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Das Buch für alle: illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann — 54.1919

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Heft 24
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Heft 24

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all die offensichtlichen Lücken in ihrer Erziehung möglichst
ausfüllen soll. Dies ist ja ein Rätsel, das mich geradezu ver-
wirrt! Ich darf auch nicht leugnen, daß es mich schwer ent-
täuscht hat, daß meine Nichte so unvollkommen, ja so schlecht die
deutsche Sprache beherrscht. Es ist wirklich kaum möglich, sich
einigermaßen mit ihr außer über das Allgemeinste zu verständigen,
da wir leider nicht Spanisch verstehen."
„Herr Baron, finden Sie, daß ich mich deutsch verständlich
ausdrücken kann?" fragte der Bankier scheinbar unvermittelt.
„Sie beherrschen unsere gewiß nicht leichte Sprache aus-
gezeichnet," erwiderte Elbenborn wahrheitsgetreu ohne Zögern.

Sprachlehrer und seine Frau im Deutschen unterrichtet und
war sehr stolz auf ihre Erfolge! Herr Baron, ich gestehe Ihnen,
daß ich hier vor einem Rätsel stehe, für welches mir eine auch
nur halbwegs annehmbare Lösung fehlt."
„Wahrscheinlich wird Ihre Anwesenheit hier dieses Dunkel
klären," versetzte Elbenborn lebhaft. „Pilar ist mir in vielem ein
Rätsel. — Um auf meinen Bruder zurückzuiommen: er schrieb
mir, daß er als armer Mann aus dieser Welt scheiden müsse.
Das mag ihm seine letzte Lebenszeit sehr schwer gemacht haben."
„Er war vor dieser verunglückten Eiportspekulation ein recht
wohlhabender, man darf sagen ein reicher Mann; ich muß

Ioas schießt den Pfeil der Erlösung.


Senor Zora erwiderte: „Ich weiß, daß ich richtig, wenn auch
langsam spreche, um Fehler zu vermeiden, aber drüben in Talla-
hassee sprach Ihre Nichte Deutsch wie ihre Muttersprache,
die sie ja auch ist. Ihr Bruder legte großen Wert darauf, da er
wohl voraussah, daß Deutschland dereinst seiner Tochter Heimat
sein würde. Natürlich sprach sie auch Spanisch fließend, ebenso
Englisch, und ihre Fortschritte im Französischen waren durchaus
befriedigend; im Hause Ihres Bruders aber wurde nur Deutsch
gesprochen."
„Und mir hat Pilar gesagt, daß sie mit ihrem Vater nur
Spanisch gesprochen habe!" fuhr es Elbenborn wider Willen
heraus.
„Das ist allerdings sehr befremdend," gestand Senor Zora
verdutzt ein. „Welchen Grund kann Ihre Nichte wohl haben,
eine Sprache zu verleugnen, zu radebrechen, die sie vollkommen
beherrscht? Lieber Gott, sie hat ja sogar den französischen

das wissen, da ich sein Vermögen verwaltete, und ich darf mich
auch rühmen, ihn vor dem Teilnehmer an diesem Geschäft ge-
warnt zu haben — leider vergebens."
„Ach, das ist eine Geschichte, die nicht neu ist, aber wem sie
widerfährt, dem gehen solche Enttäuschungen hart an die Nähte.
Es war mir wirklich ebenso schmerzlich wie peinlich, meine
Nichte in dem geradezu ärmlichen Zustand, in dem sie in Europa
anlangte, in Empfang zu nehmen. Das arme Mädel hatte
tatsächlich nur ein Halbwegs anständiges Kleid, das noch dazu
weiß war, auf dem Leibe. Mit Wäsche war sie noch ausreichend
versehen, aber sonst mußte ich sie in Hamburg von Kopf bis zu
Füßen ausstatten, auch besaß sie keinen Pfennig und sagte mir,
Sie hätten ihr das Reisegeld gegeben, wofür ich Ihnen meinen
besten Dank ausdrücken möchte."
Wieder machte der Bankier große Augen.
„Das müssen Sie nicht recht verstanden haben; ich gab ihr
 
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