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dem Leben zeichnete, auch sie in natura gesehen haben? Man könnte ja
meinen, dieses und die verwandten Bilder des hellen Tons seien früh, aber
das 1505 datierte Marienleben ist gradeso hell und kühl, dazu deutlich
unter niederländischem Einfluß. Wo kommt der so spät her ? Daß er aus
zweiter Hand, durch den Meister des Marienlebens vermittelt, wie Thode
will, wäre ja möglich, will mir aber nicht überzeugend einleuchten. Alles
ist freier, lebendiger als auf der Beweinung, auch viel mehr Licht gesehen
und gemalt, mit Beobachtung der Luftperspektive in der Landschaft, die
Charakteristik wie in den Stichen drastisch, geistreich und sehr mannig-
fach. Lehrs spricht das Marienleben dem Meister ab. Mir wollte es früher
auch nicht von derselben Hand scheinen, wie der Kalvarienberg. Die ganze
geistige Signatur, Temperament, Typen, die Art der Charakteristik stim-
men mit den Stichen und den übrigen Bildern aber so sehr überein, daß
es ihm zu lassen ist. Ist der junge Mann auf der Darstellung im Tempel
rechts im Hintergrunde ein Selbstporträt? Memling hat sich ähnlich auf
Bildern konterfeit. Ein fraglos echtes Bild ist der Darmstädter Kruzifixus
Nr. 175, an Feinheit der Ausführung und des zarten, leisen Helldunkels
dem Freiburger näher als alle andern, dabei aber auch ganz hell und kein
Goldgrund. Wenn der Meister, wie Thode annimmt, Schüler des Meisters
dem hellen Ton und der naturalistischen Landschaft zum dunklen und
zum Goldgrund gekommen sein. Es wäre ja denkbar, daß er von Dresden
über Schleißheim, Mainz, Darmstadt zu Freiburg sich entwickelt hätte, vom
Goldgrund ausgegangen und wieder zu ihm zurückgekehrt wäre. Aber
verträgt sich das mit den Stichen, die immer freier und malerischer werden ?
Insofern allerdings, als die Bilder in Darmstadt und Freiburg, die ein
ausgebildeteres Helldunkel und Behandlung von Lichtproblemen zeigen,
zeitlich zusammenfielen mit den malerisch fortgeschrittensten Stichen.
Diese wie die genannten Bilder müßten dann jedenfalls später sein wie
das Marienleben. Daß er überhaupt in Gemälden soviel unfreier als in
Stichen, ließe sich ja aus der Technik erklären. Der scharfe, stecherische
Kontur, den er aus den Stichen in die Bilder überträgt, lehrt, daß diese
Technik seine eigentliche Welt war. — Aufklärungen über manches noch
Dunkle versprechen noch seine Zeichnungen, von denen erst wenige be-
stimmt sind. Unerkannte und unpublizierte sind in Basel und Erlangen
zu finden. Da Zucker die letzteren herausgeben will, gehe ich hier nicht
darauf ein. Thodes neueste Namensvermutung Martin Heß, der nach
Dürers Briefen ein bedeutender Maler in Frankfürt war, läßt sich noch
nicht weiter stützen. Wir wissen ja noch nicht mal, ob der Hausbuch-
meister seinen Wohnsitz in Frankfürt hatte. Nach der Entwicklung in
seinen Bildern will es mir jetzt fast scheinen, als sei er nicht den Rhein
hinunter, sondern hinauf gezogen. Das Gothaer Liebespaar ist nicht
von ihm.
14 Selbst die Ueberlieferung des Namens schwankt. Sandrart, die
bei weitem wichtigste Quelle, nennt ihn «Grunewald» und «Grünwald».
Als er selbst in Rom auf ein Bild unseres Meisters dessen Namen zu
setzen hatte, schrieb er: «Matthäus Grünwald». Den Vornamen gibt er
immer so. Die beiden einzigen Urkunden und die übrigen spärlichen alten
Nachrichten haben nur den abgekürzten Vornamen «Mathes» oder «Mathis»,
was sowohl von Matthäus wie Mathias abgeleitet sein kann. Da die
älteste (und zugleich einzige) zeitgenössische Quelle, Melanchthon, deutlich
«Matthias» hat, so ist — gegen Sandrart im Vornamen und mit Sandrart
im Zunamen — die auch meist übliche Schreibung «Mathias Grünewald»
nach dem jetzigen Stande unseres Wissens die richtigste.
