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Das Buch für alle: illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann — 54.1919

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Heft 3
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https://doi.org/10.11588/diglit.44086#0067
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Juristisches


Die Notwendigkeit eines rechtskundigen
Verteidigers.
in Beschuldigter hat in jeder Lage des Strafverfahrens das
Recht, sich eines Verteidigers als Beistand ZU bedienen. Da-
mit sind nicht jene Fälle gemeint, in welchen die Verteidi-
gung notwendig ist, und in denen dem Beschuldigten ohne
weiteres ein Rechtskundiger von Amts wegen oder auf Antrag
kostenlos als Verteidiger bestellt werden mutz.
Auch andere Fälle scheiden hier aus, in welchen das Gericht
einen Verteidiger bestellt. Es empfiehlt sich indes dringend, datz
jeder, gegen den eine Anzeige wegen strafbarer Handlung er-
stattet wird, sich zu einem mit Strafsachen vertrauten Rechts-
anwalt begibt und diesem seine Vertretung überträgt. Dies ist
um so mehr geboten, als der Beschuldigte fast immer aus all-
gemeinen und persönlichen Gründen nicht in der Lage ist, seine
eigenen Interessen so gut wie sein Vertreter wahrzunehmen. Der
Verteidiger steht von vornherein den Angriffen der Strafbehörde
gegen seinen Menten unparteiisch, sachlich und ruhiger gegen-
über, wobei ihn bei Behandlung der Sache seine Rechtskenntnisse,
die Erfahrungen seiner Rechtspraris und der tägliche Umgang mit
den Gerichtsbehörden wesentlich unterstützen, und — er besitzt
mehr Rechte vor dem Gesetz als die von ihm vertretene Person.
So wird grötztenteils schon im Vorverfahren das Gericht
dem Rechtsanwalt die Einsicht der Strafakten gewähren. Nach
Schluß der Voruntersuchung und — wenn eine solche nicht statt-
fand — nach Einreichung der Anklageschrift bei Gericht ist er zur
Einsicht der dem Gericht vorliegenden Akten stets befugt. Vor
diesem Zeitpunkt mutz ihm die Einsicht in die gerichtlichen Unter-
suchungsakten insoweit gestattet werden, als dies ohne Gefährdung
des Untersuchungszwecks geschehen kann; keinesfalls aber darf
ihm die Kenntnisnahme der Protokolle über die Vernehmung
des Beschuldigten, des Gutachtens der Sachverständigen und der
Protokolle über diejenigen gerichtlichen Handlungen, denen der

Verteidiger beizuwohnen berechtigt ist, verweigert werden. Vom
Ermessen des Vorsitzenden wird es abhängen, ob ihm auch die
Akten, mit Ausnahme der Uberführungsstücke, in seine Wohnung
verabfolgt werden. So besitzt der Rechtsanwalt an sich eine be-
vorzugtere Stellung als sein Schützling, dem dies alles versagt ist;
der Anwalt ist deshalb und durch die rein objektive Beurteilung
des Falles im Gegensatz zu dem Beschuldigten, der meistens auch
aufgeregt ist und der in solchem Zustande leicht übereilte Schritte
begehen kann, in der Lage, die sachdienlichen Beweisanträge zu
stellen. Der Verteidiger kann — vorausgesetzt, datz er die Ver-
nehmung der richtigen Zeugen und die Erhebung anderer Be-
weise zur sonstigen notwendigen Aufklärung der Straftat herbei-
führt — darauf hinwirken, datz das Ermittlungs- oder das Vor-
verfahren auf ein solches beschränkt bleibt, und datz es gar nicht
zur Eröffnung des Hauptverfahrens kommt, sondern datz schon
vorher, sei es aus tatsächlichen oder aus rechtlicher! Gründen,
das Verfahren eingestellt wird- Erreicht der Rechtsanwalt das
letztere nicht, so kann er doch darauf hinarbeiten, datz alle not-
wendigen Beweismittel zum Hauptverhandlungstermin einge-
stellt werden. Der Kernpunkt der Verteidigung ist, datz sie für
die Herbeischaffung aller wesentlichen Beweismittel zur Haupt-
verhandlung, und in dieser für ihre erschöpfende Erledigung sorgt,
soweit die Sachlage es erfordert. Daran fehlt es fast immer,
wenn der mit Rechtssachen nicht vertraute Beschuldigte ohne Ver-
teidiger ist. Er wird, selbst wenn er unschuldig ist, noch dazu,
falls er das erste Mal vor Gericht steht und infolgedessen mehr
oder weniger befangen ist, sehr oft den Überblick über die Straf-
tat, das Anklagematerial und die Beweisaufnahme in deni
Hauptverhandlungstermin verlieren und schon deshalb in eine
ungünstige Lage kommen.
Diese Bedenken fallen für den Verteidiger weg, und er wird
eher die Möglichkeit haben, die richtigen Fragen den Zeugen vor-
zulegen, die zweckdienlichen Bewsisanträge zu stellen und so nach
allen Richtungen hin die Straftat zu „klären", um das Gericht von
der Unschuld seines Auftraggebers zu überzeugen, vr. Arendt.



