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Das B u ch f ü r Alle

Heft 12

deutschen Universitäten im Vergleich zu
England und Amerika, wo für die Be¬
sucher der Hochschulen viele komfortabel
eingerichtete Klubhäuser zur Verfügung
stehen. Die unter einem großen Teil
der deutschen Studenten herrschende
Not ist erschreckend. Tausende müssen
sich in vielfach unwürdigen Verhältnissen
ihr Brot und die Mittel zum Studium,
das zum Nebenberuf herabsinkt, ver¬
dien en und hab en kein behaglich es Heim,
ja kaum eine notdürftige Unterkunft.
Immer mehr sind auch junge Mädchen
genötigt, fern vom Elternhaus ihr Brot
zu verdienen. Gerade da wurde schon
längst klar, das; die Abvermietungen
vielfach nur sehr kümmerlichen Ersatz
für das Familienheim geben. Die Ge¬
wöhnung an Wirtshaus- und Lafo¬
leben, an Alkohol und noch zweifelhaf¬
tere Genüsse sind eine natürliche Folge
bei sehr vielen jungen Männern. Und
bei den anderen verkümmern leicht
geistige Interessen und gute Anlagen,
weil die Atmosphäre- der Umgebung
allmählich herabziehend wirkt. In neue¬
ster Zeit kommen noch die immer grö¬
ßer werdenden Schwierigkeiten der Be¬
köstigung hinzu. Die Beschaffung von
einfachen und nicht überteuerten Hei¬
men für junge Leute der verschiedensten
Berufe und beiderlei Geschlechts ist also
ein durch die allgemeine Wohnungsnot
erst recht offenbar gewordenes dringen-.
des Bedürfnis und viel mehr als eine
nur äußerliche Angelegenheit. Körper¬
liche und sittliche Gesundheit der jungen
Generation, Gewöhnung an eine geordnete, Geschmack und Pflege be-
kundende Lebensführung sind kulturelle Werte, die gerade durch die Für-
sorge für bessere Wohnungsverhältnisse am besten gefördert werden. Von
Staat und Gemeinde Abhilfe der Notlage zu verlangen, wäre töricht; aber
ebensowenig kann der einzelne ausrichten. So ist am ehesten von Ver-
genossenschaftlichen Selbsthilfe, von gemeinnützigen Verbänden Abstellung
Les Lbelstandes zu erwarten. Die Studentenschaft hat eine „Wirtschafts-
hilfe" ins Leben gerufen, die zur Beschaffung von Heimen und Büchern,
zur Erleichterung der Speisung und zur Gewährung sonstiger Unter-
stützungen öffentliche und private Mittel aufzubringen versucht. — Ein
sehr erfreuliches rind nachahmenswertes Beispiel hat die Freireligiöse
Gemeinde Berlin gegeben. Sie hat auf einem ihrer Grundstücke ein statt-
liches Haus als Ledigenheim erbaut und in vorbildlicher Weise die Innen-
einrichtungen getroffen.
Der Bau hat seinerzeit 2 800 000 Mark gekoster, wird aber jetzt auf etwa
vier Millionen geschätzt. Die Durchführung des Planes wurde durch
private Mittel und finanzielle Unterstützung staatlicher und städtischer
Behörden ermöglicht. Im Vorderhaus befinden sich außer einigen Einzel-
zimmern Zwei- und Dreizimmerwohnungen mit Badezimmer, aber ohne
Küche, für Verheiratete. Ein Speisenaufzug befördert für diese Heim-
bewohner die Mahlzeiten in ihre Zimmer, wenn sie nicht in: gemeinsamen
Speiseraum eingenommen werden. Im Gartenhaus ist das eigentliche
Ledigenheim, das achtundfünszig Zimmer umfaßt, von denen jedes einen
eigenen Zugang hat. Das Innere ist freundlich, sauber und anheimelnd.
Hier kann sich nun der eigene Geschmack entfalten und jeder sich wirklich
„zu Haus" fühlen. Der Preis, für heutige Verhältnisse äußerst gering,
beträgt zur Zeit monatlich hundertundsechzig Mark einschließlich Zentral-

