Heft 4
DasVuchfüvAlte
77
bedeutender Gelehrter und alter
Studienfreund von mir, der mich
alljährlich besucht, um in der
Ruhe ländlicher Abgeschiedenheit
arbeiten zu können. Damit er
diesmal ganz ungestört ist, habe
ich ihm den ersten Stock im Eärt-
nerhaus wohnlich eingerichtet —
da kann er in Ruhe schaffen
nach Herzenslust. Der Gärtner
ist unverheiratet, das Haus also
viel zu geräumig für ihn; daher
stand der hübsche erste Stock leer;
er war ja eigentlich auch von
vornherein als Notbehelf zur
Unterbringung von Güsten, für
die im Schloß kein Raum mehr
ist, bestimmt. Doktor Rosen-
bauer wird, sooft es ihm paßt,
an unseren Mahlzeiten teil-
nehmen; will er mal daheim
bleiben, dann wird Fräulein
Zingst dafür sorgen, daß er nicht
verhungert. So, so! Also mein
Freund Nikodemus ist gestern
eingerückt?"
„Mit einer Wagenladung von
Büchern und einem ganz kleinen
Köfferchen für seine Bekleidung,"
nickte Mar. „Schreibt an einem
Werke über Giftpflanzen, fügte
er mir. Ich habe umgehend
den Dorfbader für ihn holen
lassen, denn er sah aus, als käme
Phot. Berk. Illustrations-Gesellschaft m.b.H., Berlin,
General Scheuch, der neue preußische Kriegsmimster.
UH - -
, - ?!
er von einer Nordpolfahrt, statt
aus der Residenz."
„Na," meinte Elbenborn la-
chend, „der Barbier hätte sich
den Weg sparen können, denn
er hat doch unverrichteter Sache
wieder abziehen müssen."
„Er sollte es, aber ich hab's
nicht gelitten," versetzte Mar.
„Ich versicherte nämlich dem
Waldmenschen, daß er sich vor
Damen so nicht sehen lassen
dürfte, und das hat ihm einge-
leuchtet, trotzdem er wie ein Rohr-
spatz schimpfte und behauptete,
daß ihm Damen ganz schnuppe
wären. Ich blieb dabei, während
der Bader seine Rodearbeit
verrichtete, ließ ihm die wilde
Mähne abschneiden und den Bart
menschlich zustutzen, und nun
sieht er wirklich von weitem ganz
famos aus."
„Donnerwetter, Junge, da
mußt du ja meinem alten, guten
Nikodemus höllisch imponiert
haben!" lachte Elbenborn.
„Ja, lieber Himmel, wem
imponiere ich denn nicht?" fragte
Mar, indem er sich in die Brust
warf und den Kopf in die Höhe
reckte, während er Pilar, die von
allem nur wenig verstanden hatte,
lustig anblinzelte. «Foryetz. folgt.;
Zu unseren Bildern
t Novembersturm (S. 68). Windmonat heißt der November, und
mit welchem Recht er diesen Namen führt, davon wissen die Küstenbewoh-
ner, vor allem die Fischer, ein gar überzeugendes Lied zu singen; als arger,
mitleidloser Sturmgeselle erweist sich ihnen dieser Monat. Mühselig ist
der Beruf des Seefischers; brausen aber die Winterstürme übers Meer,
dann gilt's ost einen Kampf auf Leben und Tod mit den Elementen;
nicht jeder der Ansgezogenen kehrt durch die Brandung an den heimat-
lichen Strand zurück. Ein stilles, viel zu wenig gewürdigtes Helden-
tum ist es daher, wenn die kleinen deutschen Wacht- und Untersee-
boote, durch Pflicht und Treue auf dem hohen Meere festgehalten,
den Naturgewalien da draußen Tag für Tag trotzen und dabei in
ihrem Kampseseifer nicht erlahmen. Hoher, unauslöschlicher Dank ge-
bührt den deutschen O-Boot-Helden, die in ihrem schwanken Schifslein
in Sturm und Wellen auf der Wacht sind, ohne einen schützenden Hafen
aufsuchen zu dürfen.