ZU unseren Bildern


r Lin deutsches Maschinengewehrnest deckt den Rückzug (S. 46). — Die
eiserne Mauer im Westen steht fest; der so heiß erstrebte Durchbruch der
Entente ist mißlungen. Sogar der „Matin" mußte in seinem jüngsten
Schlachtbericht zugestehen, daß der Widerstand deutscher Truppen sich
„bis zum Übermenschlichen" gesteigert habe! In den Rück-
zugsbewegungen der letzten Kämpfe fiel den Sicherungstruppen eine
heldenhafte, schwere Aufgabe zu; ihre Pflicht war es, todesmutig die
Zurückverlegung der Front zu decken. Schwache, zerstreute Kräfte mußten
den nachdrängenden Feind zurückhalten und das Rückzugsmanöver ver-
schleiern. Kleine Abteilungen mit Maschinengewehren haben mit Todes-
verachtung stundenlang dem Gegner standgehalten, der hier noch starke
Truppenmassen vermutete. Die Besatzungen dieser „Maschinengewehr-
nester" bieten in ihrem heroischen Ausharren ein gewaltiges Zeugnis
der ungebrochenen Kampfkraft unserer Tapferen; sie find der Schrecken
der Feinde geworden. Täglich wiederholt es sich, daß überrannte und
abgeschnittene Maschinengewehrgruppen sich nicht ergeben wollen und
deni Feind in den Rücken fallen; oft genug brachte solcher Heldengeist
feindliche Angriffe ins Stocken. Es sind die Tapfersten der Tapferen,
die einen Rückzug zu sichern haben. Möge die „innere Front" sich solcher
Größe würdig erweisen durch Vertrauen und Standhaftigkeit.
Q Grientalischek Pferüemarkt (S. 50—öl). — Der Orient ist die
Heimat der edelsten Pferderassen, und der Araber lebt und stirbt auf
seinem Roß. Nach dem Koran schickt das Pferd drei Bitten zu Gott;
es fleht uni die Liebe seines Herrn, um Vergeltung der Wohltaten, die
er ihm erzeigte, und zuletzt bittet es: „Laß meinen Herrn das Paradies
auf meinem Rücken gewinnen." Der Prophet verbot dem Moslem,
das edle Vollblut an „Ungläubige" zu verkaufen. Von allen Dichtern
wird es besungen: „Sage nicht, daß dies Tier mein Pferd ist; sage: es
ist mein Sohn!" Als Allah das edle Roß erschaffen hatte, sprach er zuletzt:
„Du sollst fliegen ohne Flügel und siegen ohne Schwert." Und er zeichnete
es mit dem Bilde des „Ruhmes uud Glückes": mit einem Stern aus der

Stirne. In jedem Teil Arabiens kennt man bevorzugte Pferderassen;
als die edelsten gelten die im Nedschd, im Innern der arabischen Halb-
insel, gezogenen. Dort findet man die echten „Kohheeli" oder „Kohoh-
lomi", das heißt die „Vollkommenen", die von der Stute des Propheten
abstammen sollen. An Ausdauer, in der Fähigkeit Entbehrungen und
Strapazen zu ertragen, an Schnelligkeit und hervorragend ausgebil-
detem Instinkt hat das edelgezogene arabische Vollblut keinen Vergleich
mit den besten Rassepferden der übrigen Welt zu scheuen.
Q Line Verlobung in Bessarabien (S. 55). — Zwischen den großen
Flüssen Dnjestr und Pruth leben unter der gemischten Bevölkerung des
Landes beträchtliche Mengen von jüdischer Abkunft. Allein in der Haupt-
stadt Kischinew gibt es dreiunddreißig Synagogen, die man in ihrem
Aussehen sich allerdings nicht nach dem Muster westlicher Bauwerke vor-
stellen darf. Auch das Leben dieser östlichen Juden kann man nur unter
dem Gesichtspunkt der halbasiatischen Bevölkerung jener rückständigen
Gebiete des ehemaligen Zarenreiches betrachten. Mit der Zähigkeit
ihrer Rasse hielten die Juden Bessarabiens an ihren semitischen Gesetzen
und Gebräuchen fest, und dies um so mehr, als der Druck russischer Ver-
hältnisse auf ihnen lastete. So sind auch Verlobung und Eheschließung
noch von althergebrachten Zeremonien begleitet. Ehelosigkeit gilt als
Sünde. Am Verlobungstag wird der Ehevertrag von den Eltern des
Brautpaares aufgesetzt. Vor Zeugen geben die Väter sich zur Bekräftigung
die Hände; darauf ergreift der Bräutigam ein mit Wein gefülltes Glas,
trinkt und reicht es der Braut. Nun werden irdene Töpfe hereingebracht
und auf die Erde geworfen. Dieser Brauch soll besagen, daß die bevor-
stehende Verbindung, ebenso wie die Scherben nie wieder zusammengesetzt
werden können, nie gelöst werden darf. Die Verlobten erhalten von ihren
Eltern zwei Scherben, die sie ausbewahren. Stirbt später einer der Ehe-
leute, dann legt der Überlebende diese Scherben auf die Augen des ver-
storbenen Gefährten. Auch am Hochzeitstag spielt der Ehevertrag eine
Rolle und wird bei der Familienfeier wie in der Synagoge verlesen.
 
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