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Frimmel, Theodor von [Hrsg.]
Blätter für Gemäldekunde — 2.1906

DOI Heft:
Heft 8
DOI Artikel:
Bilder von seltenen Meistern in der Sammlung Mallmann zu Blaschkow, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.27899#0175
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Blätter für Gehäldekuhde

ZU BEZIEHEN DURCH
DIE BUCHHANDLUNG
GEROLD & Co., WIEN,
I. STEPHANSPLATZ 8.

VON

Dr. TH. V. FR IMM EL

- ZUSCHRIFTEN AN -
DEN HERAUSGEBER ZU
RICHTEN NACH WIEN,
IV. SCHLÜSSELGASSE 3.

II. Band. ZWEITES WINTERHEFT 1906. Heft 8.

BILDER VON SELTENEN MEISTERN IN DER SAMM-
LUNG MALLMANN ZU BLASCHKOW.

Würde es sich in der Kunstwissenschaft nur um das ästhetisch Höchste
handeln, so bliebe diese Disziplin auf die unzweifelhaft bestimmbaren besten
Werke der Künstler ersten Ranges beschränkt. „Ästhetisch“ in dem Sinne des
Wohlgefallens oder Mißfallens wäre freilich einer unendlichen, unfaßbaren Ab-
wandlung fähig; nähme man aber das „Höchste“ in einem mehr festen, rein
künstlerischen Sinne, so bliebe bald nur eine Reihe von verhältnismäßig wenigen
Kunstwerken übrig, die in jeder erdenklichen Beziehung von einem reifen Urteil
als vorzüglich erklärt werden könnten. Das subjektive Belieben wäre dann nahezu
gänzlich unterdrückt. Nun greift aber in alle Angelegenheiten der Kunst fast in
gleichem Maße wie in die Fragen des Lebens der Geschmack des Einzelnen gar
mächtig ein, und es ist eine hohe Wette zu gewinnen, daß beim ewigen Wieder^
käuen der „höchsten“ Meisterwerke nahezu alle beteiligten früher oder später von
einer merklichen Langweile, ja sogar von Widerwillen befallen würden. Zur Zeit
des Raffaeljubiläums 1883 hörte man klagen: Um Himmelswillen, nur keine Belle
jardiniere, keine Madonna im Grünen mehr. Die „Meisterwerke“ der Galerie in
x oder y sind auch gewöhnlich schon so oft abgeleiert, so oft vertintet, so oft
literarisch abgekocht worden, daß man sich nicht ohne Behagen den Veröffent-
lichungen zuwendet, in denen über das ABC des seligen Lübke mit Tatkraft
hinausgeschritten wird. Die angeblich so weise Beschränkung auf das Beste vom
Besten müßte rasch zu einer Erstarrung des Faches führen, die in weiten Strecken
auch schon eingetreten ist. Wir leiden alle unter diesen Zuständen, die weder
den Geschmack dauernd befriedigen können, noch der Wissenschaft dienen. Eine
unglaubliche Verflachung stellt sich ein. Aus dem Gekräusel sanfter Wellen der
Oberflächlichkeit ragen aber noch Inseln ehrlicher Forscherarbeit heraus, auf denen
ebenso eine feinere Erkenntnis der großen Meister, wie ein kritisches Studium
der kleinen gepflegt wird. Man sucht nach entwicklungsgeschichtlichen Zusammen-
hängen. Dabei zeigt es sich, daß die künstlerischen Vorfahren der großen nicht
selten recht kleine Meister gewesen. Auch beim Studium der Ausbreitung großer
Kunstbewegungen trifft man allewege auf Werke, die kleineren, ja ganz kleinen
Künstlern ihr Dasein verdanken. Die großen Linien der Kunstgeschichte
werden durch das Leben und Schaffen der kräftigsten Talente be-
stimmt.*) Daß wir unseren Geschmack an den Werkender Großen zu bilden haben,

*) So leitete ich 1900 meine Reihe „Bilder von seltenen Meistern“ ein in H. Helbings
„Monatsberichten über Kunstwissenschaft und Kunsthandel“ Heft I.
 
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