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Bock, Franz; Willemsen, M.
Die mittelalterlichen Kunst- und Reliquienschätze zu Maestricht: aufbewahrt in den ehemaligen Stiftskirchen des h. Servatius und Unserer Lieben Frau daselbst — Köln [u.a.], 1872

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https://doi.org/10.11588/diglit.26787#0180
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Gürtei der alierseiigsten Jungfra.u.

stoHJichen Reiiquie mit einer dünnen hornartigen Masse
bedeckt ist, zwei ornamentale Blumen in den Formen der Spät-
gothik, welche zur Andeutung der Staubfäden in der Mitte mit
einem anscheinend griinen Glashuss in charakteristischer Fassung
verziert sind. Wir iassen hier die Untersuchung dahingesteilt
sein, ob nicht irn Laufe dieses Jahrhunderts die durchsichtige
Folie zum Schutze der Reliquie hinzugefügt worden ist, oder ob
das Reliquiar ehemals nicht mit dünnen Krystallstücken ver-
schlossen war. Schliesslich, was den Ursprung unseres Reli-
quiars mit seinen Mauerkronen und Kämmen betrifft, so fällt es
in die Augen, dass dasselbe in seiner Anlage und ornamentalen
Ausführung oifenhar für eine Entstehungszeit in der letzten
Hälfte des XV. Jahrhunderts Zeugniss ablegt. Die statuarische
Ausstattung der beiden Kopftheile indessen scheint der älteren,
Schule der Maestrichter Goldschmiede-Innung aus dem Schlusse
des XIV. Jahrhunderts anzugehören.

Nach dieser kurzen Besprechung der wenigen Ueberreste des
ehemals so reichhaltigen Schatzes der Liebfrauenkirche möge hier
ein merkwürdiges Gewandstück mit wenigen Worten noch erwähnt
werden, das sich unter den vielen stoiflichen Seltenheiten der
gedachten Kirche noch erhalten hat. Es ist dies die sogenannte
Dahnatik des h. Lambertus. Sowohl der Schnitt als insbeson-
dere auch das Gewebe und dessen Musterung scheint der alten
Maestrichter Tradition zur Stütze zu dienen und dafür Zeugniss
abzulegen, dass das Gewand wirkiich aus den Tagen des grossen
Bischofs herrühre. Der Stolf selbst nämlich ist eine Art von ge-
mustertem Byssus, wie er sich in dieser Weise an keinem zweiten
Ornat im christlichen Abendland vorßnden diirfte. Die viereckigen
Musterungen zeigen, dass die Dahnatik zu den
gehört, von denen Anastasius Bibliothecarius an vielen Stellen
spricht. Es würde von Interesse sein, wenn dieses merkwürdige
Gewandstück einer genaueren Vergleichung mit den gemusterten
Byssusgeweben zwischen dcn Pergament-Blättern von alten Evan-
gelistarien zu Autun und zu Puis le Döme unterzogen und publicirt
wiirde. Vielleicht dürfte es später gelingen, in einer besondern
Monographie den reichhaltigen Schatz von mittelalterlichen ge-
musterten Seidengeweben, aufbewahrt in der St. Servatius- und
der Liebfrauenkirche zu Maestricht, der archäologischen Wissen-
scliaft zugänglich zu machen.
 
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