t Getreu bis in den Tob <S. 71). Ungeduldig schon murren die
Tausende festlich gekleideter Römer im blumen- und teppichgeschmückten
Riesenrund der Arena des Circus Marimus; vereinzelt, dann anschwellend
gellt der Schrei ,,^cl bsstias!" (Vor die Tiere!) der durch die voraufgegan-
genen wilden Gladiatorenkämpfe in einen Blutrausch versetzten Menge, als
die jugendliche Patrizierstochter noch einen letzten zögernden Abschiedsblick
aus den in namenloser Verzweiflung zu ihren Füßen knieenden Geliebten
wirst, ehe sie den Fuß in die Arena setzt, die sie lebend nicht mehr verlassen
wird. Getreu bis in den Tod will sie der Christenlehre bleiben, lieber von den
wilden Tieren zerrissen werden, als dem neuen Glauben entsagen, den man
sie in den heimlichen Versammlungen der Christen in den düsteren Kata-
komben Roms gelehrt hat. Dort hat sie die Häscherschar des Cäsaren mit
den anderen Gläubigen ergriffen; die Eifersucht der Jugendgespielin, die
ihr die Liebe des jungen Senatorsohnes neidete, hat die kaiserliche Wache
zu gut geführt. Immer wieder und wieder, mit den ergreifendsten Tönen
verzweifelter Liebe, hat der Geliebte die junge Christin im Kerker be-
schworen, die Christenlehre zu widerrufen und damit das Leben, das lockende
Leben an seiner Seite zu gewinnen. Vergebens! Ein heiliger Opfermut,
ein überirdischer Märtyrersinn beseelte damals die kleine Christenschaft, die
sich von den wilden Tieren der Arena vor den Augen einer bluttrunkenen
Menge zerreißen, als lebende Fackeln verbrennen ließ, dem Glauben aber
treu blieb. Und so hat auch die junge Christin die irdische Liebe über-
wunden; himmlischen Lohnes gewiß geht sie in den Tod, mit einem letzten,
letzten wehen Blick den teuren Geliebten umfassend.
1- Vie Räumung der Stadt Vouai (S. 73). Der Verleumdungsfeld-
zug der Westmächke wird nach dem bewährten Satze „Verleumden, nur
immer verleumden, etwas bleibt doch hängen" mit geradezu teuflischem
Geschick geführt. In seiner zweiten Antwort an Deutschland wirft Wilson
den deutschen Truppen „mutwillige Zerstörung, unmenschliche Hand-
lungen, Plünderung und Verwüstung vor". Wie sehr er dabei der heim-
tückischen Greuelhetze zum Opfer gefallen ist, beweisen Berichte von
Entente blättern; sogar der „Times"-Korrespondent, der Lambrai am
11. Oktober 1918 sah, muß mitteilen, „daß die Berichte über Zerstörungen
sehr übertrieben seien". Die deutsche Regierung hat cs nicht bei einer
scharfen Zurückweisung dieser das deutsche Volkshcer entehrenden An-
schuldigungen bewenden lassen, sie hat vielmehr einer neutralen Kom-
mission Gelegenheit gegeben, die Maßnahmen zur Räumung französischer
und belgischer Städte kenne,! und würdigen zu lernen. Ebenso wie die
unbefangenen holländischen Zeitungen hat auch diese Kommission, be-
stehend aus dem spanischen Gesandten Marquis de Villalobar, dem
holländischen Geschäftsträger Ministerresident van Vollenhovcn und dem
Delegierten des belgischen Ernährungswerkes, dem belgischen Staats-
angehörigen van Bree, anerkannt, „daß die Maßnahmen, die von den
deutschen Behörden in den Städten, denen die Beschießung drohte, er-
griffen worden sind, stets von der Sorge um die Lage der Bevölkerung
getragen waren, deren trauriges Los sie, so gut es ihneu möglich war,
zu mildern bemüht gewesen sind". So ist auch Douai, als englische
Kanonen die Stadt zu beschießen begannen, rechtzeitig geräumt und die
gefährdete Zivilbevölkerung unter größter Schonung in Sicherheit ge-
bracht worden. Am 8. August 1918 setzte die planmäßige englische Zer-
störung der Stadt ein, die vier Jahre unversehrt in deutschen! Besitz war;
von der englischen Artillerie zertrümmert, ist sie jetzt den Briten in die
Hände gefallen. Eine amtliche deutsche BeschHtabelle dient als un-
widerlegliches Zeugnis für das feindliche Vernichtungsfeuer, das mitleid-
los auch andere Städte hinter der Front zerstört.
