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Grommelt, Carl; Mertens, Christine
Bau- und Kunstdenkmäler des Deutschen Ostens (Band 5): Das Dohnasche Schloss Schlobitten in Ostpreussen — Stuttgart: Kohlhammer, 1962

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https://doi.org/10.11588/diglit.48962#0400
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späteren Schlobitter Dohnas. Trotz der Schwierigkeit der religiösen Verhältnisse und
der politischen Lage bewährte er sich in Orange als fähiger und beliebter Regent; der
hervorragende Ruf seiner Kriegsschule drang auch zu weit entfernten Fürsten und Herren
und bewog sie, ihm ihre Söhne zur Erziehung anzuvertrauen. Wenngleich er es nicht ver-
hindern konnte, daß Ludwig XIV. — vorgeblich im Interesse des minderjährigen Prinzen
Wilhelm III. — Orange gewaltsam an sich riß (1660), gelang es ihm doch, die Rechte des
Hauses Nassau und die Religionsfreiheit der Bewohner von der französischen Krone be-
stätigen zu lassen. Er hatte sich 1656 mit der Nachkommin eines berühmten Hugenotten-
geschlechts, Esperance, Erbtochter des französischen Generalfeldzeugmeisters Jean du Puy
de Montbrun, Comte de Ferrassieres, vermählt — die nach dem Urteil von Pierre Bayle
„alle schönen Eigenschaften einer Französin ohne deren Fehler besaß" — und im folgenden
Jahre die Baronie Coppet am Genfer See erworben. Hierher zog er sich 1662 zurück, war
aber noch politisch und diplomatisch für den Prinzen von Oranien, für Brandenburg und
die Schweiz tätig. Er erhielt das Bürgerrecht von Bern, das seine Nachkommen noch heute
innehaben, und war während der Drohung eines savoyischen Angriffs oberster Chef des
Verteidigungswesens von Genf. Intensiv widmete er sich der Erziehung seiner Kinder
(darunter Alexander, der zweite Bauherr von Schlobitten), für die er den Philosophen
Bayle als Lehrer gewonnen hatte. Seine anziehend geschriebenen Erinnerungen sind „eine
Quelle von hoher kulturgeschichtlicher Bedeutung" (O. Hintze). Bayle rühmt — seinem
Bruder gegenüber — Friedrichs, unter den großen Herren so seltene, beispielhafte Frömmig-
keit, Mäßigung und Gerechtigkeit; „er hat unendlich viel Geist und Feuer, eine große und
staunenswerte Belesenheit; kurzum, ohne ihm zu schmeicheln, kann man ihn unter die
Gelehrten rechnen".
Friedrich hatte Schlobitten erst 1667 nach dem Tode der Witwe seines Oheims Abraham
übernommen und ist nur zweimal für kurze Zeit dort gewesen (1669 und 1671). Was er in
seinen letzten Lebensjahren mehrfach geplant hatte, aber immer wieder verschieben mußte,
das verlassene Schloß Abrahams wieder zum Wohnsitz und Mittelpunkt der verstreuten
Familie zu machen, sollte erst sein ältester Sohn Alexander erfüllen, freilich in ungleich
großartigerer Weise, als es dem Vater vorgeschwebt haben mochte.
Für Schlobitten wichtig sind auch Friedrichs Brüder, weil sie für die Familie Dohna neue
Beziehungen knüpften und weil ihre Kinder und Nachkommen immer wieder in das Haus
Schlobitten einheirateten und damit auch Familienbilder und Hausrat einbrachten. Diese
Häufung der Verwandtenheiraten ist kennzeichnend für die Dohnas, besonders in der
zweiten Hälfte des 17. und im 18. Jahrhundert. In ihr kommt ein starkes Familiengefühl
sowie auch ein ausgeprägtes Standesbewußtsein zum Ausdruck, sind es doch außer der
eigenen Familie die Häuser Holstein, Lippe und Solms, mit denen in dieser Zeit die meisten
Verwandtenehen geschlossen werden.
Der Erbauer des hochbarocken Schlobitten, Alexander, heiratete die Tochter seines jüng-
sten Onkels Christoph Delphicus (1628—1668). Dieser hatte in der „statthalterlosen Zeit"
den niederländischen Dienst verlassen, um in den schwedischen einzutreten. Als Ober-
kammerherr gehörte er dem intimen Kreise der geistvollen Königin Christine an; in
mehreren Kriegen zeichnete er sich so aus, daß er mit 37 Jahren Generalfeldmarschall
wurde, vermittelte dann als schwedischer Botschafter den Frieden von Breda zwischen

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