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DasVurbtüvAüe

Heftis Illustrierte Familienzcitung 1922


D

Fischmartl in Holland.

Nach einem Gemälde von Professor Hans Herrinann.

Die Stimme des Blutes
Roman von Georg Julius Pelersen
er alte Prokurist Epstein stand neben dem Schreibtisch
seines Chefs und berichtete in der langsamen Sprech-
weise, die
ihm eigen war,
und seinen Vor¬
trag länger aus¬
dehnend, als nötig
schien. Der Herr
imSchreibtischses-
sel fing an, nervös
zu werden. Hin
und wieder machte
er eine schnelle
Bewegung mit
dem Oberkörper,
als wolle er da¬
mit dem Reden¬
den das letzte Wort
abschneiden, und
als das nicht half,
trommelte er mit
der Rechten auf
der Tischplatte.
Dabei blickten die
Augen, die in ei¬
nem energisch ge¬
bauten Kopf sa¬
ßen, über den enge¬
ren Bereich des
Arbeitsplatzes hin¬
aus und blieben
gedankenverloren
an demWeinlaub
hängen, das inder
warmenSeptem-
bersonne vielfar¬
ben leuchtete. Kon¬
rad Stammersbe-
achtete nicht mehr,
was sein Proku¬
rist ihm erzählte;
er schätzte dessen
Können und Wis¬
sen überhaupt nicht
hoch und behielt
ihn, weil er fünf¬
zehn Jahre im Ge¬
schäft und unbe¬
dingt zuverlässig
war. Es genügte
ja auch. Man war
selber da: sieben-
undvierzig Jahre
alt und bei guter
Gesundheit; da
konnte man Chef
und Prokurist in
einer Person sein.
Epstein schwieg
eine Weile und

verschnaufte sich ein wenig. Der Fabrikant nahm den Augenblick
wahr. „Das wäre also alles für heute, lieber Epstein, ich danke
Ihnen." Seine feste Hand griff zur Feder.
„Noch etwas, Herr Stammers," bemerkte der Prokurist und
holte tief Atem.
„Nun, was denn noch? Jst's eilig?" fragte der Chef.
„Eshandeltsich
um die Neubeset-
zung des zweiten
Buchhalterpostens;
Sie wissen ja, Herr
Stammers. Ort-
lieb kommt nicht
wieder, der arme
Mensch wird in
eine Lungenheil-
anstalt geschickt;
und nun müssen
wir den Platz neu
besetzen."
„Selbstverständ-
lich !"
„Ja. Ich habe
deshalb inzwischen
inseriert und auch
die eingelaufenen
Bewerbungen ge-
prüft. Diese drei
kämen nach mei-
nem Dafürhalten
in engere Wahl."
Damit reichte er
dem Chef einige
Schriftstücke hin.
„Ist gut, Ep-
stein, ich danke;
ich werde die Be-
werbungendurch-
sehen und mor-
gen früh mit Ih-
nen darüber spre-
chen. Und wenn
irgend möglich,
halten Sie mir
Störungen fern,
ich habe viel zu
tun. Bitte alles
nur telephonisch.
Ich gehe um elf
zur Fabrik hin-
über."
Konrad Stam-
mers vertiefte sich
in seine Arbeit.
Die Stenotypi-
stin, die ausschließ-
lich für den Fabri-
kanten zu tim hat-
te, saß seit einer-
halben Stunde
auf ihren: Platz
im Privatkontor
und schrieb nie-
der, was der auf

16. 1S22.
 
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