Maler geworden sein und von
dem Leben zeichnete, auch sie in natura gesehen haben? Man könnte ja
meinen, dieses und die verwandten Bilder des hellen Tons seien früh, aber
das 1505 datierte Marienleben ist gradeso hell und kühl, dazu deutlich
unter niederländischem Einfluß. Wo kommt der so spät her ? Daß er aus
zweiter Hand, durch den Meister des Marienlebens vermittelt, wie Thode
will, wäre ja möglich, will mir aber nicht überzeugend einleuchten. Alles
ist freier, lebendiger als auf der Beweinung, auch viel mehr Licht gesehen
und gemalt, mit Beobachtung der Luftperspektive in der Landschaft, die
Charakteristik wie in den Stichen drastisch, geistreich und sehr mannig-
fach. Lehrs spricht das Marienleben dem Meister ab. Mir wollte es früher
auch nicht von derselben Hand scheinen, wie der Kalvarienberg. Die ganze
geistige Signatur, Temperament, Typen, die Art der Charakteristik stim-
men mit den Stichen und den übrigen Bildern aber so sehr überein, daß
es ihm zu lassen ist. Ist der junge Mann auf der Darstellung im Tempel
rechts im Hintergrunde ein Selbstporträt? Memling hat sich ähnlich auf
Bildern konterfeit. Ein fraglos echtes Bild ist der Darmstädter Kruzifixus
Nr. 175, an Feinheit der Ausführung und des zarten, leisen Helldunkels
dem Freiburger näher als alle andern, dabei aber auch ganz hell und kein
Goldgrund. Wenn der Meister, wie Thode annimmt, Schüler des Meisters
dem hellen Ton und der naturalistischen Landschaft zum dunklen und
zum Goldgrund gekommen sein. Es wäre ja denkbar, daß er von Dresden
über Schleißheim, Mainz, Darmstadt zu Freiburg sich entwickelt hätte, vom
Goldgrund ausgegangen und wieder zu ihm zurückgekehrt wäre. Aber
verträgt sich das mit den Stichen, die immer freier und malerischer werden ?
Insofern allerdings, als die Bilder in Darmstadt und Freiburg, die ein
ausgebildeteres Helldunkel und Behandlung von Lichtproblemen zeigen,
zeitlich zusammenfielen mit den malerisch fortgeschrittensten Stichen.
Diese wie die genannten Bilder müßten dann jedenfalls später sein wie
das Marienleben. Daß er überhaupt in Gemälden soviel unfreier als in
Stichen, ließe sich ja aus der Technik erklären. Der scharfe, stecherische
Kontur, den er aus den Stichen in die Bilder überträgt, lehrt, daß diese
Technik seine eigentliche Welt war. — Aufklärungen über manches noch
Dunkle versprechen noch seine Zeichnungen, von denen erst wenige be-
stimmt sind. Unerkannte und unpublizierte sind in Basel und Erlangen
zu finden. Da Zucker die letzteren herausgeben will, gehe ich hier nicht
darauf ein. Thodes neueste Namensvermutung Martin Heß, der nach
Dürers Briefen ein bedeutender Maler in Frankfürt war, läßt sich noch
nicht weiter stützen. Wir wissen ja noch nicht mal, ob der Hausbuch-
meister seinen Wohnsitz in Frankfürt hatte. Nach der Entwicklung in
seinen Bildern will es mir jetzt fast scheinen, als sei er nicht den Rhein
hinunter, sondern hinauf gezogen. Das Gothaer Liebespaar ist nicht
von ihm.
14 Selbst die Ueberlieferung des Namens schwankt. Sandrart, die
bei weitem wichtigste Quelle, nennt ihn «Grunewald» und «Grünwald».
Als er selbst in Rom auf ein Bild unseres Meisters dessen Namen zu
setzen hatte, schrieb er: «Matthäus Grünwald». Den Vornamen gibt er
immer so. Die beiden einzigen Urkunden und die übrigen spärlichen alten
Nachrichten haben nur den abgekürzten Vornamen «Mathes» oder «Mathis»,
was sowohl von Matthäus wie Mathias abgeleitet sein kann. Da die
älteste (und zugleich einzige) zeitgenössische Quelle, Melanchthon, deutlich
«Matthias» hat, so ist — gegen Sandrart im Vornamen und mit Sandrart
im Zunamen — die auch meist übliche Schreibung «Mathias Grünewald»
nach dem jetzigen Stande unseres Wissens die richtigste.
Maler geworden sein und von