Nr. 2
BLÄTTER FÜR GEMÄLDEKUNDE.
37
Besitzerreihe, die bis ins 18. Jahrhundert
zurück reicht, verhältnismäßig rasch zu-
sammen. Es handelt sich um ein vor-
zügliches italienisches Bild, das bis in
die neueste Zeit als Werk des Michel-
Angelo (Merisi) da Caravaggio ge-
golten hat und das immerhin in der
Behandlung der Karnation und Stoffe
genug Analogien mit sicheren Werken
des genannten Malers erkennen läßt, um
den Namen beizubehalten, auch wenn
ich ihn nicht als felsenfest hinstellen
will. Die nächste Verwandtschaft ist die
mit den Figuren im äußersten Vorder-
grund der Rosenkranzmadonna in Wien.
Holländische Nachtreter des Caravaggio
sind in diesem Falle gewiß ausge-
schlossen. Le Valentin ist auch nicht
der Autor des Bildes. Es ist nicht von
B. Manfredi, scheint nicht von Manetti,
Caroselli zu sein, hat mit Saiaceni nichts
zu tun. Aber die Auflösung der ganzen
Gruppe von Malern, die durch Cara-
vaggio beeinflußt worden sind, gehört
heute jedenfalls noch zu den ungelösten
Aufgaben der Kunstgeschichte, so daß
ich vorläufig bei der alten Benennung
verbleibe. Daß es eher in die letzte, als
in die erste Schaffenszeit des Künstlers
gehören müßte, ist klar. Bis gegen 1795
sind die Wanderungen des Bildes noch
nicht bekannt. In dem genannten Jahre
aber ist das kühn, flüssig und breit be-
handelte Gemälde schon geschabt wor-
den und zwar als Bestandteil der Wiener
Sammlung Hunczovsky. Auf dem
Schabkunstblatte steht: „Gemalt von
Mich. Angelo da Caravaggio — gescha-
hen ,[sic!]‘ von Joh. Leon inWien 1795“.
„Das Urbild befindet sich in der Bilder-
sammlung des Herrn Professor Hun-
czovsky.“ Der genannte angesehene Arzt
und Schriftsteller auf medizinischem Ge-
biete war zum Teil Mäzen, zum Teil
Sammler. Den Maler Füger hat er be-
schäftigt, Bilder von Grassi befanden
sich in seinem Besitz, aus dem er neben
dem Caravaggio auch andere Bilder in
Schabkunst hat nachbilden lassen,
z. B. sein von Füger gemaltes Bildnis
durch Wrenk im Jahre 1792 und durch
J. F. Clerck einen Balestra.*) Das vor-
liegende Bild von Caravaggio dürfte
aus Hunczovskys Besitz sogleich, oder
nach einem Zwischenbesitzer an den
Fürsten Esterhazy gelangt sein. Es
steht schon 1812 im Jos. Fischerschen
Katalog unzweideutig beschrieben: „Eine
Mannsperson mit einer Flöte und ein
Frauenzimmer mit einem Tamburin.
Halbe Figuren in Lebensgröße. Auf
Leinwand 3 Schuh 2 Zoll hoch, 2 Schuh
4 Zoll breit“ (S. 90). Als Malername
galt Caravaggio. Im Katalog der Ester-
hazy-Galerie von 1815 (S. 77) kommt
das Bild ebenfalls vor, und noch das
Rothmüllersche (undatierte) Verzeichnis
kennt es (S. 62). 1854 wird es bei A.
v. Perger in den Kunstschätzen Wiens
(S. 19) als Bestandteil der Esterhazy-
Galerie erwähnt. Es ist kein Geheimnis,
daß unter dem Galerieinspektor Al. pf
nicht wenige Bilder aus der Esterhazy-
Galerie verschwunden sind. Der Cara-
vaggio war jedenfalls unter dieser ver-
duftenden Masse. Einige Jahrzehnte
hindurch blieb das Gemälde verschollen,
bis es am 7. April 1884 in Wien bei
einer G. Posonyischen Auktion wieder
hervorkommt. Um 1900 sah ich es beim
Wiener Maler und Restaurator Wild-
hack. G. Rath in Budapest soll es vor-
her besessen haben. Es wurde bei Ge-
legenheit der Versteigerung der Ge-
mälde aus Widerhofers Nachlaß 1902
durch Hirschler in Wien feilgeboten.
Dann erscheint es wieder auf der Ver-
steigerung, die am 6. November 1908
*) Hiezu unter anderen Frimmel: Ge-
schichte der Wiener Gemäldesammlungen,
III. Kapitel, S. 185 f. Über die ärztliche und
schriftstellerische Tätigkeit Hunczovskys er-
fährt man das meiste aus Abate Andres:
„Lettera sulla letteratura di Vienna" (Wien
1795, S. 142 f.). Andere Literatur genannt in
C. v. Wurzbachs und in Gurlt & Hirschs Bio-
graphischen Lexika.
