GOETHE ÜBER DIE TRANSFIGURATION
Aus: Italienische Reise, Zweiter Römischer Aufenthalt,
Dezember 1787. Bericht.
Doch hierüber (über die Acqua Paolo auf dem Janiculus)
vereinigte man sich ebensowenig als über das herrliche Bild
der' Transfiguration, welches man in dem zunächst gelegenen
Kloster gleich darauf anzustaunen Gelegenheit fand. Da war
denn des Redens viel; der stillere Teil jedoch ärgerte sich,
den alten Tadel von doppelter Handlung wiederholt zu sehen.
Es ist aber nicht anders in der Welt, als daß eine wertlose
Münze neben einer gehaltigen auch immer eine gewisse Art
von Kurs behält, besonders da, wo man in der Kürze aus
einem Handel zu scheiden und ohne viel Überlegung und Zau-
dern gewisse Differenzen auszugleichen gedenkt. Wundersam
bleibt es indes immer, daß man an der großen Einheit einer
solchen Konzeption jemals hat mäkeln dürfen. In Abwesen-
heit des Herrn stellen trostlose Eltern einen besessenen
Knaben den Jüngern des Heiligen dar; sie mögen schon Ver-
suche gemacht haben, den Geist zu bannen; man hat sogar
ein Buch aufgeschlagen, um zu forschen, ob nicht etwa eine
überlieferte Formel gegen dieses Übel wirksam könnte ge-
funden werden, aber vergebens. In diesem Augenblick er-
scheint der einzig Kräftige, und zwar verklärt, anerkannt
von seinem großen Vorfahren; eilig deutet man hinauf nach
27