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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1888

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https://doi.org/10.11588/diglit.7906#0101
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Wirkung die Gegenstände der beiden erwähnten Kunstge-
biete von einander scheidet, sehen wir an den vlämisch-
holländischen Arbeiten eine ganz eigenartige durchaus
charakteristische Behandlungsweise der Einzelheiten auf-
treten, welche zwar aus den: großen Küstengebiete von
Lille bis Emden und von Amsterdam bis Köln und dar-
über hinaus gelegentlich verschiedene lokale Modifikationen
aufweist und auch namentlich in den Grenzdistrikten sich der
Aufnahme theils deutscher theils französischer Motive geneigt
erweist, aber im Großen und Ganzen doch so viele ein-
heitliche und charakteristische Grundzüge erkennen läßt, daß
bei der Eharakteristik der vlämisch-holländischen
Arbeiten ein Zusammenfassen und Gruppiren
dieser Motive nicht
außer Acht gelassen
werden darf. — Eine
biebersicht über alle
jene Werke, welche
thatsächlich auf die
Einwirkung nieder-
ländischer Künstler
direkt oder indirekt
zurückgeführt werden
können, wird freilich
dadurch sehr erschwert,
daß von der Mitte
des f6. Jahrhunderts
an der Einfluß der
niederländischen
Künstler auf ganz
Deutschland, beson-
ders auf die Küsten-
gebiete, ein ganz
außerordentlicher ist
und daß die solcher-
gestalt hineingetrage-
nen Motive sich neben
der rein deutschen
weise einbürgern und
auch in die Formen-
sprache der deutschen
Kunst übergehen.

Unter den man-
nichfachen Konstruktionstheilen, welche hier in Betracht zu
ziehen sind, spielt die Flächenbehandlung des k)olz-
wcrkes eine Hauptrolle, da sie einen wesentlichen Be-
standtheil der Thüren, wände, Decken, Brüstungen, Schränken,
Truhen und anderer Gegenstände bildet. Ueberall tritt
uns in ihr das Prinzip der Bildung von Rahmen und
Füllung entgegen, wodurch eine freie Bewegung der
letzteren innerhalb der Rahmhölzer ermöglicht wird, theil-
weise noch in gothisirender Ausbildungsweise, d. h. die
Rahmhölzer einfach abgefast oder gekehlt und die Glie-
derung nicht rund herum durchgeführt, sondern die Fase
oder Kehlung durch einen Viertelkreis abgesetzt, bevor das
eine Rahmholz dem anderen begegnet, oder die Rand-
profile laufen rings herum durch, sind aber zur Ver-
meidung der Kehrungsfuge so gearbeitet, daß die Ver-
kröpfung derselben, resp. der Uebergang aus der horizontalen,
in die vertikale Führung dem einen der Rahmhölzer an-

gearbeitet ist. (S. Fig. 2 und 3.) Die Profile sind da-
bei möglichst einfach gewählt, damit sie in den Verkröpf-
ungen keine zu großen Schwierigkeiten bereiten, mit Vor-
liebe z. B. ein einfacher Viertelkreis oder ein solcher mit
Platte und Kehlung; seltener findet sich die Anwendung
der Karnieslinie. Bemerkenswertst ist die große Feinheit
und Zierlichkeit dieser Gliederungen. (Beispieles. Fig. 2 und %.)
' Die Form der Rahmenbildung ist gewöhnlich ein Recht-
eck, bei größeren Objekten auch wohl ein Rechteck mit
Halbkreisbogen als oberen Abschluß, die Füllung eine
dünne Platte, welche in der Früh-Renaissance — etwa
von \52ö bis H560 — mit trefflichem Schnitzwerk rein
ornamentaler oder figuraler Natur ausgefüllt ist, in der

späteren Renaissance
dagegen — etwa von
f600 an — weitere
geometrische Teilun-
gen zeigt, denen bis-
weilen ein Kopf, ein
V» Quader oder ein
Knauf zum Mittel-
punkte dient. Als her-
vorragende Beispiele
• der elfteren Art seien
hier die windfang-
thüre des Rathhauses
zu Audenaerde vom
Jahre \5o\, sowie
die Thüre im alten
Kanzleigebäude zu
Brügge ange-

führt, welche zu den
ausgezeichnetsten Ar-
beiten dieser Gattung
zählen und bei denen
die ganze Füllung in
gleichmäßiger Durch-


Fig. 5. vorderwand einer Tribüne aus dem Iustizxalaste zu Furnes.

Fig. f.) Aehnlich verhalten sich in die»
Füllungen am Lhorgestühl zu Dortfi
diejenigen der Lhorschranken zu Enk
letztere wohl, bei aller plastischen wi
in den Mittelpunkten der Rankenzüge ei
büscheln hervortritt, in den Ausläufer
Feinheit und Zartheit, welche schwe
kann. — Um den Rahmen der i
nicht zu überschreiten, müssen wir u
diese Gegenstände näher einzugehei
schnitzarbeiten zu den hervorragendst
Gebiete überhaupt gehören und i
besten Leistungen der italienischen j
zu scheuen brauchen. Die Niederlan«
an trefflichen Arbeiten der Früh-Ren«
seien hier noch erwähnt: die Schr
in der Gertrudenkirche zu Löwen,
 
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