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Sommer, Gustav
Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz Sachsen (Band 1): Die Kreise Zeitz, Langensalza, Weissenfels, Mühlhausen und Sangerhausen — 1882

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https://doi.org/10.11588/diglit.41153#0499
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Questenberg. Riestedt,

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demnach im Osten der Kirche steht. Altar und Kanzel der Kirche sind modern.
An der Aussen wand ist ein uberlebensgrosses, zu Anfänge dieses Jahrhunderts
sehr roh gearbeitetes Rolandsbild unter einem Dache aufgestellt und durch einen grell-
bunten Anstrich aufgefrischt worden.

Riestedt.
Pfarrkirchdorf, an der Halle-Kasseler Eisenbahn, 4I/2 Km. östlich von Sanger-
hausen. Archidiaconat Kaltenborn, Bisthum Halberstadt. Es ist einer der am
frühesten genannten Orte unseres Kreises; bereits 777 schenkte Karl der Grosse
dem Stifte Hersfeld die Capelle in „Ritstedi, Altstedi und Osterhusen“ mit dem
Zehnten des Eriesenfeldes und Hassengaus. Otto II. tauschte dann 979 unter
anderem auch die Capellen zu Rietstede wieder von Hersfeld ein und schenkte die-
selbe mit dem Uebrigen der freien Abtei Memleben. Doch kam schon lülö, als
Hemleben zu einem gewöhnlichen Kloster degradirt und Hersfeld wieder unter-
geben wurde, die Capelle an Letzteres zurück. Lothar II. bestätigte diesen Besitz
der fürstlichen Kirchen (ecclesiae dominicales) in „Altstede, Rietstede und Oster-
husun“ nebst dem Zehnten im Eriesenfelde und Hassengaue, der auf der Synode
zu Mainz dem Kloster Hersfeld gegen die Aneignungsgelüste des Bischofs zu
Halberstadt zugesprochen worden war. Im 15. Jahrhundert finden wir die Kirche
zu Riestedt und das dazu gehörige Pfarrlehen im Besitze des Klosters Hilborge-
rode (Klosterrode). Dass die erwähnte Capelle mit der noch jetzt bestehenden
Pfarrkirche identisch ist, lässt sich mit Sicherheit daraus schliessen, dass die
Abtei Hersfeld und jene drei kaiserlichen Capellen einen gemeinschaftlichen Schutz-
heiligen: den heil. Wigbertus hatten; die jetzige Pfarrkirche in Riestedt ist eben-
falls eme St. Wigbertikirche und führt die ganze Eigur des Heiligen im Siegel.
Es sind auch in die Kirchenmauern einige romanisch verzierte Steine von der
alten Kirche versetzt, deren zopfartige Verzierung an der 1159 geweihten Kloster-
kirche zu Ilbenstadt in der Wetterau wiederkehren. Heben derselben kommt im
13. Jahrhundert noch eine St. Andreaskapelle in Riestedt vor, die dem Stifte Kalten-
born zuständig war; von deren Lage haben sich jedoch keine Ueberlieferungen im
Dorfe erhalten. Letzteres erwarb auch 1337 den Zehnten in Riestedt von Hersfeld,
wie es überhaupt nach und nach sehr ausgedehnte Besitzungen dort erlangt hat.
Ausserdem waren bedeutende Grundherrn in Dorf und Flur: die Grafen von Mans-
feld , die edlen Herrn von Hackeborn und die von Schraplau-Wettin, seit dem
15. Jahrhundert besonders auch die Herren von Morungen.
Das Langhaus der schon genannten Wigbertikirche ist modern, der Chor im
halben Achteck geschlossen. Der in AVesten stehende Thurm trägt ein gewähntes
Schieferdach mit 4 Erkern und einen Dachreiter; die 4 Schallfenster desselben
sind im Spitzbogen geschlossen. In der Vorhalle der Kirche befindet sich ein
nicht mehr benutzter achteckiger, ziemlich flacher, mit Zahnschnitt und Eier-
stab verzierter Taufstein, dessen oberstes Glied, eine achtseitige Platte, die In-
schrift trägt: Lasset die Kindlein zu mir kommen etc. Am untern Theile ist die
Jahreszahl 1599 angebracht. Die Sacristei birgt drei auf Holz im eigenth tunlich
manierirten Style der Mitte des 17. Jahrhunderts gemalte Oelbilder: 1. ein Abend-
mahl, 2. die Belebung der Totengebeine nach Hesekiel Cap. 37., ein damals sehr
oft gemalter Vorwiuf, und 3. der Abschied der sterbenden Gattin des Pfarrers
 
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