410 DasVuchfüvAlle Heft 21
Heft 21
DasBuchfücAlk
Schluchzend kniete Burgei an Mechthilds Seite nieder und
schlug ein Kreuz.
Auch der Professor hatte sich über das Mädchen gebeugt.
Angstvoll forschte er in dem totenblassen Gesicht, lauschte auf
den matten Schlag des Herzens. „Sie lebt!" jubelte er dann
Doktor König zu,
taumelnd vor Glück
und Seligkeit. „Wal-
ter — sie lebt!"
Da schlug Mech-
thild die Augen auf
und sah ihn mit
wehem Lächeln an.
Dann blieb ihr Blick
an Walters Antlitz
haften, der sich über
sie beugte und sie
ohne ein Wort in
seine Arme nahm
und dem Fischer-
hause zutrug.
Mutter Burgei
folgte weinend, Heinz
Wigbald wandte sich
Veit zu, um den sich
der Wendel und die
anderen Fischer be-
mühten undWieder-
belebungsversuche
anstellten. Wendel
Gilbert ließ ent-
mutigt die Arme
sinken. In seinem
verwitterten brau-
nen Gesicht zuckte es
schmerzlich, als er
sagte: „Der steht
nimma aufi, Herr,
der schlosst fest."
Ein Schluchzen
ging durch die Um-
stehenden; der liebe
junge, immer so
lustige Herr v. Dir-
schau, der mit jedem
seinen Spatz gehabt,
den jedes Kind auf
der Insel kannte und
liebte, der sollte tot
sein?
Schwer auf ihren
Stock gestützt, stand
im Kreise der jun-
gen Maler Sieglinde
Ebermeyer. Ihr
graues, verwildertes
Haar flatterte im
Winde. Die Augen
starrten grotz und
unbewegt auf das
bleiche Jungengesicht
zu ihren Fützen, auf
den leise lächelnden jungen Mund, der für immer verstummt war.
„Kommen Sie, Fräulein Ebermeyer," mahnte Heinz Wig-
bald erschüttert. „Ich führe Sie nach Hause, wir können hier
nichts mehr tun."
Sieglinde sah wirr um sich; dann kniete sie neben Veit nieder.
Beide Hände legte sie ihm auf die Brust, und sie, die Spröde,
Rauhe, sie kützte lind und zart wie eine Mutter die bleiche Stirn
des Toten.
Und dann ein markerschütternder Schrei: „Mechthild!"
Doktor König stietz ihn aus. Beim Schein der Bootslichter
sah er Mechthilds aufgelöstes Goldhaap auf den Wellen treiben.
Einige Ruderschläge, und die anderen zurückstotzend hob Walter
die leblose Gestalt Mechthilds in das schwankende Boot. Er
Der alte Wendel, der noch kein Wort verlauten lietz, sondern
nur unentwegt auslugte, sagte dumpf: „Da grad naus!"
Veits totenblasses Antlitz tauchte aus den Wellen. Nach
kurzer Zeit war auch er im Boot geborgen. Scheu wichen sich
die Blicke der Männer aus. Keiner sprach ein Wort.
„Den dritten!" mahnte endlich der Professor.
„Den find ma nimma," gab Wendel zurück. Er rief dem
anderen jetzt näherkommenden Boot zu, nach Stasi zu suchen,
dann legte er wieder die Ruder ein, und seine braunen Eisen-
fäuste führten das kleine Fahrzeug sicher dem nahen Gestade zu.
Die Sturmglocke dröhnte noch immer über den See, den
Fischern die Richtung zu künden. Am Ufer harrten die Dörfler,
Mutter Burgei voran, als man Veit und Mechthild ans Ufer trug.
hielt sie in seinen Armen, während der Professor, der jetzt mit
dem Klosterfischer die Ruder führte, nur immer wieder angst-
gepretzt fragen konnte: „Lebt sie?"
Walter König gab keine Antwort. Sanft lietz er den erstarrten
Körper des Mädchens ins Boot gleiten. Da lag Mechthild zu
Fützen des Professors, und ihr Goldhaar flotz triefend hernieder.
„Es sind noch mehr Menschenleben zu retten!" schrie Walter
durch das Sturmgebraus.
Wenn nicht der Zufall sie ans Ufer warf, so mutzten sie die
ganze Nacht, wenn das Boot aushielt, auf den Wellen treiben.
