Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Das Buch für alle: illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann — 54.1919

DOI Heft:
Heft 3
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.44086#0051
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Das Verhängnis derer
v. Regensperg.
Roman von Matthias Blank.
(Fortsetzung.)
ic lange, hagere Gestalt des alten Dieners Malefaz schlich
durch den Gang nach der Zimmertür des Barons Sieg-
mund v. Negensperg; er trug auf einer silbernen Platte
das Frühstück: eine Kanne Tee, Milch, Zucker, mehrere Weiß-
brote, Honig und Butter. Vor der Türe wartete er eine Weile,
lauschte vorgebeugt an der Türe, richtete sich wieder auf und
klopfte dann vorsichtig an.
Als aber von innen heraus kein Laut vernehmbar wurde,
hüstelte er ein paarmal und wiederholte das Pochen, abermals
ohne Erfolg. Er schüttelte den Kopf und schien ratlos.
Schon war er von der Tür ein paar Schritte weggegangen,
als er nochmals wie überlegend stehen blieb; dabei murmelte er:
„Es ist doch schon so spät! Nun bin ich schon zweimal dagewesen."
Er wendete sich abermals der Türe zu und klopfte. Als er
daraufhin, nachdem er schließlich mit der knochigen Faust gegen
die Türe geschlagen hatte, wieder ohne Antwort geblieben war,
griff er nach der Türklinke.
Das mußte zwar vergebens sein, denn Siegmund v. Regens-


perg pflegte sich doch sonst immer einzusperren; aber die Türe
gab dem Drucke seiner Hand nach.
Sollte der Baron ausgegangen sein, ehe der Diener selbst
aufgewacht war? Ohne Frühstück?
Immer weiter schob er die Tür auf.
Da sich nichts regte, betrat Malefaz das Zimmer.
Die tief in den Höhlen liegenden schwarzen Augen durch-
irrten den Raum. Dann schrie er gellend auf; seine Hand zitterte,
so daß die Platte samt dem Geschirr mit lautem Klirren zu Boden
fiel. Die Teekanne rollte über den Teppich, die Brötchen kollerten
nach verschiedenen Seiten, und das Honigglas lag in Scherben.
Aber die Augen des alten Dieners starrten entsetzt. Er stand
wie gelähmt; seine langen Füße zitterten, und die Arme hingen
kraftlos herab.
Sekunden verstrichen, ehe er zur Besinnung kam; er bückte sich
nicht nach den Scherben, sondern rannte aus dem Zimmer und
schlug krachend die Türe zu, als hätte er das Grauen hinter sich
gelassen. In fassungslosem Entsetzen murmelte er immer die
gleichen Worte: „Mein Gott — mein Gott!"
Vor der Türe blieb er stehen, als müsse er sich besinnen, was
er nun beginnen solle. Scheu spähten seine Augen nach der ge-
schlossenen Türe. Auf seinem glänzend kahlen Schädel standen
Schweißtropfen, die er gedankenlos mit der Hand wegwischtK.
Dann lief er über den Gang, eilte in das Treppenhaus,
schloß die Türe und jagte auch noch die Treppe hinunter und
aus dem Hause. Auf der Straße blieb er nicht stehen, sondern

Phot. Lichtbildstelle, k. u. k. Kriegspreffequartier.


Das österreichisch-ungarische Herrscherpaar bei der Ankunft Wiener Kinder vom Erholungsurlaub.

nu unu.
 
Annotationen