Heft io
1^8 D a s B u ch f ü r A l l e
Die Alte Post in Mittenwald.
Nacb einein Gemälde von Otio Fedder.
mus kann nur gedeihen, wenn die Glieder lebens- und leistungsfähig er-
halten werden. Nur Träumer können an eine „Rückkehr zur Natur" in
idyllischer Bedürfnislosigkeit, an ein Mrüsten des wirtschaftlichen Wett-
eifers denken. Und so wird es darauf nnkommen, ob dem Schaffensdrang,
dem Arbeitswillen in den einzelnen Staaten auch die Naturkrüfte aus-
reichend und zu erträglichen Preisen zur Verfügung stehen, die zur Güter-
erzeugung und -beförderung notwendig sind. Um Gewinnung und wirt-
schaftlichste Ausbeutung der Energien geht es, die von der industriellen
Verwertung aus Kohle, Torf und Holz, aus Wasser und Wind, aus Ebbe
und Flut, Sonnenwürme und Elektrizität, und nicht zum mindesten auch
aus dem Erdöl gewonnen werden können. Wohl mögen die Steinkohlen-
vorräte, die auf mehr als achtzig Prozent der gesamten, wirtschaftlich zu
nutzenden Naturkräfte geschützt werden, trotz ungeheuer gesteigertem Ver-
brauch noch mehr als tausend Jahre reichen, wohl mögen — besonders in
Deutschland — die Wasserkräfte noch längst nicht in dem erreichbaren, wenn
auch leider im Verhältnis zu anderen Ländern sehr begrenzten Umfang
ausgenützt sein, die sparsamste rind vollendetste technische Zusammen-
fassung aller Kräfte wird in erster Linie mitbestimmen über die Wieder-
belebung und Erstarkung des weltwirtschaftlichen Anteils in den einzelnen
Staaten. Besonders seitdem im Krieg der Kohlenmangel bedrohlich wurde,
ist die wachsende Bedeutung des Erdöls für die Weltwirtschaft auch in
Deutschland gebührend gewürdigt worden. Früher nur als Leuchtöl ver-
wertet, dient es heute vor allem zur Erzeugung von Kraft und Wärme.
Industrie und Landwirtschaft können dies Produkt für ihre Motoren so
wenig entbehren, wie Flugzeuge uud Luftschiffe, Unterseeboote und Tanke
ohne das aus dem Kohlenwasserstoff des Erdöls gewonnene Benzin im Krieg
das hätten leisten können, was sie geleistet haben. Aber nicht nur zur Krieg-
führung zu Land rind See ist Erdöl so unentbehrlich wie vordem das Schieß-
pulver, auch die Konkurrenzfähigkeit der Handelsflotte ist von der Aus-
nütznng dieser wesentlich billigeren Antriebskraft abhängig. Die Zeitschrift
„Petroleum" brachte kürzlich folgende Berechnung über den Vorteil
der Heizölfeuernng auf den Schiffen gegenüber der Kohlenfeuerung: „Ein
Ozeandampfer braucht statt 192 Heizern rind 12(1 Kohlenziehern nur
27 Mann. Bei einer Reise von England nach Amerika werden zweitausend
Tonnen Last auf der Ausreise und zweitausend Tonnen Last auf der Rück-
reise gespart. Heizen und Bunkern vollzieht sich schneller und reinlicher
als bei Kohlenfeuerung. Der Preis des mittleren Heizöles ist weit billiger
als der der Kohle." In England hat man schon lange vor dem Krieg die
Bedeutung des Erdöls für die Marine erkannt. Deshalb unterstützte die
britische Regierung schon Anfang dieses Jahrhunderts Privatunternehmen,
die an der mexikanischen Westküste sich an der dortigen Erdölgewinnung
beteiligten, deshalb richtete sie auf Südpersien und Mesopotamien ihr
Augenmerk und übernahm Anteile der Anglo Persian Oil Co. im Betrag
von mehr als fünfeinhalb Millionen Pfund Sterling. ^England hat auf
etwa sechsunddreißig Prozent seiner Flotte die Ölfeuerung eingeführt, und
die Kriegs- und Handelsmarine der Vereinigten Staaten hat sogar schon
auf allen Schiffen den für diese Heizungsweise erforderlichen Umbau voll-
endet. So friedlich man sich jetzt auch in Washington gebärdet, die beiden
großen Rivalen zur See, England und Amerika, müßen sich doch für alle
Fülle und jedes für sich soviel wie möglich den Besitz von Erdölquellen
sichern. Während England vor dem Krieg nur über zweieinhalb Prozent der
bekannten Ölvorkommen verfügte, hatte es 1918 auf mehr als sechzig Prozent
seine Hand gelegt. Im Vertrag von San Remo vom April 1920 hat Frank-
reich sogar zugunsten Englands auf seine Ansprüche an das erdölreiche
Wilajet Mossul verzichtet; gegen welche Kompensationen und Zusicherung
dies geschah, und wie weit Deutschland dabei Austauschobjekt war, ist jetzt
noch nicht zu entscheiden. Allerdings steh m den Franzosen vertraglich fünf-
undzwanzig Prozent der Rohölgewinnung der Mossuler Olfelder zu. Außer-
dem hat das britische Weltreich in Ostindien, in Borneo und Trinidad Öl-
quellen und bezieht noch achtzig Prozent von sechs Mülionen Tonnen Ver-
brauch aus den Vereinigten Staaten. Frankreich hat sich in Galizien uuö
Südpolen große Naphthagebiete gesichert. Obwohl die Standard Oil Eo., der
amerikanische Petroleumtrust, bisher siebzig Prozent der Weltproduktion
decken konnte, reicht neuerdings und in Zukunft die inländische Petroleum-
1^8 D a s B u ch f ü r A l l e
Die Alte Post in Mittenwald.