heizung und Licht; für Pension fünf-
zehn Mark täglich. Jeder Insasse hat
wöchentlich einmal freie Badbenützung.
Auf das Herauswirtschaften von Ge-
winnen ist von vornherein Verzicht ge-
leistet.
Das Zusammenwohnen Gleichaltriger
kann zugleich zu anregenden Freund-
schaften und zu fördernden gemein-
samen Arbeiten führen, so daß nicht nur
eine bessere Unterkunft, sondern auch
eine die ganze Lebensführung geistig
und charakterlich hebende Veränderung
in dem Heim gewonnen wird. Was
vereinter guter Wille vermag, hat das
Liebeswerk der Quäker gezeigt. Sollte
nicht die wirtschaftlich wie ethisch hoch-
wichtige Aufgabe der Errichtung und
Ausgestaltung von Ledigenheimen in
gesundem und gutem Geist von gebe-
willigem Gemeinsinn deutscher Ver-
bände ebenso ohne konfessionelle oder
parteipolitische Einschränkungen gelöst
werden können? Die Wohnungsnot der
Unverheirateten, die äußere und innere,
erfordertbaldige und gründlicheAbhilfe.
Mannigfaltiges
Line nachahmenswerte hygienische
Maßregel. — Wer sich der Zeit erin-
nert, da es noch Metallgeld in Gold,
Silber, Nickel und Kupfer gab und das
Papiergeld im täglichen Verkehr nur
eine geringe Rolle spielte, dem wird
es manchmal ausgefallen sein, wie
schmutzig ost die Hände der Trambahn¬
bediensteten gewesen sind, die den Fahrgästen die Billette gaben und
das Geld wechselten. Mancher wird geglaubt haben, diese Leute seien
unreinlich. Ein Irrtum. Der Schmutz an ihren Fingern stammte von dem
Geld, mit dem sie fortwährend hantieren mußten. Daß unsere Münzen
so flach geprägt wurden, geschah deshalb, weil weniger Schmutz daran
haften blieb, als dies bei erhabenerer Gestaltung der Geldstücke der Fall ist.
Den Künstlern, die auf Münzen eine höhere Reliefwirkung anstrebten,
mußte immer wieder erklärt werden, man könne diese Forderung aus
hygienischen Gründen nicht gutheißen. Vor 1914 gab es viele Banken,
ja sogar große Handelsfirmen, die Wascheinrichtungen für das Metallgeld
besaßen, in denen es vom Schmutz befreit wurde, der sich durch den Verkehr
daran festsetzte. Man braucht nicht von übertriebener Bakterienfurcht an-
gesteckt zu sein, wenn man sich vor beschmutztem Geld scheut und wünscht,
saubere Stücke inr Verkehr auszugeben und zurückzuerhalten. Daß Papier-
stoff rascher verunreinigt wird als Metallgeld, haben wir in den letzten Jahren
genügend erfahren. Man erhält fettige, in Farbe und Druck fast unkennt-
liche Lappen, die man mit einem Gefühl des Ekels anfaßt, das durchaus
berechtigt ist. Daß man nun auch daran denkt, das Papiergeld zu reinigen,
wie dies früher mit Metallstücken geschehen ist, wirkt nicht besonders über-
raschend. Ungewohnt ist nur die Vorstellung, daß Papier „gewaschen"
werden soll. Bedenkt man, wie teuer die Herstellung der kleinen und großen
Noten ist, so findet man es einerseits wohl begreiflich, daß man sie bis zur
äußersten Grenze appetitlichen Ansehens im Verkehr läßt. Anderseits muß
das aus hygienischen Gründen bedauert und verurteilt werden. Würde
man die Wertscheine, nachdem sie noch nicht völlig zu widerlichen Schmutz-
lappen und ekligen Bakterienträgern geworden sind, dem weiteren Umlauf
entziehen und sie reinigen, dann könnte ihre Dauer gewiß verlängert

Einzelzimmer im Berliner Ledigenheim.
 
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