Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Tettau, Wilhelm
Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz Sachsen (Band 13): Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler der Stadt Erfurt und des Erfurter Landkreises — Halle a. d. S., 1890

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.41154#0048
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
30

Kreis Erfurt.

oder die schmäleren Stufen, welche auf der Südseite des Chors emporführen, an-
gehören, denn die erste Erwähnung derselben findet sich in einer Urkunde von
1440, in welcher der Yicedom. Dr. Johann von Alienblumen, für sich, seine Mutter
Wunne und seinen Sohn Wilhelm erklärt, dass er nur auf dieser drei Lebzeiten
vom Kapitel das Haus unter den neuen Stufen gekauft habe, das vorher von dem
Schulmeister Thilo Hottermann bewohnt gewesen sei (M. K. A.). Dass es sich hier
wirklich um die schmalen Stufen handle, kann nicht zweifelhaft sein, da das Haus
von Allenblumens Nachbar, Hans Morchin, nach einer Urkunde von 1442 der
Metergasse gegenüber stand, die später den Namen Frauen-, dann Halbmond-
gasse führte und deren allein noch übrige östliche Häuserreihe jetzt eine Seite
des Artillerieplatzes bildet (Tettau, Beitr. S. 47).
Bei dem oben erwähnten Brande ist möglicherweise auch das Schiff der
Kirche in Mitleidenschaft gezogen, wenn auch nur dadurch, dass Steine derThürme
auf dessen Dach gefallen sind. Denn dadurch erklärt es sich am einfachsten, dass
1452 die Holzdecke des Hauptschiffes, glücklicherweise zu einer Zeit vor Anfang
des Gottesdienstes, hinabgestürzt ist (Gudenus Hist. p. 138).1 Dieser Umstand
wird es wohl gewesen sein, der dazu genöthigt hat, das alte Gewölbe der Kirche,
d. h. wohl der Seitenschiffe, abzubrechen, wonächst die Kirche erhöht und ver-
breitert wurde (Hartung Kammermeister, 1. c. f. 149 v.). Friese (Chron. I. S. 212a)
berichtet, dass, nachdem die Kirche 1452 unversehens eingestürzt, die eingefallenen
Wände mit neuen Quadersteinen gebaut wären, die mittägige Seite jedoch von der
alten Kirche noch übrig und daher der neuen gar nicht gleich sei, die grosse
Thüre über den Stufen aber von der alten Pracht Zeugniss ablege. Flogel (1. c.
S. 560) gedenkt nicht eines Einsturzes der Kirche, bemerkt vielmehr, dass der
hintere Theil derselben 1453 eingesunken und mit dessen Wiederaufbau am Tage
des h. Pantaleon (28. Juli) 1455 der Anfang gemacht sei. Dass, damals wirklich eine
Wiederherstellung begonnen worden, ergiebt allerdings die neben dem nördlichen
Eingänge befindliche Inschrift: Anno domini MCCCCLY in dib Panthaleonis incepta
est hec structura, ob aber jener Yorfall der nämliche ist, welchen Gudenus als ein
Einstürzen der Decke schildert, oder ob die Kirche zweimal, 1452 und 1453 von
ähnlichen Unfällen betroffen ist, wird bei der gelingen Zuverlässigkeit, auf welche
die genannten Chronisten in der in Rede stehenden Beziehung Anspruch machen
können, dahingestellt bleiben müssen.
Die Erweiterung, welche dem Schiff der Kirche bei jenem Wiederherstellungs-
bau zu Theil wurde, bestand darin, dass man, um auf dem beschränkten Raume
möglichst viel Platz zu gewinnen, die ursprüngliche Kreuzesform grossentheils
aufgab und die äusseren Fronten der Kreuzesarme vergrösserte, doch so, dass die
südliche Wand erhalten blieb. Das bisherige schöne Yerhältniss zwischen Lang-
schiff und Querschiff wurde hierdurch aufgehoben; das erstere näherte sich der
quadratischen Form. Während nach den Regeln der Kunst das Mittelschiff am
breitesten sein soll, dem die Seitenschiffe gewissermassen nur als Umgänge dienen,

1 Böckner, 1. c. S. 192, glaubt jedoch, dass der in Rede stehende Brand ohne Einfluss
auf den Einsturz der Decke des Schiffes gewesen, dieser vielmehr lediglich dadurch ver-
anlasst sei, dass die nicht auf Mauerlatten, sondern in Mauerlöchern ruhenden Balkenköpfe
verfault wären.
 
Annotationen