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Bergner, Heinrich [Editor]
Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz Sachsen (Band 24): Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler der Stadt Naumburg — Halle a. d. S., 1903

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https://doi.org/10.11588/diglit.25507#0029
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Kreis Naumburg.

das Schulamt. Und dieser Apparat arbeitete in einem Gemeinwesen, das
zusammen selten über 6000 Einwohner zählte!

Naumburg hat nach der zutreffenden Voraussicht der Gründer als Festung
und Handelsplatz eine Rolle gespielt. Durch seine Lage war es auf die Ver-
mittlung des Transithandels nach dem Osten hingewiesen und die verpflanzten
Großjenaer Handelsleute wußten sich bald den größeren Verhältnissen zu fügen.
In erster Linie waren es westliche Tuche, die den Markt beherrschten, und die
„Gewandschneider“ bildeten den vornehmsten Stand; daneben Seide, Leinwand,
Wolle, Pelzwaren und der Waid, ein Farbmittel, das besonders um Erfurt gebaut
und dort verfrachtet wurde. Aber auch Naumburg scheint sich des Anbaus
beflissen zu haben, wie der Name Waidggrten (Schulgasse) bezeugt, und vertrieb
jedenfalls die Erfurter Ballen in die Ostmarken. Neben fremden Weinen war
Naumburger Bier exportfähig und bei den Zeitgenossen, wie noch heute, hoch-
berühmt als „das schönste und lieblichste Bier, der Thüringer Malvasier.“ Im
15. Jahrhundert schloß sich Naumburg der Hansa an, mußte aber auf Drängen
der eifersüchtigen Wettiner 1433 ausscheiden. Offenbar anknüpfend an die
Kirchweih des Doms entwickelte sich frühzeitig die Peter-Paulsmesse (29. Juni),
welche bis ins 16. Jahrhundert einen ganz bedeutenden Zuzug von nah und
fern fand, dann aber langsam doch unaufhaltsam dem Übergewicht Leipzigs
unterlag. Die günstige Lage machte die Stadt auch zur Abhaltung von Zusammen-
künften geeignet und ihre Mauern sahen eine stattliche Reihe von Fürstentagen,
die sich mit viel Geräusch, Glanz und Wohlleben vor den Augen der Bürger
abspielten.

Bis Ende des 13. Jahrhunderts war nur die Bischofsstadt befestigt. Seit
ca. 1270 wurden die Werke auch um die Stadt gezogen, im 14. Jahrhundert vom
Rat noch in Holz- und Lehmkonstruktionen vervollständigt, seit etwa 1450 aber
in machtvoller Weise durch massive Mauern und Tore ersetzt. Es war eine
Zeit, wo der Krämergeist einen höheren Flug mit kriegerischen Anwandlungen
wagen durfte, wo die Türme und Bastionen mit grobem und leichtem Geschütz
gespickt, in den Zwingern die Stückkugeln, durch die Ratssteinmetzen auf dem
Röddel ausgehauen, hochgeschichtet ruhten und die Bürgerwehr, von den Viertels-
meistern geführt, auch manchen Strauß außerhalb der Mauern bestand, wie sie
1348 die Rudelsburg und drei andere Raubschlösser brach. Jedoch schon in
der Mitte des 16. Jahrhunderts waren die Mauern ein zweifelhafter Schutz. Der
Bürgerschaft war die Kraft ausgegangen, sie selbständig zu verteidigen. So
wurde der Platz ein Spielball feindlicher Parteien. Schon im schmalkaldischen
Kriege waren bald die sächsischen, bald die kaiserlichen Truppen obenauf; im
dreißigjährigen wechselten ebenso Schweden und Kaiserliche ab. Ganz besonders
schwer waren die Brandschatzungen 1631 unter Holke, 1636 und 39 unter Baner,
während 1642 ein Angriff der Schweden mannhaft abgeschlagen wurde. Im
November 1632 legte Gustav Adolf rings um die Stadt ein festes Lager an, zog
aber bald zu seiner letzten Schlacht bei Lützen ab und mehrere seiner Offiziere
wurden hier bestattet. Von diesen Schlägen hat sich Naumburg nicht wieder
erholt. In Zukunft ist es ein gebrochenes Gemeinwesen, zumal es fast während
der ganzen Dauer des siebenjährigen Kriegs in den Händen der Preußen war
und abermals während der napoleonischen Kriege von endlosen freundlichen
 
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