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Bode, Wilhelm
Donatello in Padua: das Reiterstandbild des Gattamelata und die Sculpturen im Santo — Paris, Leipzig, 1883

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https://doi.org/10.11588/diglit.16210#0016
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8 DONATELLO IN PADUA

Querschiff von S. Maria de' Frari zu Venedig, die in Holz ausgeführte vergoldete Reiter-
statue dieses Kapitäns der Republik. Waren doch derartige Reiterdenkmale schon im 14. Jahr-
hundert in Oberitalien sehr beliebt, wie uns namentlich noch die Monumente der Scaliger
in Verona bezeugen. Auch war dieser Auftrag an Donatello nicht der erste seiner Art an
den Meister : bereits Alfonso d'Arragona hatte sich 1442 nach der Eroberung von Neapel mit
dem gleichen Anliegen an Donatello gewendet, jedoch, wie es scheint, ohne dass dem-
selben entsprochen wurde; denn schon im folgenden Jahre erging der Ruf nach Padua
an den Künstler.

Ucber den Fortgang seiner Arbeit an dem Standbilde fehlen uns die urkundlichen
Nachrichten, da dieselbe nicht aus öffentlichen Mitteln bestritten wurde; wir wissen nur,
dass im Jahre 1453 die Einigung des Künstlers mit den Erben Gattamelata's, den Auftrag-
gebern, erfolgte, wonach derselbe für seine Arbeit die Summe von 1650 Goldgulden
erhielt. Wir dürfen daher annehmen, dass die Statue damals vollendet, vielleicht auch schon
auf dem von Donatello selbst entworfenen Sockel zur Aufstellung gekommen war. Der Meister
hatte also grade zehn Jahre zur Ausführung seiner Aufgabe gebraucht, ein Zeichen, wie ernst
er dieselbe nahm. Ein interessantes Beweisstück für seine umfassenden Vorarbeiten ist das
kolossale hölzerne Pferd, welches jetzt im Palazzo della Ragione in Padua aufbewahrt wird, ein
aus einzelnen kleinen beweglichen Holzstückcn kunstreich zusammengesetztes Werk, welches
der Meister als Vorstudium noch vor der Anfertigung des Wachsmodells ausführte. Solcher
Vorbereitungen bedurfte es in der That ; denn zum ersten Male seit den Zeiten der Römer wurde
an einen Künstler wieder die Anforderung gestellt, ein bronzenes Reiterstandbild in kolossalen
Dimensionen zu schaffen.

Betrachtet man die Schöpfung Donatello's unter diesem Gesichtspunkte, so wird man nicht
anstehen, sie als eine der grössten Leistungen der Plastik zu bewundern und sie dem etwa vierzig
Jahre später entstandenen Colleoni seines Schülers Verrocchio ebenbürtig an die Seite zu stellen.
Aber auch ihr absoluter künstlerischer Werth hält den Vergleich mit diesem berühmten Reiter-
standbild vor San Giovanni e Paolo in Venedig aus. Zwar im Gesammteindruck, in einheit-
licher Wirkung von Reiter, Ross und Sockel steht der Gattamelata dem Colleoni entschieden
nach: macht doch grade der überwältigende einheitliche Eindruck, den dieser gewaltige Mann
in Eisen — ein Mann von Eisen — auf dem unter dem festen Druck seiner Schenkel mächtig
vorwärts strebenden Schlachtrosse auf jeden Beschauer ausübt, das Standbild des Colleoni zu
dem grossartigsten Reitermonument aller Zeiten! Die Statue des Gattamelata gewinnt dagegen
je mehr, je aufmerksamer man sie betrachtet. Reiter und Ross sind hier in einem gewissen
bewussten Gegensatz gehalten; und wie im Colleoni durch die Einheit in Haltung und Bewe-
gung von Mann und Pferd die grossartige Wirkung hervorgerufen wird, so ist hier in ähnlicher
Weise grade der Gegensatz der schweren, kolossalen Formen des untersetzten starken Gauls gegen
die feinen, durchgeistigten Züge der verhältnissmässig kleinen Gestalt des Reiters von grosser
Wirkung.
 
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