Doch horch! Hallten da nicht plötzlich Glocken über den See?
„Im Kloster läuten sie Sturm! Man will uns die Richtung
weisen," rief Mechthild, „und da ein Licht, und noch eins, Herr!
Die heilige Gnaden¬
mutter steht uns bei.
Du muht links hal¬
ten, Stasi, links!"
Aber Stasi hörte
nicht. Mit wilder
Gewalt trieb er das
Boot in einen Stru¬
del hinein.
Ein gellender
Aufschrei hallte weit¬
hin durch die Nacht.
Das Boot krachte
und splitterte, und
rauschend schlugen
die Wogen über
drei Menschen zu¬
sammen. Mechthild
fühlte, als sie ver¬
sank, dah eine starke
Hand sie hielt, sie
hatte keinen Augen¬
blick das Bewusst¬
sein verloren.
„Halte dich fest
am Boot," keuchte
Veit, „dich trägt's
schon noch, bis Hilfe
kommt!"
Und selbst an das
gekenterte Boot mit
einer Hand geklam¬
mert und Mechthild
mit der anderen
stützend, begann er
laut zu rufen.
Antwort erfolgte.
Ein Licht schotz auf
die Unglückstätte zu.
„Halt aus,Mech¬
thild," ermunterte
Veit, „nur eine
kleine Weile noch!"
Mechthild fühlte
jetzt doch ihre Sinne
schwinden.
„Ihr müht Euch
retten, Herr," flü¬
sterte sie, „allein
könnt Ihr schwim¬
mend das Licht er¬
reichen. Mit mir
ist's zu schwer. Ich
halte mich schon ein
Weilchen."
„Nein," rief Veit
verzweifelt, „lieber
will ich mit dir untergehen, als mich allein retten!"
Und abermals begann er zu rufen.
Im selben Augenblick rollte eine ungeheure Welle heran und
schleuderte das Boot weit hinaus.
Veit und Mechthild ließen lautlos den Kahn fahren, tiefe
Nacht war um sie her.
„Hier, hier war die Stelle!" wurden Stimmen laut.
„Nein, mehr rechts!" rief eine andere zurück.
Heft 21
DasBuchfücAlk
Schluchzend kniete Burgei an Mechthilds Seite nieder und
schlug ein Kreuz.
Auch der Professor hatte sich über das Mädchen gebeugt.
Angstvoll forschte er in dem totenblassen Gesicht, lauschte auf
den matten Schlag des Herzens. „Sie lebt!" jubelte er dann
Doktor König zu,
taumelnd vor Glück
und Seligkeit. „Wal-
ter — sie lebt!"
Da schlug Mech-
thild die Augen auf
und sah ihn mit
wehem Lächeln an.
Dann blieb ihr Blick
an Walters Antlitz
haften, der sich über
sie beugte und sie
ohne ein Wort in
seine Arme nahm
und dem Fischer-
hause zutrug.
Mutter Burgei
folgte weinend, Heinz
Wigbald wandte sich
Veit zu, um den sich
der Wendel und die
anderen Fischer be-
mühten undWieder-
belebungsversuche
anstellten. Wendel
Gilbert ließ ent-
mutigt die Arme
sinken. In seinem
verwitterten brau-
nen Gesicht zuckte es
schmerzlich, als er
sagte: „Der steht
nimma aufi, Herr,
der schlosst fest."
Ein Schluchzen
ging durch die Um-
stehenden; der liebe
junge, immer so
lustige Herr v. Dir-
schau, der mit jedem
seinen Spatz gehabt,
den jedes Kind auf
der Insel kannte und
liebte, der sollte tot
sein?
Schwer auf ihren
Stock gestützt, stand
im Kreise der jun-
gen Maler Sieglinde
Ebermeyer. Ihr
graues, verwildertes
Haar flatterte im
Winde. Die Augen
starrten grotz und
unbewegt auf das
bleiche Jungengesicht
zu ihren Fützen, auf
den leise lächelnden jungen Mund, der für immer verstummt war.
„Kommen Sie, Fräulein Ebermeyer," mahnte Heinz Wig-
bald erschüttert. „Ich führe Sie nach Hause, wir können hier
nichts mehr tun."
Sieglinde sah wirr um sich; dann kniete sie neben Veit nieder.
