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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1890

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Heft 11/12
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Gmelin, L.: Die Mittelalterliche Goldschmiedekunst in den Abruzzen, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.6755#0074
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ermittelt werden; daß diese Marke, welche mit Marke (
auftritt, als eine Abkürzung von Villa (7) zu lesen leuchtet
mir so wenig ein, wie die Annahme eines Meisterzeichens
aus dieser Zeit. Das einzige Stück, an welchem sie von
Prof. Rosenberg zusammen mit Marke ( angetrofsen wurde
(Nr. 3), ist jetzt in seine Theile zerlegt und der zur Zeit bei
Antiquar Brauer-Paris ausfindig gemachte Rest (der mittlere
Theil der Vorderseite) trägt nur die Marke 3. — Andere
Marken als das Beschauzeichen sind bis jetzt an den Sol-
moneser Arbeiten kaum bemerkt worden; aus einem ein-
zigen Areuz (Nr. (st) sollen die Buchstaben O. N. S. Vor-
kommen.

Nachdem der Goldschmied Paulus ((-(37) damit be-
traut worden war, sämmtliche im ganzen Aönigreich Neapel
gesertigten Silbergegenstände zu prüfen und abzustempeln
(s. 5. (5), so wäre zu untersuchen, ob sich keine Stücke
aus jener Zeit finden lasten, welche seinen bis jetzt aller-
dings nicht näher bekannten Stempel — zeigen, vielleicht
neben dem Beschauzeichen Solmonas; da die späteren
Arbeiten dieser Stadt sicher nach (-(37 entstanden sind, so
erscheint es fraglich, ob jener Beschluß des Aönigs Ferdinand
streng durchgeführt worden ist — was allerdings bei den
damaligen Verkehrsverhältnissen mit Schwierigkeiten ver-
knüpft gewesen wäre.

Die im Folgenden versuchte Entwickelungsge-
schichte der Goldschmiedekunst Solmonas kann
natürlich auf keine absolute Genauigkeit Anspruch machen,
da das mir durch eigene Anschauung oder durch Ab-
bildungen und Beschreibungen bekannt gewordene Material
an Zahl zu gering ist im Vergleich zu dem noch weiter
anzuführenden Rest, welcher voraussichtlich bei fortgesetzter
lokaler Forschung noch beträchtlich anwachsen wird. Die
ältesten bekannten Arbeiten sind Ar uzifixe und zwar
speziell Vortrag- und Altarkreuze; dann folgen verschiedene
Airchengeräthe — Reiche, Patenen, Reliquiarien u. A.
Da nur zwei Stücke (Nr. ^ und st) datirt sind, so ist man
zur Beurtheilung des Alters und der Aufeinanderfolge
lediglich auf künstlerisch-technische, bei den Aruzifixen
auch auf ikonographische Merkmale angewiesen; dabei
ist zu beachten, daß in den Abbruzzen ältere Typen —
wie auch aus der Architektur der Stadt hervorgeht —
lange Zeit weitergeschleppt wurden, daß also manchmal
ältere dekorative und andere Formen noch in späterer Zeit
Vorkommen. Gin Vergleich der Schriftsormen aus der
patena (S. (5) mit dem Mittelbild derselben, welche doch
gleichzeitig sind, aber ebensogut (50 Jahre weit auseinander
liegen könnte — bestätigt dieß zur Genüge.

Die Solmoneser Aruzifixe sind keine Reliquienbehälter;st
sie gehören alle zu der Gattung der sogenannten histori-
schen Areuze: d. h. sie besitzen auf ihren Seiten figür-
liche, auf den Gekreuzigten bezügliche Darstellungen; dazu
werden außer der Mitte insbesondere die Gnden der Areuz-
balken benützt. Der Aruzifixus auf der Vorderseite ist in
der Regel umgeben von heiligen, zu seiner Rechten Maria,
zur Linken Johannes — über ihm ein den Erlöser krönen-
der (oder auch ein anderer) Gngel — unter ihm ein Hinweis
auf Adam in Gestalt einer zusammengekauerten Figur
(s. Nr. ( auf S. (35) oder eines Todtenkopfs; —- auf

st Nur das Lmailkreuz in S. Annunziata besitzt eine Reliquie.

einem Areuz aus späterer Zeit (Nr. (6) soll eine klagende
Magdalena vorkomnien. st — Die Rückseite enthält stets
in der Mitte den segnenden oder lehrenden EhristusZ) um-
geben von den Evangelistensymbolen, an deren Stelle später
Darstellungen der Evangelisten selber treten. Die zwischen
den Areuz-Enden und der Mittelfigur übrig gebliebenen
Flächen enthalten nicht selten Medaillons von heiligen und
Propheten (7).

