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Rave, Wilhelm [Editor]; Nordhoff, Josef B. [Oth.]; Ludorff, Albert [Oth.]
Die Bau- und Kunstdenkmäler von Westfalen (Band 2): Die Kunst- und Geschichts-Denkmäler des Kreises Warendorf — Münster, 1886

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https://doi.org/10.11588/diglit.24358#0092
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TINNENBERG.

Zu dem Denksteine Brandenburg-Poll kom-
men in der Kirche noch folgende mit Schrift-
resten : jene der Aebtissin (Placida) Münstermann
(t 1782), ihrer Nachfolgerin (Maria) Ostendorff
(f 1804) und des Klosterconfessars R(everen)dus
domi(nus) pater Maurus Dahlmeyer, professus
in (Liesborn).

Eingehender Betrachtung harren noch einige
Gemälde und Stein sc ulpturen —■ letztere an
Inhalt und Umfang die denkwürdigsten Werth-
stücke in der Kunstgeschichte des Landes. In
der Composition etwas einförmig und akademisch
vergegenwärtigen sie inhaltlich lehrreiche Par-
tien des spätmittelalterlichen Ideenschatzes, sti-
listisch das eine die mehr ideale Formenwelt, das
andere die Ausklänge der realen Kunstrichtung,
welcher im Kreise so viele Werke gehorchten,
mit allen Licht- und Schattenseiten und tech-
nisch eine wunderbare Höhe. Ihr der Zeit gewiss
ganz klarer Sinn ist nachgerade um so schwie-
riger zu ermitteln, als kleinere und wichtigere
Theile und an dem ältesten Bilde sogar alle
Hochreliefs des Vordergrundes verstümmelt oder
abgestossen sind. An eine Wand gelehnt ent-
rollt uns dies - Lichtdruck — auf einer 1,30m
hohen und 1,48m langen Steinfläche im schmalen
Predellafelde den Stammvater Isai; an seinen
Seiten erscheinen in den Windungen des Eichen-
baumes jedes Mal zwei Mannsbilder, wahrschein-
lich wie in den Glasfenstern zu Chartres als
Vertreter der Könige Juda’s: David, Salomon,
Roboam und Abias, alle mit unbeschriebenen
Spruchbändern, und David bevorzugt durch
Krone und Scepter, oder es sind nach einer von
Johannes Damascenus verkündeten Ansicht die
Voreltern Joachims, nämlich David und Nathan
— Levi und Joseph. Maria und die Mutter
Anna mit dem Kopftuche thronen mitten auf
einem einfüssigen Lehnsitze, jene hält das Christ-
kind, diese für dasselbe Gaben auf dem Schoosse.
Um sie als das Centrum gruppiren sich fast in
starrer Symmetrie die zahlreichen Figuren des
Bildes und zwar auf Anna’s Seite Joachim, dann
Alphäus, zu Füssen beider Maria Kleophas und
ihre Kleinen: Jacob d. J., Joseph Justus (oder
Barnabas), Simon und Juda; auf der Seite
Marias in derselben Folge Joseph mit dem
Zweige, Zebedäus, zu Füssen beider Maria

Salome und zwei Kinder: Jacob d. Aelt. und
Johannes d. Evangelist. Auf dies Bild schauen
vom Hintergründe acht auf die ganze Breite
des Bildes vertheilte Personen oder vielmehr
vier Paare: das Männerpaar hinter Anna wahr-
scheinlich deren beide ersten Männer Kleophas
und Salome, das Paar daneben im Felde der
h. Maria Anna’s Eltern Isaschar und Susanna;
dieser fehlt auch das Kind, welches den beiden
Paaren auf den äussersten Flanken zukommt.
Das eine darf man wohl für Zacharias und Eli-
sabeth (mit Johannes), das andere für Elisa-
beths Eitern Esmeria und Ephraim ansehen.
Da hiermit nahe Angehörige der Elisabeth über-
sehen wären, so erklärt man die beiden Eck-
paare vielleicht füglicher nach einer seltenem
Ueberlieferung für Anna’s Schwestern Soba und
Maria mit ihren Männern. Nach derselben
Ueberlieferung wären auch Anna’s Eltern als
Nathan und Maria umzutaufen und die Maria
Salome nicht für eine Tochter Anna’s sondern
der Schwester Maria gleichwie Elisabeth für
jene der Soba zu halten. Genug unter den
auch in Westfalen nicht unbeliebten Bildwerken
der h. Sippe hebt die Vinnenberger Steintafel
wie es scheint auch die Vorfahren und Auge-
hörigen Zacharia’s und Anna’s nach verschie-
denen Quellen so nachdrücklich hervor, wie nur
irgendwo. Die Gestalten charakterisirt eine mitt-
lere Länge, eine edle ideale Gewandung, schmale
Schultern, rundliche, bei den Frauen wohl auch
anverwandte Köpfe — auf der andern Seite-
schön gute Hände und meistentlieils die Kopf-
tracht der Zeit; es dürfte also das Werk der
Zeit des hier anbrechenden Realismus etwa von
1460 entstammen.

Die beiden andern Bildcyklen mögen einst
beim Neubau vom Nonnenchore entfernt und
dank ihrem Inhalte und Kunstwerthe aufgehoben
sein, bis man ihnen den heutigen Platz einräumte,
nämlich aussen an der Westfa9ade der Kirche,
links und rechts von der Thüre, wo sie fast
den Boden berühren, der Witterung und den
Menschenhänden blossgestellt, Vieles vom ur-
sprünglichen Schliffe und leider das Meiste von
den vorstehenden Theileu, so die Köpfe und At-
tribute der Figuren, eingebüsst haben. — Licht-
drucke. — Eingelassen sind sie nach Chrono-
 
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