Nacb einein Gemälde von Otio Fedder.
mus kann nur gedeihen, wenn die Glieder lebens- und leistungsfähig er-
halten werden. Nur Träumer können an eine „Rückkehr zur Natur" in
idyllischer Bedürfnislosigkeit, an ein Mrüsten des wirtschaftlichen Wett-
eifers denken. Und so wird es darauf nnkommen, ob dem Schaffensdrang,
dem Arbeitswillen in den einzelnen Staaten auch die Naturkrüfte aus-
reichend und zu erträglichen Preisen zur Verfügung stehen, die zur Güter-
erzeugung und -beförderung notwendig sind. Um Gewinnung und wirt-
schaftlichste Ausbeutung der Energien geht es, die von der industriellen
Verwertung aus Kohle, Torf und Holz, aus Wasser und Wind, aus Ebbe
und Flut, Sonnenwürme und Elektrizität, und nicht zum mindesten auch
aus dem Erdöl gewonnen werden können. Wohl mögen die Steinkohlen-
vorräte, die auf mehr als achtzig Prozent der gesamten, wirtschaftlich zu
nutzenden Naturkräfte geschützt werden, trotz ungeheuer gesteigertem Ver-
brauch noch mehr als tausend Jahre reichen, wohl mögen — besonders in
Deutschland — die Wasserkräfte noch längst nicht in dem erreichbaren, wenn
auch leider im Verhältnis zu anderen Ländern sehr begrenzten Umfang
ausgenützt sein, die sparsamste rind vollendetste technische Zusammen-
fassung aller Kräfte wird in erster Linie mitbestimmen über die Wieder-
belebung und Erstarkung des weltwirtschaftlichen Anteils in den einzelnen
Staaten. Besonders seitdem im Krieg der Kohlenmangel bedrohlich wurde,
ist die wachsende Bedeutung des Erdöls für die Weltwirtschaft auch in
Deutschland gebührend gewürdigt worden. Früher nur als Leuchtöl ver-
wertet, dient es heute vor allem zur Erzeugung von Kraft und Wärme.
Industrie und Landwirtschaft können dies Produkt für ihre Motoren so
wenig entbehren, wie Flugzeuge uud Luftschiffe, Unterseeboote und Tanke
ohne das aus dem Kohlenwasserstoff des Erdöls gewonnene Benzin im Krieg
das hätten leisten können, was sie geleistet haben. Aber nicht nur zur Krieg-
führung zu Land rind See ist Erdöl so unentbehrlich wie vordem das Schieß-
pulver, auch die Konkurrenzfähigkeit der Handelsflotte ist von der Aus-
nütznng dieser wesentlich billigeren Antriebskraft abhängig. Die Zeitschrift
„Petroleum" brachte kürzlich folgende Berechnung über den Vorteil
der Heizölfeuernng auf den Schiffen gegenüber der Kohlenfeuerung: „Ein
Ozeandampfer braucht statt 192 Heizern rind 12(1 Kohlenziehern nur
27 Mann. Bei einer Reise von England nach Amerika werden zweitausend
Tonnen Last auf der Ausreise und zweitausend Tonnen Last auf der Rück-
reise gespart. Heizen und Bunkern vollzieht sich schneller und reinlicher
als bei Kohlenfeuerung. Der Preis des mittleren Heizöles ist weit billiger
als der der Kohle." In England hat man schon lange vor dem Krieg die
Bedeutung des Erdöls für die Marine erkannt. Deshalb unterstützte die
britische Regierung schon Anfang dieses Jahrhunderts Privatunternehmen,
die an der mexikanischen Westküste sich an der dortigen Erdölgewinnung
beteiligten, deshalb richtete sie auf Südpersien und Mesopotamien ihr
Augenmerk und übernahm Anteile der Anglo Persian Oil Co. im Betrag
von mehr als fünfeinhalb Millionen Pfund Sterling. ^England hat auf
etwa sechsunddreißig Prozent seiner Flotte die Ölfeuerung eingeführt, und
die Kriegs- und Handelsmarine der Vereinigten Staaten hat sogar schon
auf allen Schiffen den für diese Heizungsweise erforderlichen Umbau voll-
endet. So friedlich man sich jetzt auch in Washington gebärdet, die beiden
großen Rivalen zur See, England und Amerika, müßen sich doch für alle
Fülle und jedes für sich soviel wie möglich den Besitz von Erdölquellen
sichern. Während England vor dem Krieg nur über zweieinhalb Prozent der
bekannten Ölvorkommen verfügte, hatte es 1918 auf mehr als sechzig Prozent
seine Hand gelegt. Im Vertrag von San Remo vom April 1920 hat Frank-
reich sogar zugunsten Englands auf seine Ansprüche an das erdölreiche
Wilajet Mossul verzichtet; gegen welche Kompensationen und Zusicherung
dies geschah, und wie weit Deutschland dabei Austauschobjekt war, ist jetzt
noch nicht zu entscheiden. Allerdings steh m den Franzosen vertraglich fünf-
undzwanzig Prozent der Rohölgewinnung der Mossuler Olfelder zu. Außer-
dem hat das britische Weltreich in Ostindien, in Borneo und Trinidad Öl-
quellen und bezieht noch achtzig Prozent von sechs Mülionen Tonnen Ver-
brauch aus den Vereinigten Staaten. Frankreich hat sich in Galizien uuö
Südpolen große Naphthagebiete gesichert. Obwohl die Standard Oil Eo., der
amerikanische Petroleumtrust, bisher siebzig Prozent der Weltproduktion
decken konnte, reicht neuerdings und in Zukunft die inländische Petroleum-