Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Das Buch für alle: illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann — 54.1919

DOI Heft:
Heft 24
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.44086#0461
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
468

DasBuchfürAlle

Heft 24

begehrt, von niemand vermißt. Da muß ich mich doch wohl
oder übel der ganzen großen Menschenfamilie annehmen, die
niir so gut gehört wie jedem anderen."
„Kommen Sie Weihnachten mit auf den Wörth," bat der
Professor. „Mechthild und auch die Baronin würden sich mit
mir freuen, Sie wiederzusehen, und Sie wären doch am Christfest
nicht so einsam."
„Sie werden immer verrückter, Professor," lachte sie grob,
„als ob ich Ihnen da nicht im Wege wäre. Ihre Gutmütigkeit

„Es gilt!" rief die Malerin, Heinz kräftig die Hand schüttelnd.
„Mit komm' ich nicht, doch ich komme nach, um den Chiemsee
im Winter kennenzulernen und an Veits Grabe zu beten."
Walter, den der Professor auch aufforderte, ihn zu begleiten,
lehnte kühl ab. Er habe keine Zeit, sagte er ausweichend, und
außerdem wolle er das Familienglück des Freundes nicht stören.
Heinz war bestürzt über die Antwort. Ihm war die Ein-
ladung schwer geworden, denn sie bedeutete für ihn, Walter ge-
radezu Freda in die Arme führen. Aber er hatte sich zu der Er-

Nach einem Gemälde von Z. Z. Weerts. Die Ermordung Marats.


verführt Sie immer zu dummen Streichen, da muß so ein altes
Mädchen wie ich schon vernünftiger sein."
„Sie müssen mitkommen, Sieglinde," bat der Professor
dringend, „denken Sie nur, wie schön sich unsere Insel im weißen
Winterkleide ausnehmen wird."
Sieglinde Ebermeyers Augen umflorten sich. „Machen Sie
mir das Herz nicht schwer, lieber Freund. Sie wissen ja, wie
es mich nach dem stillen Wörth mit dem Grabe zieht, in das
ich meine liebsten Hoffnungen bettete. Aber Sie wissen auch,
wie eng und klein die Insel ist, und daß Sieglinde Ebermeyer
nicht gern als Eindringling gilt, wenn große Dinge sich ereignen."
„Große Dinge?" fragte der Professor ungläubig, dann lachte
er bitter auf. „Na, darum können Sie getrost mitkommen. Was
sollte sich ereignen? Wir werden voraussichtlich an unserem
Malertisch im Easthause oder beim Wendel sitzen und früherer
Tage gedenken."

kenntnis durchgerungen, daß es mit der Freundschaft unverein-
bar sei, Walter entgegenzustehen. Und nun lehnte Walter ab!
Hätte er das gekonnt, wenn er Freda liebte? Hätte er dann nicht
alles darangesetzt, die geliebte Frau wiederzusehen?
In schweren Kämpfen durchlebte der Professor die nächsten
Tage, deren trübste Stunden ihm nur dadurch erleichtert wurden,
daß er begann, unsinnig viel einzukaufen zur Bescherung für
Mechthild, den Wendel und die Burgei. Auch für Freda erwarb
er ein Geschenk. Er war nur noch im Zweifel, ob er wagen
durfte, ihr ein: derartige Gabe anzubieten. Keinem anderen
als Freda hätte er gegönnt, das Bild zu besitzen, an dem sein
ganzes Herz hing. Es war die letzte Arbeit Veits, fast vollendet
von ihm. Sieglinde Ebermeyer hatte die letzte Hand daran
gelegt. Es zeigte Mechthild, im Begriff, mit der Klosterfrau
in den Kahn zu steigen. Auf der Sonderausstellung, die Sieg-
linde veranstaltete, hatte das Bild Aufsehen erregt, und Heinz
 
Annotationen