DIE FRÜHEREN ZUSTANDE.
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und Lütge-Walgern zwei Kirchspielen zu, und
hatte das Warendorfer Armenhaus Siechenhorst
noch lange mit dem Stifte nähern Verband.
Die Kanoniker hatten ursprünglich wohl
eine gemeinsame Wohnung, später am Wege
nach Hoetmar Einzelhäuser, die darauf den
Vicaren oder Bürgern anfielen, hielten den
Gottesdienst auf dem Hochchore und versahen
das Pfarramt. Ihrer waren im 13. Jahrhun-
derte sicher 4, zum Theile ritterbürtige, später
bis zur Aufhebung 6, — und zwar ausser dem
Dechanten ein Pfarrer, der am Markte wohnte,
bis Ende des 16. Jahrhunderts das Pastorat
mit der Dechanei verschmolz, ein Schulrector,
welcher einst den Novizen beider Stifter und
vermutlich auch ritterbürtigen Kindern Unter-
richt ertheilte; dazu kamen die Kapläne des
Dechanten und der Aebtissin, 2 später 4 Vi-
care und der Vorsteher des Stiftshospitals —
wahrscheinlich ein Weltpriester.
Stehen auch die Kanonessen den Kanonikern
ursprünglich an Rang nach, so legte sich doch
das Schwergewicht allmählich in das Frauenstift
des h. Augustin, welches sich drei weltlich4,
später sogar ,kaiserlich4 titulirte. Die Kano-
nessen um 1620 Jungfern, dann Stiftsfräulein,
entstammten den freien Bauernhöfen, dann den
Rittersitzen; ihre Zahl belief sich anfänglich
auf 12, später je nach den Angaben auf 14 bis
15, seit der Galen’schen Blutstiftung auf 16
bis 17. Sie lebten gemeinsam, seit Ende des
11. Jahrhunderts je von Präbenden, darauf theil-
weise mit gesondertem Haushalte, seit der Gü-
tertheilung 1677 in neun Einzelwohnungen, wo-
mit das ,Stift4 um- und überbaut war, und trugen
laut päpstlicher Bulle von 1495 statt der
schwarzen weisse Kleider.
Herkunft, hohe und weitgehende Gerecht-
same umkleideten die Aebtissin mit Würde und
Ansehen; sie ging durch die Wahl aus dyna-
stischen, später aus gräflichen Familien hervor,
führte schon 1228, seitdem es vorhanden, ein
von dem des Convents verschiedenes Siegel und
verfügte als das Haupt beider Capitel über die
Stellen der Kanoniker und Nonnen, hielt durch
den Dechanten oder einen Kanonikus das ihr
um 1225 vom Domcantor bestrittene xlrchi-
diaconat- Gericht über das Kirchspiel, übte pa-
rochiale Rechte über ein Hospital und laut Ur-
kunde von 1288 über die Siechenhorster Ka-
pelle ; ihrer Collation unterstanden die Pfarr-
stellen zu Freckenhorst, Vellern und abwech-
selnd zu Westkirchen, mehrere Freckenhorster
Vicarien, so jene der h. Magdalena, der h. Maria,
des h. Kreuzes, des Täufers und Evangelisten
Johannes, gestiftet 1480 von der Kanonesse
Katharina von Herbern, jene der h. Dreifaltig-
keit, der Heiligen Maria, Anna und des h. Ma-
thias, gestiftet 1495 von Margaretha von Kers-
senbrock und jene des h. Joseph, gestiftet 1730
von Maria Katharina Pagenstecher, endlich
die Josephs-Vicarie zu Westkirchen und die
Marien-Vicarie zu Hoetmar: diese eine Emulation
des Kanonikus Cimont von 1704, jene der Aeb-
tissin Hedwig Ckristina von Korf von 1700.
Das Hospital war um 1250 zur Erquickung
der Fremden errichtet, einem Geistlichen und
anfangs gar ritterbürtigen Pflegerinnen unter-
geben, bis die Aebtissin Jutta ihm 1293 grös-
sere Einkünfte und eine corporative Existenz
verlieh. Es war 1486 bis auf das Rectorat
der Marien-Kapelle zusammengeschmolzen,
die letztere um 1758 noch in Steintrümmern
sichtbar und zwar im Norden des Ortes (extra
villam) hei den Hospitalskämpen, wo noch heute
Steinpflaster. Steinfundamente und nasse Grä-
ben von der eigenartigen Anstalt erzählen, —
Der Flurname Beghienen worth, der einst einer
Kuhweide an der Barkstrasse anklebte, deutet
vielleicht auf eine Niederlassung von Beghienen.
Zum Vollzüge ihrer Rechte und Pflichten
standen der Aebtissin zur Seite der Dechant,
die Pröpstin, Dechantin und Küsterin; mit der
geistlichen bildete die weltliche Umgebung einen
kleinen Hofstaat. Die hiesigen Dienstleute er-
stiegen seit dem 11. Jahrhundert mit jenen des
Bischofs und des Dompropstes gleichen Rang,
Ritter sassen hier nach Verhältniss in nicht
geringer Zahl und hatten in älterer Zeit die
Hauptämter des Stifts inne, so jene des Rich-
ters und zeitweise jene des Drosten, dazu gebot
die Aebtissin über einen grossen Lehenhof, ent-
schied über die Verwaltung der weithin zer-
streuten Güter und handhabte grosse Rechte
in den Marken und in Freckenhorst seihst.
