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„Stellen Sie das Vieh in den Keller oder ..."

Frau Schulze erschrak sehr, denn sie hatte, seit Schulze
eingerückt war, Niemanden als ihren Koko.

„Ach was, er ist ein Miesmacher", erklärte der Vor-
sitzende.

ga ja, sie sah es ein. Sie war eine umsichtige Wirts-
frau und stellte sich einen Nachmittag lang vor Kokos
Käfig und versuchte ihm ein neues Wort beizubringen.
Sie gab ihm Zucker und sagte ihm vor: „Krieg! ...
Krieg!... Krieg!..."

Aber Koko war nicht mehr jung, verdrossen und
menschenfeindlich, er wollte nicht umlernen! Er glotzte
die Frau verständnislos an und schrie weiter seinen
Frieden in die Welt. Nachdem Frau Schulze sich lange
mit ihm abgemüht hatte, da packte sie entschlossen den
Käfig und stellte ihn in die finstere Speisekammer.
Sie arbeitete in der Schenke und hörte ihn noch eine
Zeitlang pfauchen, an den Stangen zerren, kratzen,
wütend werden.

Als es in der Speisekammer still wurde, bekam sie
es plötzlich mit der Angst. Sie ging zu ihm, aber als
sie die Tür öffnete, da schnarrte ihr das verdammte
Wort sogleich entgegen: „F... F... Friedenl" Sie
erinnerte sich an den Vorsitzenden des Rauchklubs,
bezwang ihr Mitgefühl und ließ den Freund im
Arrest.

In der Dämmerung trat der Vorsitzende in den
Keller.

Frau Schulze zeigte ihm Kokos neuen Wohnort.
Da saß der Papagei gelassen in seinem Ring mit
hängendem Gefieder und schlief, verschlief Krieg und
Frieden.

„Schon gut", sagte der Dorsitzende beinahe ohne
Lächeln „Schutzhaft! ... Nützlich!"

Aber noch in der Nacht trieb es Frau Schulze aus
dem Bett, sie schlich in die dumpfe Speisekammer und
trug den Käfig hinaus in die Küche.

Als Koko am Morgen die Augen ausschlug, sah er
gerade auf die alte Buche im Hof.

Oft saß hier Frau Schulze und las mit vergrämtem
Gesicht Briefe ihres Mannes, tief in Ruhland ge-
schrieben. Kaum was von Heimkehr stand da! „Wer
iveiß, Frauchen, wir stehen hier noch fünf Iahre!"
schrieb er einmal „uns bringt keener weg!" Da sah
Frau Schuize mit nassen Augen zu Koko hin, sie
streichelte seine grünen Federn sanft, das tat ihm wohl
und er kreischte: „F ... F ... Frieden!"

-i- -t-

*

Vor Weihnachten kam Schulze mit fünf Kameradeu
auf Urlaub. Er war erstaunt, den Papagei nicht in
der Schenke zu finden.

„Was?" schrie er, „die Gäste? der Vorsihende?
Laß Dich nicht einschüchtern, Röschen, und Du auch
nicht, Koko l"

Er nahm den Käfig und stellte ihn wieder an seinen
alten Platz. „Nun werd ich Euch was zeigen", sagte er
zu den glohenden Kameraden. „ghr sollt mal sehen,
was das für ein vernunftbegabtes Tier ist". Und er
hielt ein Stück Zucker durch die Stäbe und Koko, der
seines Herrn Stimme gehört und erkannt hatte,
schmetterte mit der Fröhlichkeit des Befreiten in die
Welt: „F...F...Friedenl"

Die Soldaten brummten vor Vergnügen.

Gerade in dieser Stundetrat der Vorsitzende des Rauch-
klubs „Mit Vvlldampf los" durch die kleine Glastür.

„Schulze ... Mahlzeit," rief der Vorsitzende erfreut.

„Hm ... hm," murrte der Soldat.

„Na wie stehts in Rußland? Was treibt der Tschar?"
Der Vorsitzende klvpfte Schulzen freundlich auf die
Schulter.

„Gut, gut." Aber Schulze trat ein paar Schritte weg.

„Was denn los?" sragte der Vorsitzende.

Die Soldaten guckten über die Biergläser mit hor-
chenden Gesichtern herüber.

„Hör mal," sagte Schulze mit einem Blick zu den
Kameraden, „Du hast ttber meinen Koko Dunkelarrest
verfügt?"

„Koko? Dunkelarrest? Ich?"

Schulzes Stimme schwoll an:

„Du hast nicht dulden wollen, daß mein Vogel singt!"
Es lag schon etwas Drohendes, Breitbeiniges inSchulzes
Stimme, und seine Kameraden gröhlten schon ziemlich
solidarisch.

„Es hat Dich etwas gestört?" frug Schulze noch etwas
gewitterhafter.

„Nee, nee," sagte der Vorsihende, „nichts von Be-
deutung. Ach, das war mal so 'ne Sache."

„Ietzt geniert es Dich wohl nicht mehr?" fragte
Schulze etwas besänftigt.

„Aber durchaus nicht, im Gegenteil, das arme Vieh."

Die Soldaten brüllten taktlos.

Schulze schritt gemächlich zu dem Käfig, winkte dem
Vorsitzenden näherzukommen, gab dem Papagei ein
großesStückZucker, und Koko schrie: „F.. F..Frieden!"

Die Soldaten glotzten dem Vorsitzenden ins Gesicht.

Aber der spitzte sein pfiffiges sächsisches Gesicht und
sagte kurz: „Eigentlich ... klingt es ganz niedlich!"
 
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