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Architekten- und Ingenieur-Verein <Frankfurt, Main> [Editor]; Wolff, Carl [Oth.]
Die Baudenkmäler in Frankfurt am Main (Band 1): Kirchenbauten — Frankfurt a. M., 1896

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https://doi.org/10.11588/diglit.25631#0255
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180 :

tafeln, welche er von Gott empfangen hat, in der linken Hand haltend.
Auf der ersten Tafel sind die Gebote. I—III, welche die Pflichten gegen
Gott enthalten, auf der zweiten die Gebote IV—X, die Pflichten gegen
den Nächsten, verzeichnet, eine Anordnung, wie sie seit Augustinus im
Abendlande Katholiken und Lutheranern geläufig ist. Die nächsten zehn
Tafeln geben uns die Gebote selbst. Ausser der szenischen Darstel-
lung der einzelnen Vorschriften erblicken wir jedesmal noch eine oder
zwei Hände, deren ausgestreckte Finger die Zahl des betreffenden Gebotes
angeben, so dass auch derjenige, welcher nicht lesen konnte, im Stande
war, die Nummern der Gebote zu erkennen. Dabei steht die linke Hand
auf der rechten, die rechte auf der linken Seite. Abweichend von der
heute bei den Katholiken üblichen Keihenfolge ist das Gebot „Du sollst
nicht stehlen“ als sechstes, das Gebot „Du sollst nicht ehebrechen“ als
siebentes dargestellt. Diese Umstellung kommt im Mittelalter öfters vor:
wir finden dieselbe beispielsweise in einer Handschrift der Hamburger
Stadtbibliothek „Beichte nach den zehn Geboten“, in einer Beichttafel
vom Jahre 1481, dem „Speygel der Dogede“ Lübeck 1485, dem „Spegel
des cristene Mynschen“ Lübeck 1501 u. s. w.*) Lukas Cranach wählte bei
seinem Gemälde der zehn Gebote im Wittenberger Kathhaussaale 1516
dieselbe Ordnung. Auch ist das Gebot „Du sollst nicht ehebrechen“ schon
an der fünften Stelle gezählt worden.

Bei der Darstellung des ersten Gebots „Ego dominus deus tuus,
qui eduxi te de terra Aegypti de domo servitutis. Non habebis deos
alienos in conspectu meo“, Deut. V, 6 und 7, sehen wir zwei knieende
Figuren, welche ein auf einer Säule stehendes Götzenbild anbeten. Das
zweite Gebot „Non usurpabis nomen domini dei tui frustra“, Deut. V, 11,
ist durch zwei einander gegenüberstehende schwörende Personen versinn-
bildlicht. An dritter Stelle „Observa diem sabbati“, Deut. V, 12, ist ein
Mann mit der Hacke arbeitend dargestellt. Das vierte Gebot „Honora

patrem tuum et matrem.“, Deut. V, 16, wird uns in einem Bilde vor

Augen geführt, in welchem die Kinder ihre beiden Eltern misshandeln,
an den Haaren zausen und in anderer Weise peinigen. In der fünften
Darstellung „Non occides“, Deut. V, 17, sehen wir zwei streitende Männer,
von denen der eine ein Schwert schwingt. Als Nummer sechs „Furtumque
non facies“, Deut. V, 19, finden wir den Diebstahl dargestellt, indem ein
Dieb einer vor ihm sitzenden Person in die Tasche fährt und eine Münze
entwendet. An das siebente Gebot „Neque moechaberis“, Deut. V, 18,
erinnert die Darstellung, in welcher ein Paar in einem hinter halb zurück-
geschlagenem Vorhänge sichtbaren Bette liegend abgebildet ist, an das
achte Gebot „Nec loqueris contra proximum tuum falsum testimonium“,
Deut. V, 20, eine Gerichtsverhandlung: der Bichter sitzt auf dem Stuhle
mit erhobenem Stab, vor ihm befinden sich drei Personen. Die beiden

9 Vgl. S. 179 Anmerkung 2.
 
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