DasVuchfüvAlte
77
bedeutender Gelehrter und alter
Studienfreund von mir, der mich
alljährlich besucht, um in der
Ruhe ländlicher Abgeschiedenheit
arbeiten zu können. Damit er
diesmal ganz ungestört ist, habe
ich ihm den ersten Stock im Eärt-
nerhaus wohnlich eingerichtet —
da kann er in Ruhe schaffen
nach Herzenslust. Der Gärtner
ist unverheiratet, das Haus also
viel zu geräumig für ihn; daher
stand der hübsche erste Stock leer;
er war ja eigentlich auch von
vornherein als Notbehelf zur
Unterbringung von Güsten, für
die im Schloß kein Raum mehr
ist, bestimmt. Doktor Rosen-
bauer wird, sooft es ihm paßt,
an unseren Mahlzeiten teil-
nehmen; will er mal daheim
bleiben, dann wird Fräulein
Zingst dafür sorgen, daß er nicht
verhungert. So, so! Also mein
Freund Nikodemus ist gestern
eingerückt?"
„Mit einer Wagenladung von
Büchern und einem ganz kleinen
Köfferchen für seine Bekleidung,"
nickte Mar. „Schreibt an einem
Werke über Giftpflanzen, fügte
er mir. Ich habe umgehend
den Dorfbader für ihn holen
lassen, denn er sah aus, als käme
Phot. Berk. Illustrations-Gesellschaft m.b.H., Berlin,
General Scheuch, der neue preußische Kriegsmimster.
UH - -
, - ?!
er von einer Nordpolfahrt, statt
aus der Residenz."
„Na," meinte Elbenborn la-
chend, „der Barbier hätte sich
den Weg sparen können, denn
er hat doch unverrichteter Sache
wieder abziehen müssen."
„Er sollte es, aber ich hab's
nicht gelitten," versetzte Mar.
„Ich versicherte nämlich dem
Waldmenschen, daß er sich vor
Damen so nicht sehen lassen
dürfte, und das hat ihm einge-
leuchtet, trotzdem er wie ein Rohr-
spatz schimpfte und behauptete,
daß ihm Damen ganz schnuppe
wären. Ich blieb dabei, während
der Bader seine Rodearbeit
verrichtete, ließ ihm die wilde
Mähne abschneiden und den Bart
menschlich zustutzen, und nun
sieht er wirklich von weitem ganz
famos aus."
„Donnerwetter, Junge, da
mußt du ja meinem alten, guten
Nikodemus höllisch imponiert
haben!" lachte Elbenborn.
„Ja, lieber Himmel, wem
imponiere ich denn nicht?" fragte
Mar, indem er sich in die Brust
warf und den Kopf in die Höhe
reckte, während er Pilar, die von
allem nur wenig verstanden hatte,
lustig anblinzelte. «Foryetz. folgt.;
Zu unseren Bildern
t Novembersturm (S. 68). Windmonat heißt der November, und
mit welchem Recht er diesen Namen führt, davon wissen die Küstenbewoh-
ner, vor allem die Fischer, ein gar überzeugendes Lied zu singen; als arger,
mitleidloser Sturmgeselle erweist sich ihnen dieser Monat. Mühselig ist
der Beruf des Seefischers; brausen aber die Winterstürme übers Meer,
dann gilt's ost einen Kampf auf Leben und Tod mit den Elementen;
nicht jeder der Ansgezogenen kehrt durch die Brandung an den heimat-
lichen Strand zurück. Ein stilles, viel zu wenig gewürdigtes Helden-
tum ist es daher, wenn die kleinen deutschen Wacht- und Untersee-
boote, durch Pflicht und Treue auf dem hohen Meere festgehalten,
den Naturgewalien da draußen Tag für Tag trotzen und dabei in
ihrem Kampseseifer nicht erlahmen. Hoher, unauslöschlicher Dank ge-
bührt den deutschen O-Boot-Helden, die in ihrem schwanken Schifslein
in Sturm und Wellen auf der Wacht sind, ohne einen schützenden Hafen
aufsuchen zu dürfen.
