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Das Buch für alle: illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann — 54.1919

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Heft 23
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Heft 23

456

bewegen, sein Bett aufzusuchen, und gestützt von Rosenbauer und
dem Arzt, schleppte er sich die Treppe zu seinem Schlafzimmer
hinauf, in dem er gerade verschwand, als Pilar, eine Melodie
trällernd, mit ihren graziös-gleitenden Schritten daherkam.
„Sein etwas geschieht? Fehlen meiner Onkel etwas?" fragte
sie stehen bleibend, weniger überrascht und besorgt als gespannt.
„Nichts von Bedeutung,- Herr v. Elbenborn ist ausgeglitten
und hingefallen," antwortete Römer schnell ourch die halboffene
Tür, vor der Rosenbauer noch stand. „Er hat sich ein wenig
geschlagen; wir. halfen ihm beim Treppensteigen nur, weil er
sich hinlegen will. Gnädiges Fräulein können ganz unbesorgt
sein, es hat wirklich nichts zu sagen."
„Mein arme Onkel! Ich werden ihn pflegen, ihm eine
Tee kochen ..
„Wir brauchen keinen Tee!" rief Rosenbauer, dessen Ge-
duld zu Ende war, und
schlug ihr die Tür vor
der Nase zu.
Nachdem Elben¬
born zu Bett gebracht
worden war, schlief er
bald ein, was Römer
für ein günstiges Zei¬
chen hielt, namentlich,
da der Puls wieder
ruhiger ging.
Aber der Arzt
muhte sich die Stiru
trocknen, als er sich
mit Rosenbauer in das
anstohende Ankleide¬
zimmer zurückgezogen
hatte.
„Herrgott, das war
ein Glück, dah es so
nahe dem Hause ge¬
schah," sagte er auf¬
atmend. „Hätten wir
eine halbe Stunde
dazu gebraucht, ihn
Heimzuschaffen, bevor
die Gegenmittel zur
Anwendung kommen
konnten, es wäre ver¬
mutlich zu spät ge¬
wesen. Vermutlich;
glücklicherweise hat der

„Ich bin überzeugt, weil die Gegenmittel so rasch wirkten,
der Schlaf und Schweiß so bald einsetzten. Nun muh ich ein paar
Tage länger hier bleiben, denn mit einer Rückwirkung muh
gerechnet werden, wenn es auch sein kann, dah sie nicht eintritt.
Herr v. Elbenborn wird sich nach dem Schlaf voraussichtlich
besser fühlen, aber nach seinem Falle, den wir, ich möchte
sagen zum Glück, nicht mehr verhindern konnten, wird er sich
körperlich etwas zerschlagen fühlen, womit er zunächst in seineni
Zimmer festzuhalten ist. Damit wäre für uns beide abwechselnd
die Gelegenheit gegeben, ihn zu bewachen, aber das dürfte
nicht lange währen, weil er sich dank dem raschen Eingriff schnell
wieder erholen wird, und — ich kann doch auch nicht ewig hier
bleiben. Sie werden das begreifen, und schon aus diesem
Grunde muh etwas Entscheidendes geschehen. Wenn Sie der
Meinung sind, ohne die Hauptperson nichts tun zu können, dann
ist es an mir, auf
Grund der in meinen
Händen befindlichen
unanfechtbaren Be-
weise die notwendigen
Schritte zu tun."
„Wie wollen Sie
das machen, ohne dah
Elbenborn etwas da-
von merkt?" fragte
Rosenbauer. „Da sitzt
ja der Haken! Ich bin
ganz Ihrer Meinung,
dah es so nicht mehr
weitergeht. Halten Sie
Elbenborn für gekräf-
tigt genug, Aufklä-
rungen zu ertragen,
dann dürfte es richtig
sein, wenn ich mich auf-
raffe, ihm die Wahr-
heit zu sagen. Der
Äusschluh der Öffent-
lichkeit hängt dann von
ihm ab, während er
anderseits machtlos da-
gegen wäre."
„Damit haben Sie
recht," gab Römer zu.
„Die Lage hat sich jetzt
doch so zugespitzt, dah
die Enthüllung gewagt



Mann zu seinem Heil ?kach Mein Gemälde von p. Philippi,
eine erstaunliche Wider¬
standskraft. Was er diesmal zu schlucken bekommen hat, muh
nicht gering gewesen sein!"
„War denn das kein Rückfall?" fragte Rosenbauer verblüfft.
„Nein! Gelegentliche Schwächeanfälle konnten sich ja noch
einstellen, aber die Erscheinung mit dem Erstarren der Glieder
war überwunden; dah sie sich plötzlich und in solchem Mähe
wieder zeigte, ist der sicherste Beweis dafür, dah Herrn v. Elben-
born neuerdings, wahrscheinlich seit heute mittag eine sehr starke
Dosis beigebracht worden ist."
„Aber wie ist denn das möglich?" rief Rosenbauer auher sich.
„Ich habe heut, wie immer in letzter Zeit, drauhen auf dem
Gang gewartet, bis der Diener den Kqkao aus der Küche brachte,
und bin ihm dann auf dem Fuhe ins Ehzimmer gefolgt. Ich
habe das getan, weil ich fürchtete, dah auf dem Wege schon
etwas geschehen könnte, trotzdem das ja eigentlich nicht anzu-
nehmen war, weil ja der Diener dann als Zeuge auftretsn
konnte."
„Sie haben ganz recht. Aber man hat einen anderen Weg
gefunden."
Rosenbauer stöhnte.
„Glauben Sie, dah er's überstehen wird?"

Der Zeitungsleser.

werden muh; dem
Kampf gegen einen so
hartnäckigen Feind sind wir nicht mehr gewachsen. Wir wollen
Herrn v. Elbenborn zwei Tage, von heute gerechnet, geben,
um den Anfall dieses Nachmittags zu überwinden, und alles
tun, ihm dazu zu verhelfen, dann aber muh gehandelt werden,
und zwar noch während ich hier bin. Ich werde mich jetzt in
sein Zimmer setzen, um seinen Schlaf zu bewachen, dann lösen
Sie mich ab, und während der Nacht werde ich wieder bei ihm
bleiben. Sollte er vor Eintritt der Nacht noch erwachen, dann
muh er gute, kräftige, aber leichte Nahrung erhalten; darum bitte
ich Sie, dafür zu sorgen, dah die Wirtschafterin selbst etwas
zubereitet und es selbst ihm überbringt. Sie verstehen mich!
Was sollte ein Diener auch tun, wenn eine liebende Nichte
kommt und ihm das Tablett abnimmt, um dem geliebten Onkel
selbst sein Essen zu bringen? Schlimmstenfalls mühten Sie der
Wirtschafterin einen Wink geben .. ."
„Ich glaube nicht, dah die Zingst gutwillig ihr Amt an
jemand, sei's wer's will, abtreten würde, aber schliehlich kann
sie sich mit der inr Augenblick stellvertretenden Herrin des Hauses
nicht darum raufen," meinte Rosenbauer grimmig, indem er
sich anschickte, das Zimmer zu verlassen. „Sie bleiben also
bis zum Abendessen hier, das Sie dann mit Fräulein Pilar ein-
 
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