwarzer Unteroffizier und fechs Sol-
daten der Schutztruppe, alles Männer, die als vor-
zügliche Schwimmer und fehr gefchickt in der Hand
habung der Ruder galten. Gleich darauf erschienen
noch sechs Abokumleute, die ich mir von dem Häupt-
ling eines nahegelegenen Torfes ansgebeten hatte.
— Die dreizehn Männer waren sämtlich mit jenen
zurFortbewegung der Boote üblichen kurzen, schaufel
förmigen Rudern, sogenannten „Paddeln", ver-
sehen.
Rasch eilten wir an den etwa zweihundert Meter
von der Station entfernten Croßfluß, wo ein größe-
res Boot, mit Proviant versehen, am Ufer lag.
Ich nahm vorn in dem Fahrzeug mit meinem Boy
Platz; der Unteroffizier setzte sich hinten in das Boot,
um zu steuern, und die zwölf Leute verteilten sich
je sechs und sechs an jeder Seite. — Durch einen
Pfiff kündigte ich dem Pflanzer unsere Abfahrt
an. Ein Pfiff vom anderen, etwa dreihundert
Meter entfernten Ufer zeigte mir, daß der Jagd-
genosse bereits auf uns wartete. Zehn Minuten
später war daS jenseitige Ufer erreicht. Stolzenberg
stieg zu mir ein, und von den gleichmäßig in das
Wasser getauchten Paddeln bewegt, glitt das Fahr-
zeug geräuschlos auf dem glatten Wasserspiegel
schnell stromabwärts.
Gleich dunklen Mauern begrenzte den Fluß an
beiden Seiten dichter Urwald. Schon wich die laut-
lose Stille, welche dem Aufgange der Sonne mehrere
Stunden voranzugehen pflegt. Eine leichte Brise
kräuselte hier und dort den Wasserspiegel und rauschte
leise in den Wipfeln der Bäume. Auch ließ sich schon
bisweilen die Stimme eines Vogels vernehmen;
aber noch blinkten die Sterne hell am Himmel.
Wenige Minuten später jedoch begannen sic zu
erblassen. Am östlichen Horizont schossen einzelne
feurige Strahlen bis zum Zenith empor. Nun wurde
es auch im Walde lebendig. Vogelstimmen wurden
überall laut; mehrere Enten strichen über den Fluß
nach dem anderen Ufer. Stärker erhob sich der
Wind. Lauter rauschte es in den Bäumen. Kräch-
zend flogen Papageien hoch oben von Äst zu Ast.
Rascher hintereinander flammten die feurigen
Strahlen am östlichen Horizonte auf; mit jeder
Minute wurde es Heller. Schon färbten sich die
Spitzen der Urwaldriesen mit rosigem Schein. Mit
heiserem Schrei flogen Reiher und Ibisse nach ihren
Futterplätzen. An den Ufern im dichten Unterholz
knackten und brachen die Zweige. Auf einem mächti-
gen, grünbelanbten Aste, der sich weit aus der
Waldmauer hervorstreckte, wurde eine Schar Affen
wach, die, schreiend und winselnd, lebhaft hin nnd
her kletternd, auf uns herabschauten.
Immer lauter wurde das Geräusch der vielen
Tierstimmen um uns her. Verschwunden waren
die Sterne. Der Himmel färbte sich dunkelviolett;
dann wurde er blau und blauer, und jetzt tauchte
im fernen Osten hinter dem Urwalde, einer feurigen,
I blendenden Kugel gleich, die Sonne empor. Fast
' ohrenbetäubend ward jetzt der Lärm um uns her.
 
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