BLÄTTER FÜR GEMÄLDEKUNDE.
37
Besitzerreihe, die bis ins 18. Jahrhundert
zurück reicht, verhältnismäßig rasch zu-
sammen. Es handelt sich um ein vor-
zügliches italienisches Bild, das bis in
die neueste Zeit als Werk des Michel-
Angelo (Merisi) da Caravaggio ge-
golten hat und das immerhin in der
Behandlung der Karnation und Stoffe
genug Analogien mit sicheren Werken
des genannten Malers erkennen läßt, um
den Namen beizubehalten, auch wenn
ich ihn nicht als felsenfest hinstellen
will. Die nächste Verwandtschaft ist die
mit den Figuren im äußersten Vorder-
grund der Rosenkranzmadonna in Wien.
Holländische Nachtreter des Caravaggio
sind in diesem Falle gewiß ausge-
schlossen. Le Valentin ist auch nicht
der Autor des Bildes. Es ist nicht von
B. Manfredi, scheint nicht von Manetti,
Caroselli zu sein, hat mit Saiaceni nichts
zu tun. Aber die Auflösung der ganzen
Gruppe von Malern, die durch Cara-
vaggio beeinflußt worden sind, gehört
heute jedenfalls noch zu den ungelösten
Aufgaben der Kunstgeschichte, so daß
ich vorläufig bei der alten Benennung
verbleibe. Daß es eher in die letzte, als
in die erste Schaffenszeit des Künstlers
gehören müßte, ist klar. Bis gegen 1795
sind die Wanderungen des Bildes noch
nicht bekannt. In dem genannten Jahre
aber ist das kühn, flüssig und breit be-
handelte Gemälde schon geschabt wor-
den und zwar als Bestandteil der Wiener
Sammlung Hunczovsky. Auf dem
Schabkunstblatte steht: „Gemalt von
Mich. Angelo da Caravaggio — gescha-
hen ,[sic!]‘ von Joh. Leon inWien 1795“.
„Das Urbild befindet sich in der Bilder-
sammlung des Herrn Professor Hun-
czovsky.“ Der genannte angesehene Arzt
und Schriftsteller auf medizinischem Ge-
biete war zum Teil Mäzen, zum Teil
Sammler. Den Maler Füger hat er be-
schäftigt, Bilder von Grassi befanden
sich in seinem Besitz, aus dem er neben
dem Caravaggio auch andere Bilder in
Schabkunst hat nachbilden lassen,
z. B. sein von Füger gemaltes Bildnis
durch Wrenk im Jahre 1792 und durch
J. F. Clerck einen Balestra.*) Das vor-
liegende Bild von Caravaggio dürfte
aus Hunczovskys Besitz sogleich, oder
nach einem Zwischenbesitzer an den
Fürsten Esterhazy gelangt sein. Es
steht schon 1812 im Jos. Fischerschen
Katalog unzweideutig beschrieben: „Eine
Mannsperson mit einer Flöte und ein
Frauenzimmer mit einem Tamburin.
Halbe Figuren in Lebensgröße. Auf
Leinwand 3 Schuh 2 Zoll hoch, 2 Schuh
4 Zoll breit“ (S. 90). Als Malername
galt Caravaggio. Im Katalog der Ester-
hazy-Galerie von 1815 (S. 77) kommt
das Bild ebenfalls vor, und noch das
Rothmüllersche (undatierte) Verzeichnis
kennt es (S. 62). 1854 wird es bei A.
v. Perger in den Kunstschätzen Wiens
(S. 19) als Bestandteil der Esterhazy-
Galerie erwähnt. Es ist kein Geheimnis,
daß unter dem Galerieinspektor Al. pf
nicht wenige Bilder aus der Esterhazy-
Galerie verschwunden sind. Der Cara-
vaggio war jedenfalls unter dieser ver-
duftenden Masse. Einige Jahrzehnte
hindurch blieb das Gemälde verschollen,
bis es am 7. April 1884 in Wien bei
einer G. Posonyischen Auktion wieder
hervorkommt. Um 1900 sah ich es beim
Wiener Maler und Restaurator Wild-
hack. G. Rath in Budapest soll es vor-
her besessen haben. Es wurde bei Ge-
legenheit der Versteigerung der Ge-
mälde aus Widerhofers Nachlaß 1902
durch Hirschler in Wien feilgeboten.
Dann erscheint es wieder auf der Ver-
steigerung, die am 6. November 1908
*) Hiezu unter anderen Frimmel: Ge-
schichte der Wiener Gemäldesammlungen,
III. Kapitel, S. 185 f. Über die ärztliche und
schriftstellerische Tätigkeit Hunczovskys er-
fährt man das meiste aus Abate Andres:
„Lettera sulla letteratura di Vienna" (Wien
1795, S. 142 f.). Andere Literatur genannt in
C. v. Wurzbachs und in Gurlt & Hirschs Bio-
graphischen Lexika.