t Getreu bis in den Tob <S. 71). Ungeduldig schon murren die
Tausende festlich gekleideter Römer im blumen- und teppichgeschmückten
Riesenrund der Arena des Circus Marimus; vereinzelt, dann anschwellend
gellt der Schrei ,,^cl bsstias!" (Vor die Tiere!) der durch die voraufgegan-
genen wilden Gladiatorenkämpfe in einen Blutrausch versetzten Menge, als
die jugendliche Patrizierstochter noch einen letzten zögernden Abschiedsblick
aus den in namenloser Verzweiflung zu ihren Füßen knieenden Geliebten
wirst, ehe sie den Fuß in die Arena setzt, die sie lebend nicht mehr verlassen
wird. Getreu bis in den Tod will sie der Christenlehre bleiben, lieber von den
wilden Tieren zerrissen werden, als dem neuen Glauben entsagen, den man
sie in den heimlichen Versammlungen der Christen in den düsteren Kata-
komben Roms gelehrt hat. Dort hat sie die Häscherschar des Cäsaren mit
den anderen Gläubigen ergriffen; die Eifersucht der Jugendgespielin, die
ihr die Liebe des jungen Senatorsohnes neidete, hat die kaiserliche Wache
zu gut geführt. Immer wieder und wieder, mit den ergreifendsten Tönen
verzweifelter Liebe, hat der Geliebte die junge Christin im Kerker be-
schworen, die Christenlehre zu widerrufen und damit das Leben, das lockende
Leben an seiner Seite zu gewinnen. Vergebens! Ein heiliger Opfermut,
ein überirdischer Märtyrersinn beseelte damals die kleine Christenschaft, die
sich von den wilden Tieren der Arena vor den Augen einer bluttrunkenen
Menge zerreißen, als lebende Fackeln verbrennen ließ, dem Glauben aber
treu blieb. Und so hat auch die junge Christin die irdische Liebe über-
wunden; himmlischen Lohnes gewiß geht sie in den Tod, mit einem letzten,
letzten wehen Blick den teuren Geliebten umfassend.
1- Vie Räumung der Stadt Vouai (S. 73). Der Verleumdungsfeld-
zug der Westmächke wird nach dem bewährten Satze „Verleumden, nur
immer verleumden, etwas bleibt doch hängen" mit geradezu teuflischem
Geschick geführt. In seiner zweiten Antwort an Deutschland wirft Wilson
den deutschen Truppen „mutwillige Zerstörung, unmenschliche Hand-
lungen, Plünderung und Verwüstung vor". Wie sehr er dabei der heim-
tückischen Greuelhetze zum Opfer gefallen ist, beweisen Berichte von
Entente blättern; sogar der „Times"-Korrespondent, der Lambrai am
11. Oktober 1918 sah, muß mitteilen, „daß die Berichte über Zerstörungen
sehr übertrieben seien". Die deutsche Regierung hat cs nicht bei einer
scharfen Zurückweisung dieser das deutsche Volkshcer entehrenden An-
schuldigungen bewenden lassen, sie hat vielmehr einer neutralen Kom-
mission Gelegenheit gegeben, die Maßnahmen zur Räumung französischer
und belgischer Städte kenne,! und würdigen zu lernen. Ebenso wie die
unbefangenen holländischen Zeitungen hat auch diese Kommission, be-
stehend aus dem spanischen Gesandten Marquis de Villalobar, dem
holländischen Geschäftsträger Ministerresident van Vollenhovcn und dem
Delegierten des belgischen Ernährungswerkes, dem belgischen Staats-
angehörigen van Bree, anerkannt, „daß die Maßnahmen, die von den
deutschen Behörden in den Städten, denen die Beschießung drohte, er-
griffen worden sind, stets von der Sorge um die Lage der Bevölkerung
getragen waren, deren trauriges Los sie, so gut es ihneu möglich war,
zu mildern bemüht gewesen sind". So ist auch Douai, als englische
Kanonen die Stadt zu beschießen begannen, rechtzeitig geräumt und die
gefährdete Zivilbevölkerung unter größter Schonung in Sicherheit ge-
bracht worden. Am 8. August 1918 setzte die planmäßige englische Zer-
störung der Stadt ein, die vier Jahre unversehrt in deutschen! Besitz war;
von der englischen Artillerie zertrümmert, ist sie jetzt den Briten in die
Hände gefallen. Eine amtliche deutsche BeschHtabelle dient als un-
widerlegliches Zeugnis für das feindliche Vernichtungsfeuer, das mitleid-
los auch andere Städte hinter der Front zerstört.