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Das Buch für alle: illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann — 54.1919

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Heft 13
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https://doi.org/10.11588/diglit.44086#0246
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DasBuchfüvAlle

Heft 13

das seine Schwester ereilt hatte. Der Eindruck oer Mitteilungen
war zu start gewesen, als daß er sich dieser Wirkung hätte entziehen
können. Das Schicksal, das seit jenem Mord über alle des Namens
v. Regensperg hereingebrochen war, hatte ihn tief ergriffen.
Zunächst vermochte er nicht zu reden. Er schritt unstet hin
und wider. Er hielt die Hände auf dem Rücken und den Kopf
weit vorgebeugt.
Die dunklen, unruhig flackernden Augen Adas folgten ihm
lange, bis sie endlich ungeduldig drängte: „Ich erwartete, Rat
von dir zu hören!"
„Du sagst, Arel habe nicht geleugnet?"
„Daß er in der Nacht dort gewesen war? Nein.
„Aber die gräßliche Tat ...?"
„Darüber sagte er nichts."
„Laß mich allein! Das kam zu überraschend über mich.
Ich bin nicht imstande, sofort zu urteilen. Ich muß in Ruhe
klar zu werden suchen."
„Wenn das Testament richtig gewesen ist, dann kann doch mir
nichts mehr genommen werden. Mich trifft dock keine Schuld
am Tod des Barons."
„Frage mich jetzt nicht mehr!"
„Wann willst du mir sagen, was ich wissen muß?"
„Ich werde dich durch den Fernsprecher anrufen."
Damit erklärte sich Frau Ada einverstanden und entfernte
sich wieder.
Heinz v. Wallendorf kam lange nicht zur Ruhe. Unausgesetzt
dachte er über diese neue, überraschende Wendung nach. War
dieser Verdacht denkbar? Fast schien es so. Arel hatte das
Erbe damit gewonnen; er hatte geschwiegen und des alten
Dieners Schweigen erkauft. Er hatte nächtliche Besuche emp-
fangen. Der Gedanke war furchtbar! Wie hatte Anton darunter
gelitten. Unfaßlich blieb trotz allem das Vermächtnis des Er-
mordeten, seine Anklage gegen den eigenen Sohn.
Die widerstrebendsten Gefühle beunruhigten und verwirrten
Heinz so, daß er sich nicht zu der Tat aufraffen konnte, die
nach diesem Ereignis die Pflicht von ihm forderte. Wenn er
schwieg, würde nach seiner Drohung Melburne zum Ankläger
werden. Woher konnte dieser Mensch das alles erfahren haben?
Das war eine neue schwere Frage, für die Heinz so wenig eine
Antwort als auf alles andere Unbegreifliche fand. Er fühlte sich
von der Wucht der Geschehnisse überwältigt. An Anton dachte
er, dem er Freund geblieben war, an dessen Schuld er nie hatte
glauben können, und den er für tot hielt, zugrunde gegangen
auf furchtbare Art; mit dem Fluche der schmählichsten Anklage
beladen war er aus der Welt gegangen. Und nun sollte auch
dieser Tod Axels Gewissen belasten? Irgend etwas in ihm
sträubte sich dagegen nicht minder.
So sehr war er mit diesen verworrenen Zuständen beschäftigt
gewesen, daß e4 ihm entgangen war, wie die Türe sich geöffnet
hatte. Zn das Zimmer trat Arel v. Regensperg. Heinz sah sich
ihm gegenüber wie einem plötzlich auftauchenden Schatten.
Arel machte einen erschreckenden Eindruck; aschgrau war die
Farbe seines Gesichtes, seine Augen flackerten unruhig. Mit beben-
der Stimme fragte er: „Störe ich dich? Oder hast du zu tun?"
„Nein! Du störst nicht."
Heinz wußte weiter nichts zu sagen.
„Ich komme zu dir, weil ich keine andere Hilfe weiß. Ich kann
allein nicht mehr fertig werden."
Da er ein paar Sekunden schwieg, als suchte er nach Worten,
sagte Heinz: „Ada hat mich kurz vorher verlassen."
„Ada ist bei dir gewesen ...?"
Arel hob den Kops, strich mit der Hand ein paarmal über die
Stirn und sagte mit müder Stimme: „Dann habe ich dir nicht
mehr sehr viel zu erklären."
„Ist es denn wahr?"
„Wahr? Ja! Alles! Ich bin in jener Nacht bei Baron Sieg-
mund v. Regensperg gewesen. Ich hatte davon geschwiegen. Ich
bezahlte die Erbschaftssumme an den Diener für sein Schweigen.
Aber ich habe die Tat nicht begangen. Ich habe kein Verbrechen
begangen, obwohl man mir noch weniger als Anton glauben wird."