Der geregelten Güterverwaltung dankt man
101
und Lütge-Walgern zwei Kirchspielen zu, und
hatte das Warendorfer Armenhaus Siechenhorst
noch lange mit dem Stifte nähern Verband.
Die Kanoniker hatten ursprünglich wohl
eine gemeinsame Wohnung, später am Wege
nach Hoetmar Einzelhäuser, die darauf den
Vicaren oder Bürgern anfielen, hielten den
Gottesdienst auf dem Hochchore und versahen
das Pfarramt. Ihrer waren im 13. Jahrhun-
derte sicher 4, zum Theile ritterbürtige, später
bis zur Aufhebung 6, — und zwar ausser dem
Dechanten ein Pfarrer, der am Markte wohnte,
bis Ende des 16. Jahrhunderts das Pastorat
mit der Dechanei verschmolz, ein Schulrector,
welcher einst den Novizen beider Stifter und
vermutlich auch ritterbürtigen Kindern Unter-
richt ertheilte; dazu kamen die Kapläne des
Dechanten und der Aebtissin, 2 später 4 Vi-
care und der Vorsteher des Stiftshospitals —
wahrscheinlich ein Weltpriester.
Stehen auch die Kanonessen den Kanonikern
ursprünglich an Rang nach, so legte sich doch
das Schwergewicht allmählich in das Frauenstift
des h. Augustin, welches sich drei weltlich4,
später sogar ,kaiserlich4 titulirte. Die Kano-
nessen um 1620 Jungfern, dann Stiftsfräulein,
entstammten den freien Bauernhöfen, dann den
Rittersitzen; ihre Zahl belief sich anfänglich
auf 12, später je nach den Angaben auf 14 bis
15, seit der Galen’schen Blutstiftung auf 16
bis 17. Sie lebten gemeinsam, seit Ende des
11. Jahrhunderts je von Präbenden, darauf theil-
weise mit gesondertem Haushalte, seit der Gü-
tertheilung 1677 in neun Einzelwohnungen, wo-
mit das ,Stift4 um- und überbaut war, und trugen
laut päpstlicher Bulle von 1495 statt der
schwarzen weisse Kleider.
Herkunft, hohe und weitgehende Gerecht-
same umkleideten die Aebtissin mit Würde und
Ansehen; sie ging durch die Wahl aus dyna-
stischen, später aus gräflichen Familien hervor,
führte schon 1228, seitdem es vorhanden, ein
von dem des Convents verschiedenes Siegel und
verfügte als das Haupt beider Capitel über die
Stellen der Kanoniker und Nonnen, hielt durch
den Dechanten oder einen Kanonikus das ihr
um 1225 vom Domcantor bestrittene xlrchi-
diaconat- Gericht über das Kirchspiel, übte pa-
rochiale Rechte über ein Hospital und laut Ur-
kunde von 1288 über die Siechenhorster Ka-
pelle ; ihrer Collation unterstanden die Pfarr-
stellen zu Freckenhorst, Vellern und abwech-
selnd zu Westkirchen, mehrere Freckenhorster
Vicarien, so jene der h. Magdalena, der h. Maria,
des h. Kreuzes, des Täufers und Evangelisten
Johannes, gestiftet 1480 von der Kanonesse
Katharina von Herbern, jene der h. Dreifaltig-
keit, der Heiligen Maria, Anna und des h. Ma-
thias, gestiftet 1495 von Margaretha von Kers-
senbrock und jene des h. Joseph, gestiftet 1730
von Maria Katharina Pagenstecher, endlich
die Josephs-Vicarie zu Westkirchen und die
Marien-Vicarie zu Hoetmar: diese eine Emulation
des Kanonikus Cimont von 1704, jene der Aeb-
tissin Hedwig Ckristina von Korf von 1700.
Das Hospital war um 1250 zur Erquickung
der Fremden errichtet, einem Geistlichen und
anfangs gar ritterbürtigen Pflegerinnen unter-
geben, bis die Aebtissin Jutta ihm 1293 grös-
sere Einkünfte und eine corporative Existenz
verlieh. Es war 1486 bis auf das Rectorat
der Marien-Kapelle zusammengeschmolzen,
die letztere um 1758 noch in Steintrümmern
sichtbar und zwar im Norden des Ortes (extra
villam) hei den Hospitalskämpen, wo noch heute
Steinpflaster. Steinfundamente und nasse Grä-
ben von der eigenartigen Anstalt erzählen, —
Der Flurname Beghienen worth, der einst einer
Kuhweide an der Barkstrasse anklebte, deutet
vielleicht auf eine Niederlassung von Beghienen.
Zum Vollzüge ihrer Rechte und Pflichten
standen der Aebtissin zur Seite der Dechant,
die Pröpstin, Dechantin und Küsterin; mit der
geistlichen bildete die weltliche Umgebung einen
kleinen Hofstaat. Die hiesigen Dienstleute er-
stiegen seit dem 11. Jahrhundert mit jenen des
Bischofs und des Dompropstes gleichen Rang,
Ritter sassen hier nach Verhältniss in nicht
geringer Zahl und hatten in älterer Zeit die
Hauptämter des Stifts inne, so jene des Rich-
ters und zeitweise jene des Drosten, dazu gebot
die Aebtissin über einen grossen Lehenhof, ent-
schied über die Verwaltung der weithin zer-
streuten Güter und handhabte grosse Rechte
in den Marken und in Freckenhorst seihst.
Der geregelten Güterverwaltung dankt man