Um die kunstgeschichtliche Stellung dieser Vor-
tragkreuze näher zu kennzeichnen, ist es nothwendig, die
Darstellungen des Gekreuzigten selbst etwas näher
anzusehen. Da ergibt sich denn sofort, daß die ältern
Solmoneser Vortragkreuze aus der Zeit stammen, als man
mit der Wiederaufnahme des byzantinischen Typus des
Gekreuzigten anfing, in der Haltung des Erlösers mehr
den Schmerz und das Leiden zum Ausdruck zu bringen;
man verließ den idealen, schmerzlosen Tharakter und erstrebte
eine größere Realistik. Vom Zahr (220 an verschwand
allmälig der abendländische Typus, an dessen Stelle man
schon in den Werken des Nicola, und Giunta di Pisa den
mehr byzantinischen Typus auftreten sieht?) Von letzterem
wurden beibehalten die leichte Neigung des stets mit dem
Areuz-Nimbus unigebenen Hauptes, die geringe Beugung
der Arme, das in der Mitte geknotete und vom Nabel
bis fast zu den Anisen reichende Lendentuch, die gekrümmte
Haltung des Rumpfes, während namentlich die Stellung
der Füße durch den Wegfall des Trittbrettes (Suppedaneum)
eine wesentlich andere wurde: man begann, die Füße
übereinandergenagelt darzustellen, um damit den
Grad des Leidens noch zu erhöhen?)

Zn diese Zeit der Aufnahme eines neuen Typus gehört
eines der ältesten Areuze Solmona's (Nr. (, Abb. S. (35),
welchem noch drei ähnliche — vermuthlich gleicher Herkunft
aber ohne Stempel.— zur Seite stehen, von welchen mir
nur Photographien ohne nähere Angabe bekannt geworden
sind;5) die Stellung der Füße ist nämlich derart, daß die-
selben zwar noch nebeneinander, aber doch schon mit

*) Bindi, Mon. S, 896.

st Die sonst hier angebrachte symbolische Figur des Lammes
(vgl. Stockbauer, Kunstgeschichte des Kreuzes, S. 263) kommt bei
keinem mir bekannt gewordenen Kreuz in den Abbruzzen vor; bei
dem Lmailkreuz (Nr. ;2a) ist das Lamm über dem Kruzifixus angebracht.

st Stockbaner a. a. D. S. 2?^ ff. — Rohault de Fleury, les
monuments de Pise.

st Zu den ältesten Darstellungen des Gekreuzigten mit drei
Nägeln gehören einige Miniaturen aus dem Jahre ;202 im böhmischen
Museum zu Prag (Bonner Jahrbücher XLIX S. 2; 7). Lin in einem
Miffale gemalter Krnzisixus um ;;80, welcher noch das Trittbrett,
aber doch schon die Füße übereinander genagelt zeigt, (publ. v. G.
Schöncrmark in der Zeitschrift für christliche Kunst, zsgo, S. Z2; ff.)
bezeichnet gewissermaßen einen Uebergang zwischen den beiden Typen,
— vielleicht auch ein dem XII. Jahrhundert zugeschricbcner Kruzifixus
von Kupfer (Anaales archeol. III 357), roo die Füße nebeneinander un-
befestigt auf dem Trittbrett stehen, welches selbst durch einen Nagel
gehalten wird (Bonner Jahrbücher XLIX S. 230). Uebrigens kommt
die Parallelstellnng noch später hin und wieder vor, z. B. auf einer
Glocke von ;Z8; (G. Schönermark, Zeitschr. für djriftl. Kunst ;8go,

S. ;9?) und dann au der ans der zweiten kjälfte des XV. Iahrh.
stammenden Kanzel des Straßburger Münsters (Kamee & Asselineaux,
meubles religieux et civiles, Taf. 26) und an einem Schloßblech aus
der gleichen Zeit (ebenda, Taf. 3;) — allerdings beide Mal ohne
Trittbrett.

st Prof. Rofeuberg hat dieselben dem Solmona-Material als
verwandte Arbeiten beigelegt.
 
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