„Du hast die Tat nicht begangen!"
Eine Weile blieb es still.
Heinz schien seine Ruhe wiedergewonnen zu haben; er setzte
sich und wies mit der Hand auf einen zweiten Stuhl, auf dem
vor kurzer Zeit Frau Ada gesessen war, und sagte: „Setz' dich!
Und antworte mir auf alle Fragen. Auf alle, willst du?"
„Ja! Deshalb bin ich gekommen."
„Du warst dort und wann?"
„In der verhängnisvollen Nacht. Etwas nach zwölf!"
„Wußte der Ermordete von deinem Kommen?"
„Ja! Ich schrieb ihm zuvor, und er hatte die Zeit bestimmt."
„Warum zu dieser Nachtstunde?"
„Er hatte zu mir gesagt, er wolle sich nicht von allen kontrolliert
wissen, wen er empfange. Der alte Herr war ja in vielen Dingen
sehr wunderlich. Ich nahm auch das als eine seiner Schrullen."
„Wer hatte dich eingelassen?"
„Bonifaz!"
„Und was wolltest du dort?"
„Geld für meine Erfindung."
„Gab er dir Geld, oder sagte er dir's zu?"
„Nein! Er wollte mir nichts geben."
„Und was geschah dann?"
„Ich ging wieder fort."
„Hat dich Bonifaz hinausgeleitet?"
„Nein! Baron Siegmund führte mich zur Türe."
„Wo war der Diener geblieben?"
„Baron Siegmund hatte ihn schlafen geschickt, als er mich in
sein Zimmer geführt hatte."
„Kann er nicht bestätigen, daß du den Baron noch lebend
verlassen hast?"
„Nein!"
Auf diese Erklärung folgte ein kurzes Schweigen.
Arel v. Regensperg fand zuerst das Wort. „Ich verstehe,
daß mir schwer zu glauben ist."
„Und Bonifaz hat geschwiegen?"
„Ja!"
„Wie kam das?"
„Zuerst war ich wohl entschlossen zu sagen, daß ich dort
gewesen war, als mich die Nachricht vom Tode des Barons
erreichte. Dann erfuhr ich, welche Erklärung Bonifaz abgegeben
hatte, der mich gar nicht erwähnte, und schließlich noch, daß der
Baron zunr Ankläger an seinem Mörder geworden war. Das
glaubte ich, denn ich hatte Siegmund v. Regensperg doch lebend
verlassen. So hielt ich es für überflüssig, mich zu melden, denn
ich hatte von der Tat nichts gewußt, wie ich heute noch nichts
darüber aussagen könnte. Dazu kam noch, daß mich der Stolz
verhinderte, einzugestehen, daß ich um zu betteln hingegangen
und abgewiesen worden war. Du wirst das verstehen können."
„Ja! — Und weiter?"
„Dann meldete sich Bonifaz einmal bei mir. Er jammerte,
daß ihm das Erbe verloren sei. Er redete so eindringlich, daß ich
ibm das Versprechen gab, ihm die Summe auszuzahlen."
„Hatte er dabei irgendwie gedroht?"
„Nein."
„Geschah es später?"
„Ja!"
„Damals, als das Fest in der Villa stattfand, als er nachts zu
dir gekommen war?"
„Du weißt davon?"
„Ich habe zufällig gesehen, wie du ihn aus dem Haus brachtest."
„Damals ließ er mich fühlen, daß er sagen müsse, daß ich
dort gewesen sei. Und ich mußte darüber bedrückt werden, weil
es unrecht von mir war, daß ich schwieg. Da gab ich ihm Geld,
mit dein er sich das kleine Haus einrichtete, in dem er wohnt."
„Kam er nochmals zu dir?"
„Nein!"
„Ada sprach von einem anderen nächtlichen Besuch. Ver-
schweige mir nichts!"
„Gewiß nicht."
„War dies nicht der alte Diener gewesen?"
 
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