Beide Hände legte sie ihm auf die Brust, und sie, die Spröde,
Rauhe, sie kützte lind und zart wie eine Mutter die bleiche Stirn
des Toten.
Und dann ein markerschütternder Schrei: „Mechthild!"
Doktor König stietz ihn aus. Beim Schein der Bootslichter
sah er Mechthilds aufgelöstes Goldhaap auf den Wellen treiben.
Einige Ruderschläge, und die anderen zurückstotzend hob Walter
die leblose Gestalt Mechthilds in das schwankende Boot. Er
Der alte Wendel, der noch kein Wort verlauten lietz, sondern
nur unentwegt auslugte, sagte dumpf: „Da grad naus!"
Veits totenblasses Antlitz tauchte aus den Wellen. Nach
kurzer Zeit war auch er im Boot geborgen. Scheu wichen sich
die Blicke der Männer aus. Keiner sprach ein Wort.
„Den dritten!" mahnte endlich der Professor.
„Den find ma nimma," gab Wendel zurück. Er rief dem
anderen jetzt näherkommenden Boot zu, nach Stasi zu suchen,
dann legte er wieder die Ruder ein, und seine braunen Eisen-
fäuste führten das kleine Fahrzeug sicher dem nahen Gestade zu.
Die Sturmglocke dröhnte noch immer über den See, den
Fischern die Richtung zu künden. Am Ufer harrten die Dörfler,
Mutter Burgei voran, als man Veit und Mechthild ans Ufer trug.
hielt sie in seinen Armen, während der Professor, der jetzt mit
dem Klosterfischer die Ruder führte, nur immer wieder angst-
gepretzt fragen konnte: „Lebt sie?"
Walter König gab keine Antwort. Sanft lietz er den erstarrten
Körper des Mädchens ins Boot gleiten. Da lag Mechthild zu
Fützen des Professors, und ihr Goldhaar flotz triefend hernieder.
„Es sind noch mehr Menschenleben zu retten!" schrie Walter
durch das Sturmgebraus.
Wenn nicht der Zufall sie ans Ufer warf, so mutzten sie die
ganze Nacht, wenn das Boot aushielt, auf den Wellen treiben.
Doch horch! Hallten da nicht plötzlich Glocken über den See?
„Im Kloster läuten sie Sturm! Man will uns die Richtung
weisen," rief Mechthild, „und da ein Licht, und noch eins, Herr!
Die heilige Gnaden¬
mutter steht uns bei.
Du muht links hal¬
ten, Stasi, links!"
Aber Stasi hörte
nicht. Mit wilder
Gewalt trieb er das
Boot in einen Stru¬
del hinein.
Ein gellender
Aufschrei hallte weit¬
hin durch die Nacht.
Das Boot krachte
und splitterte, und
rauschend schlugen
die Wogen über
drei Menschen zu¬
sammen. Mechthild
fühlte, als sie ver¬
sank, dah eine starke
Hand sie hielt, sie
hatte keinen Augen¬
blick das Bewusst¬
sein verloren.
„Halte dich fest
am Boot," keuchte
Veit, „dich trägt's
schon noch, bis Hilfe
kommt!"
Und selbst an das
gekenterte Boot mit
einer Hand geklam¬
mert und Mechthild
mit der anderen
stützend, begann er
laut zu rufen.
Antwort erfolgte.
Ein Licht schotz auf
die Unglückstätte zu.
„Halt aus,Mech¬
thild," ermunterte
Veit, „nur eine
kleine Weile noch!"
Mechthild fühlte
jetzt doch ihre Sinne
schwinden.
„Ihr müht Euch
retten, Herr," flü¬
sterte sie, „allein
könnt Ihr schwim¬
mend das Licht er¬
reichen. Mit mir
ist's zu schwer. Ich
halte mich schon ein
Weilchen."
„Nein," rief Veit
verzweifelt, „lieber
will ich mit dir untergehen, als mich allein retten!"
Und abermals begann er zu rufen.
Im selben Augenblick rollte eine ungeheure Welle heran und
schleuderte das Boot weit hinaus.
Veit und Mechthild ließen lautlos den Kahn fahren, tiefe
Nacht war um sie her.
„Hier, hier war die Stelle!" wurden Stimmen laut.
„Nein, mehr rechts!" rief eine andere zurück.