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Bulletin de la Société pour la Conservation des Monuments Historiques d'Alsace — 2.Sér. 19.1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.24725#0526

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und Neufassung einer kleinen Glasscheibe aus dem Besitz derselben
Gemeinde, wahrscheinlich ehemals Eigenthum der langst in Trümmern
liegenden Abtei Niedermünster im Elsass. In der zu Anfang der Renais-
sance allgemein üblich gewordenen Weise umrahmt von Pilastern und
Rankenwerk, enthâlt die Glastafel eine Darstellung der Lokallegende
jener Abteikirche, ein Kameel, das eine Glocke um den Hais gehàngt,
Biicher und ein grosses Crucifix über Feld tragt. Die Abtei besass namlich
eine kostbar gefasste Partikel vom heiligen Kreuz, von welcher die
Legende Folgendes erzàhlt: Ein Graf Hugo, der sie im heiligen Lande
erworben, habe sie einem Kameel aufgeladen, da er sich nicbt getraute,
einen so heiligen Schatz selbst bei sich zu tragen, und das Thier sei ohne
Fübrer durch weite Lânder bis zur Abtei Niedermünster gekommen, wo
es Einlass begehrte. Als Herr Merzweiler, der den künstlerischen Werth
der Tafel mit ihrer eigenartigen Darstellung und ihrer hübschen, echt
Baldung’scben Umrahmung erkannte, mir die genaue Prüfung derselben
gestattet hatte, war es nicht schwer festzustellen, dass die Zeichnung auf
einen Entwurf Hans Baldung’s zurückgeht, der sich in Coburg befindet
und keinen Zvveifel an seiner Echtheit aufkommen làsst, da Meister Hans
selbst sein Monogramm und den Namen der Bestellerin darauf vermerkte;
nur die Umrahmung ist im Entwurf abgeschnitten. Was die Entstehungs-
zeit des Bildes, das übrigens als werthvolles Kunstwerk schon in F. X.
Ivraus’ Kunsttopographie von Elsass-Lothringen genannt wird, genauer
zu bestimmen gestattet, ist der Name der Aebtissin, die am unteren Rande
der Scheibe als Stifterin angegeben ist. Julia Ursula Treubel namlich,
für welche Baldung die Zeichnung antertigte, hat die Ausführung des
Glasgemàldes nicht mehr erlebt, denn auf diesem bezeichnet sich als
Spenderin ihre Nachfolgerin im Amte, Rosina zum Stein, und an Stelle
des Treubefschen steht jetzt ihr Wappenschild. Da nun der Amtsantritt
der letzten Aebtissin von Niedermünster bei Oberehnheim anno 1514 er-
folgte, so muss die Coburger Zeichnung sich vorher, das Glasgemâlde
wohl bald darauf, also beide vermuthlich wàhrend Baldung’s Freiburger
Aufenthalt entstanden sein. Ausser den berühmten Fenstergemàlden im
Münsterchor kannte man bisher keine derartigen Arbeiten des Meisters,
obwohl langst feststeht, dass gerade seine und Holbein’s Betbàtigung die
Glasmalerei am Oberrhein zu so hoher künstlerischer Vollendung und
Berühmtheit gebracht haben. Das intéressante Kunstwerk ist im Atelier
des Herrn Merzweiler noch einige Zeit zur Besichtigung aufgestellt.

{Freiburger Tagblatt, 29. April 1897.) Dr. K. Schæfer.
 
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