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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1894

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Heft 2
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Krell, Paul F.: Die Papiertapete: das Wesen der Papiertapete [und] aus der Geschichte der Papiertapete [und] die Tapetenindustrie in unserer Zeit
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ÄMtMtc.


von Prof. vr. p. F. Krell, München.

I. Das Wesen der Paxiertaxete.

er Hauptzweck der Papiertapete besteht in der
Dekorirung von Wandflächen; als ganz
untergeordneter Nebenzweck fommt in Betracht
die Anbringung einer Verkleidung zunr Schutze
der Wand und zu größerer Warmhaltung des betreffenden
Rauines. Der Pauptwerth einer Tapete wird demnach durch
ihre Erscheinung bedingt, d. h. durch das Muster, in Ver-
bindung mit seinem Tolorit.

Für den weitaus häufigsten Fall der Dekorirung einer
wand, welche an beliebigen Stellen durch Möbel theilweise
soll verdeckt werden können, ist eine gleichmässige Ueber-
spinnung oder Uebersäung mit dekorativen Details stilistisches
Bedingniß. Diese dekorativen Details, welche aus Gründen
der Technik der Tapetenfabrikation sich oftmals wiederholen
müssen, können streng und einfach sein, oder bewegter, freier
und mannigfaltig in ihrer Gestaltung, sowie von einenr nu-
ancenreichen Tolorit; sie dürfen dabei aber über die Grenzen
des Flachornamentes nicht hinausgehen.

von der Musterung einer Tapete wird sodann eines-
theils beansprucht, daß das Aneinanderschließen der Wieder-
holungen des dekorativen Grundelementes, des Rapports,
in unauffälliger Weise stattsinde, und es wird ferner verlangt,
daß keine Streifungen entstehen, welche die übersponnene
Fläche (unbeabsichtigter Weise) in Felder zerlegen. Andern-
thcils soll das Muster so viel künstlerischen Reiz besitzen,
daß seine oftmalige Wiederholung nicht den Eindruck der
Monotonie hervorbringe, daß es vielmehr gerade durch die
Vervielfältigung erst recht zur Geltung gelange?)

Weitere spezielle Anforderungen in Bezug auf das Aus-
sehen einer Tapete stellt das Lokal, für welches dieselbe
zu dienen hat. Die Größe des Lokals und die Art seiner
Beleuchtung bedingt den Maßstab der dekorativen Details
und, wenn auch nicht ausschließlich, die Intensität, resp.
den pelligkeitsgrad des Tolorits. Es handelt sich sodann
um die Bestimmung der betreffenden Lokalität.

Wir wollen in Nachstehendem versuchen, die Paupt-
räume einer Wohnung bezüglich der, für sie geeigneten
Tapetenausstattung zu charakterisiren:

Für den vorflur, das Treppenhaus und die
Torridore sind im allgemeinen Helle Tapeten angezeigt.
Die Muster sind verhältnißmäßig einfach zu halten; dazu
sind Formen von ziemlich strenger Stilisirung zu wählen,

st Der Rapport hat bei ff and druck eine Breite von 47 cm
und eine Länge von 50—70 cm, bei Maschinendruck eine Breite
von 4" cm und eine Länge 20—65 cm. Bei den Tapeten-Borten
geht man von 3 50 cm, oder, wie der technische Ausdruck lautet,
man geht in der Breite von ;6 Band bis zu einem Band, d. h.
bei den schmälsten Borten werden \6 nebeneinander gelegte Streifen
auf einmal bedruckt. *)

dieselben müssen so zu sagen, einigermaßen architektonisirt
seiit. Man bedient sich daher zu diesem Zweck der „ab-
gesetzten Motive", der sogenannten »bleurons«, zum Theil
iil Verbindung mit querstreifigen Zeichnungen.

Für Wohnzimmer eignen sich Muster, in welchen
eine gemüthliche heitere Stimmung sich ausspricht. Das
dauernde Behagen, zu welchem die Erscheinung dieser wand-
bekleidung beitragen soll, schließt auffällige oder gar extra-
vagante Bildutigen aus. Ein gewisse Solidität ohne Schwer-
fälligkeit, eine augenersreuende Anmuth ohne Wirkung der
Erregung hat uils das Gehäuse, welches uils schützend um-
schließt, zu einer lieben Heimstätte zu machen.

;. Tapete für Speise- und Rauchzimmer.

Japanische Arbeit. Nachahmung von Lederpressung.

Für das sog. bessere Ziinmer, den Salon, ergibt sich
aus dessen Bestimmung als Raum, in welchem die Gäste
empfangen werden, worin die Gesellschaften uild die Feste
der Familie stattfinden, daß die Ausstattung einen gewissen
Reichthum der Repräsentanz zu entfalten habe, damit sie
einen hinreichend glänzenden Rahinen und Hintergrund für
die festlich geputzten Personen, welche darin verkehren, ab-
zugeben vermöge. Das Reiche, das Glänzende, das Auf-
fallende ist hier am Platz, so z. B. jene Muster, welche im
Effekt sich den Seidendamasten nähern, sodann Velourstapeten,
Tapeten in der Art des gepreßten Leders oder Helle Gold-
tapeten mit bunten Einflechtungen.

*) Zur Abfassung dieser Abhandlung wurden mehrere Artikel der „Tapetenzeitung", heransgegeben von Al. Roch in Darmstadt
benützt, so namentlich jener von ffugo Rovack, „Die Tapete" in Jahrgang ;888 Nr. ; — 3. Line Reihe von Angaben verdankt der Verfasser
sodann der gütigen Mittheilung eines Fachmannes, des fferrn Malers A. ff ochst ätter in München. Die Abbildungen zu diesem Aufsatz sind
von Meisenbach, Riffarth & Tie. nach Tapeten ans den Geschäften von Frz. Fischer 6c Sohn (;, 3, 4, 5, 6) und Theod. Gaebler (2, 7, 8)
in München hergestellt.
 
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