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Bock, Franz
Die Werke des Mathias Grünewald — Studien zur deutschen Kunstgeschichte, Heft 54: Straßburg, 1904

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https://doi.org/10.11588/diglit.21965#0093
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— 77 —

Rot die herrsehende Note. Daß Grünewald auch gelegentlieh,
wenn es grade charakteristisch, wie ein Niederländer stilleben-
artiges Beiwerk malen kann, zeigt er hier: Bücher, eine Sand-
uhr, ein Vogelbauer, Kannen auf einem Bord, ein Christusbild,
Briefe, ein Täfelchen an der Wand. Zwei silbergraue Säulen
fassen die dunkle Korbbogenrahmung des hochgelegenen Fensters
ein. Durch dies sieht man hinaus (tatsächlich hinauf bei hohem
Horizont) in eine lichtschimmernde Landschaft. Sie ist ein
Meisterstück in der malerischen Konzeption. Unter mächtigen
Bäumen (durch den Fensterrahmen abgeschnitten) kasteit sich
in leidenschaftlicher Bewegung der Büßer: zwei Farbflecken,
Weißbläulich und Rot gegen den Lichtschimmer auf dem Boden,
hinten in zartem Dämmer eine färbige Kirche gegen Goldgrund.
Von hier zum Madonnenbilde des Isenheimer Altars ist nur
noch ein Schritt.

Nicht so bedeutend sind, wie ja sehr häutig, die Auße n-AuücnHüRel-
f 1 ü g e 1 (Taf. XXV), auf schmaler Bühne vier einzelne
Heilige (je zwei übereinander), vor blauem Grund mit golde-
nen Sternen, jedes in einer goldenen architektonischen Rah-
mung, innen ein Rundbogen von Astwerk, außen (nur oben)
rechteckiges Stabwerk. Es sind zwrei männliche und zwei
weibliche Heilige, links oben Martin, unten Katharina, rechts
oben Sebastian, unten Margarete. Alle vier haben Scheiben-
nimben mit gekerbtem Rand, wie die Nürnberger Holzschnitte.
Auch hier die Freude an malerisch prächtigem Kostüm, beson-
ders im Ornat des Martin, das seidenweiche lange Frauenhaar,
ausdrucksvolle und ganz persönliche Typen (die Frauen mit
kleinen, blinzelnden Augen), bei ruhiger Haltung doch innerlich
erregt; der Akkord Rot, Gold, Weiß, charakteristisch der Gegen-
satz in den Mänteln der Frauen: Katharina rot mit grünem
Futter, Margarete umgekehrt, dieser allein stärker belichtet,
nach Gelb gebrochen, dasselbe zart rosige Inkarnat wie auf
den Innenbildern. Prachtvoll ist der Drache der Margarete.
Kein Spanier kann mit mehr Devociön zur Imaculata aufblicken,
als dieses Tier mit großen Augen zu seiner Ueberwinderin;
und der Schwanz ringelt sich zu einem großen Fastenbretzel.
Am interessantesten ist der Sebastian. Nicht wegen des Aktes,
der zwar sorgfältig durchgebildet, aber noch zeichnerischer und
 
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