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Das Buch für alle: illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann — 54.1919

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Heft 26
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DasVuchfüvAlle

Heft 26

was waren sie anderes gewesen als Falschheit und Heuchelei, die
nach außen in schmeichelnden Worten und süßem Lächeln sich tund
gaben, während sie seinen Tod plante und den Mord ohne jede
Spur von Reue, ohne jedes Erbarmen genau so wie den an der
armen Pilar vollbracht hätte, wenn die Vorsehung Rosenbauer
nicht zum getreuen Eckard bestellt und auserwählt hätte.
Es überlief Mar Tüßnitz kalt, als er daran dachte. Bei allem
Weh hatte es das Schicksal doch gut mit ihm gemeint; wäre
Pilar frei gewesen, wer weiß, wie dann alles gekommen wäre!
Sein Herz war wirklich zu gut gewesen, um sich von dieser un-
heimlichen Flamme verzehren zu lassen, und jetzt dankte er Gott,

„Onkel ist mit meiner Mutter bei den Treibhäusern, wo dein
Vater sie finden muß, falls er nicht vorher abschwenkt. Bleib
doch noch hier, Ilse, ich setze mich zu dir."
Ilse hatte nichts dagegen; nach einer Weile begann Mar: „Es
ist heute zum ersten Male, daß Onkel Herbert bis zu den Treib-
häusern gegangen ist. Gottlob, daß wir ihn soweit haben und
er, noch ehe die kalte Jahreszeit beginnt, mit Mutter abreisen
kann. Mit Mutter und mit mir. Nun werden wir uns lange nicht
mehr Wiedersehen!"
„Nein, lange nicht mehr," wiederholte Ilse traurig. Aber sie
bekämpfte rasch die in ihr aufsteigende Trostlosigkeit und setzte


Nach einem Gemälde von A. Leu.

Pholographi<?erlag der Phowgraphüchen Uni»., in Ä,una>en.
Die Engstlenalp.

daß er nie den scharlachroten Mund Pilars geküßt, der Liebes-
worte heucheln konnte, wo Mord geplant war.
Und wie Mar Tüßnitz sich unter diesen Gedanken dem Elben-
born näherte, wurde sein Blick gefesselt: auf dem Rande des
Quellbeckens saß Ilse Zornau. Sie hatte den Hut abgenommen,
und das Sonnenlicht leuchtete auf ihren rotgoldenen Haaren,
daß es wie eine strahlende Aureole ihr liebes, junges Gesicht
umwob und verklärte. Mar hätte sehen müssen, wie reizend und
gut dies liebliche Gesicht war; aber seine Augen waren durch Ge-
wohnheit abgestumpft und wie mit einer Binde bedeckt.
„Aber Jlsekind, wie kommst du hierher?" rief er überrascht.
„Vater ist mit mir hergefahren, im Schloß wurde uns ge-
sagt, daß ihr in den Park gegangen seid. Da ist Vater auf der
einen Seite herumgegangen, um euch zu suchen, und ich auf der
andern, damit wir uns bestimmt treffen sollten. Weil's hier
so schön ist, hab' ich mich ein bißchen hingesetzt."

herzlich hinzu: „Ich wünsche dir Glück zur Reise; ich freue mich
für dich, für deine Mutter und Onkel Elbenborn. So kommt
aus allem Bösen am Ende immer doch wieder etwas Gutes
heraus, nicht wahr?"
„Wenn man Onkels und Mutters Reise daraus herleiten will,
gewiß," erwiderte Mar nachdenklich. „Sie hätten an diese
Reise ohne Onkels Krankheit gewiß nicht gedacht. Eigentlich
ist sie doch aber recht teuer erkauft worden; mir ist das heute
wieder klar geworden. Du weißt doch, daß heute ..."
„Ja, ich weiß! Darum sind wir ja auch gerade jetzt zu euch
gekommen," fiel Ilse ein. „Wir hatten das Gefühl, Onkel Elben-
born, euch alle heut sehen, euch nahe sein zu müssen, nicht um
davon zu reden, nur aus innerem Drang, denn gerecht, wie die
Sühne dieses Tages ist: die heut gebüßt, hat unter euch gelebt,
und wurde als die, für die ihr sie halten mußtet, mit Liebe emp-
fangen und umgeben. Das wirkt doch nach, und ich kann nichts
 
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