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Das Buch für alle: illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann — 54.1919

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Hestl

DasBuchfürAlle

7


Ämuleti. Von Alfred Semerau.

Nach einem Gemälde von R. Fuchs.

Wiener Waschermadl.

ein

arl v. Lohfing stand vor dem hohen Spiegel seiner
Berliner Mietswohnung und musterte seine Erscheinung

„Du

dicht zusammen, seine Stimme klang unwillig: „Du hattest doch
Anton schon Hoffnung gemacht."
„Gewiß! Warum sollte ich deshalb Are! nicht gleiches ge-
währen. Ich habe mich keinem verpflichtet."
„Du spielst also mit beiden."
„Nein! Ich will nur Gewißheit. Noch ist Anton v. Regens-
perg nicht der Erbe seines Vaters, und Arel hat mit seiner Er-
findung noch keinen Erfolg."
„Du willst dich also verkaufen?"
„Ich verbitte mir dies Wort! Ich will mich nicht wegwerfen.
Du weißt es am be sten,
daß das Vermögen
der Wallendorfs ver¬
schwunden ist."
„Deshalblernteich
arbeiten."
„Ja! Du führst
Prozesse für jeden."
„Jedenfalls ist es
ehrlicher, als sich an
den weggeben, der
zuerst die Sicherheit
für den Kaufpreis zu
bieten vermag."
Drohend sah Ada
den Bruder an; er
sagte scheinbar gleich¬
mütig: „Ich will nichts
mehr sagen. Wir beide
verstanden uns nie."
„Weil du den Stolz
deines Eeschlechtsver-
loren hast."
„Dadurch, daß ich
arbeite?"
„Du machst den
Lohnsklaven von Ge¬
vatter Schuster und
Schneider."
Nun zog Heinz von
Wallendorf die Schul¬
tern hoch; er wollte
darüber nicht mehr
sprechen und fragte:
„Hast du denn kein
Herz? Einen kannst du
doch nur lieben."
„Ich liebe mein
Leben und will es ge¬
nießen!"
„Beide glauben an
dich! Du kannst beide
zugrunde richten."
„Ich will vor allem
anderen mein Glück."
„Ich dachte, du würdest Anton v. Regensperg mehr lieben."
„Weiß ich denn, wie lange der alte Baron noch leben kann?"
Der Bruder brauste auf: „Du erschrickst nicht davor, das laut
zu sagen?"
„Ich will, daß der alte Reichtum wieder an uns fällt."
„Durch solches Spiel ...?"
Ada v. Wallendorf kehrte sich wieder dem Spiegel zu;
Lächeln auf ihr Bild schien die einzige Antwort zu sein.
Heinz v. Wallendorf sagte mit verhaltenem Groll:
allein wirst die Verantwortung zu tragen haben."
Mit diesen Worten verließ er das Zimmer.
Trotzdem er sie nicht mehr hören konnte, gab sie doch noch
Antwort, die aber mehr dem Bild im Spiegel galt: „Ich
kann es auf mich nehmen. Ich liebe das Leben. Du magst
es auf deine Art versuchen." «Fortsetzung folgt.,

berliner roneiswvpnung unv «eine trrftpenluilg
aufmerksam. Der allgemeine Eindruck schien ihn
mit selbstsicherer Befriedigung zu erfüllen. Darüber konnte
allerdings kein Zweifel sein, die achtundvierzig Jahre sah man
ihm an, die selbstverständlich um diese Zeit auftretenden Spuren
konnte er nicht wegwischen. Sie hatten um Lippen und Augen
ihre erk. nnbaren, wenn
auch nicht übermäßig
aufdringlichenZeichen
hinterlassen. Auch an
den Schläfen began-
nen sich graue Stellen
an den Haaren zu
zeigen, die mit künst-
lichen Mitteln zu ver-
bergen Lohfing ver-
schmähte. Dann folgte
er der Bewegung und
dem Ausdruck seiner
Augen, die ihren kräf-
tigen Glanz noch be-
wahrt hatten. Seine
Blicke suchten die ganze
Gestalt zu umfassen.
Er trat einige Schritte
vom Spiegel zurück.
Ohne die ihm natür-
liche Haltung bewußt
zu verändern, machte
er den Eindruck auf-
rechter Straffheit, die
an den ehemaligen
langjährigenSoldaten
erinnerte. Er hob die
Schultern, sich noch
einmal flüchtig be-
schauend, und wandte
sich von seinem Spie-
gelbilde anscheinend
nicht unbefriedigt ab.
Wem: man so aussah,
konnte man noch sehr
gut daran denken, ein
Mädchen von zwanzig
Jahren zu freien.
Lohfing fühlte sich
in der Hauptstadt des
Reiches ziemlich ver-
einsamt. Seiner gan-
zen Lebensweise nach
stand sein Sinn nicht
nach lärmenden Vergnügungen, zu Theater und Musik zog
ihn keine stärkere Neigung; seit er nach langen Jahren zurück-
gezogenen Lebens wieder einmal diesen Boden betrat, kam
es ihm in seiner Verlorenheit immer klarer zum Bewußtsein,
daß er ein echter, rechter Landjunker geworden war, dem eine
gute Ernte das wünschenswerteste Ereignis des Jahres bildete.
In dieser selbstverschuldeten Vereinsamung war es ihm als be-
freiender Wink erschienen, daß er in der kleinen, altmodischen
Weinkneipe in der Jägerstraße, wo er sein Frühstück zu nehmen
pflegte, beim Durchblättern der Zeitungen unter den amtlichen
Nachrichten gelegentlich einer Ordensauszeichnung den Namen
eines Geheimrats Körber fand. Darüber nachsinnend, weshalb
der Name ihn anzog, sah er noch einmal nach dem Vornamen.
Richard Körber. Kein Zweifel, es war Körber, ein ehemaliger
älterer Studienfreund aus den Heidelberger Jahren. Er erinnerte

I ISIS*
 
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