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Bode, Wilhelm
Vorderasiatische Knüpfteppiche aus älterer Zeit — Monographien des Kunstgewerbes, Band 1: Leipzig, [ca. 1902]

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https://doi.org/10.11588/diglit.16720#0013
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Unter den altorientalischen Teppichen
stehen durch ihr kostbares Material, durch
Farbenpracht und Schönheit der Zeich-
nung im Vordergrunde des allgemeinen
Interesses die Seidenteppiche mit Tier-
darstellungen in reichem Pflanzendekor.
Für sie herrscht in Bezug auf Zeit und
Ort der Entstehung, trotz fehlender Daten
und urkundlicher Beweise, ausnahmsweise
völlige Uebereinstimmung. Sie sind da-
her zum Ausgangspunkt unserer Betrach-
tung besonders geeignet. Teppiche dieser
Art sind in den letzten Jahrzehnten wieder-
holt gezeigt worden: im South Kensington
Museum durch Leihgaben reicher englischer
Sammler, in den Pariser Kunstgewerbe-
museen, im Oesterreichischen Museum und
im Handelsmuseum zu Wien, am zahl-
reichsten und bedeutendsten in der Tep-
pichausstellung in Wien 1891.

Das umfangreichste und prächtigste
Stück dieser Ausstellung, heute der be-
rühmteste alte Teppich, ist der sogenannte
jagdteppich im Besitz des österreichischen
Kaiserhauses. Der „Jagdteppich" (Abb. 1)
verdankt seinen Namen der eigenartigen
Darstellung in seinem grossen Innenfelde,
die persische Reiter auf der Jagd zeigt. Auf
lachsfarbenem Grunde, den zahlreiche Blu-
men an zierlichen Ranken bedecken (teils
von specifisch persischen Pflanzen, teils die
edlen stilisierten sarazenischen Formen
zeigend), bewegen sich Reiter auf der Ver-
folgung von Löwen, Antilopen, Steinböcken,
Hirschen, Wildschweinen, Hasen, Füchsen,
Schakalen und anderem Wild. Wie die

Reiter durch ihre Kostüme als Perser
kenntlich sind, so sind auch die Pferde
und ihr Sattelzeug echt persisch, und sämt-
liches Wild ist in Persien heimisch. In
ähnlicher Weise charakterisieren sich die
beiden geflügelten Gestalten, die in regel-
mässiger Wiederkehr die breite Borte
des Teppichs inmitten zierlichen Ranken-
werks mit Blumen, Knospen und Blättern
ausfüllen, schon durch ihre Tracht als
persische „Genien". Darstellung und Auf-
fassung, wie die Stilisierung der Pflanzen,
Zeichnung der Tiere und Menschen und
ihrer Kostüme entsprechen durchaus der
Dekoration der Miniaturen, Metall- und
Lederarbeiten, sowie anderer Werke der
persischen Kleinkunst. Dasselbe gilt von
der Disposition des Teppichs: vom Ver-
hältnis des Innenfeldes zu der breiten
Borte mit den schmalen Abschlüssen der-
selben nach innen und aussen, sowie mit
seiner Zeichnung, dem rundlichen, zackig-
konturierten Mittelschild, dessen kleinen An-
hängern in der Längsrichtung des Teppichs
und den vier, als Viertelausschnitte des
Mittelfeldes gedachten Eckschilden. Selbst
die eigentümlichen Masken (Löwen- und
Menschenköpfe) im Innern der grossen
Blumen, die in der Einrahmung auffallen,
kommen in gleicher Weise schon im Mittel-
alter gelegentlich auch in anderen Zwei-
gen des persischen und vorderasiatischen
Kunstgewerbes vor.

In dem grossen Mittelschilde und, ge-
nau entsprechend, in den vier Eckfüllungen
sehen wir auf einem Grunde von rankenden
 
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