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Bode, Wilhelm
Florentiner Bildhauer der Renaissance — Berlin, 1902

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https://doi.org/10.11588/diglit.42066#0379
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Gruppen der Beweinung- Christi von Gtov, della Robbia

giösen Bedürfnis heraus geschaffen. Wie die Komposition in ein-
fachen schönen Linien fein abgewogen erscheint, so ist die Em-
pfindung eine ernste und beinahe feierliche. Nicht der wilde Schmerz,
der in lautem Aufschrei und verzweifelten Bewegungen sich be-
thätigt, wie in den Grablegungen des Donatello, sondern stiller
Gram, der kaum noch eine Thräne findet, spricht aus diesen
Gestalten. Ihre Bildung, ihre Formen und Typen sind ebenso
edel und doch schlicht wie Anordnung und Empfindung. Deut-
lich verfolgt man darin, im Leichnam Christi und in sämtlichen
Köpfen, das Vorbild des Verrocchio, dessen Einfluss schon auf
Giovannis Vater, Andrea della Robbia, unverkennbar ist. Aber
der Künstler ist ängstlich bestrebt gewesen, das Eckige und Eierbe
im Naturalismus seines grossen Vorbildes abzuschleifen, seine in-
dividuellen Formen in allgemeine, typische umzubilden und sie zu
verschönern. Dasselbe Streben verrät der Faltenwurf der Ge-
wänder, die in ihren dicken, zum Teil gefütterten Stoffen, in ihrer
Anordnung (namentlich in der Art, wie der rechte Arm vom
Mantel frei gelassen ist) und in den tiefen Langfalten gleichfalls
das Vorbild Verrochios oder seiner Schüler erkennen lassen. Auch
hier ist Giovanni überall bestrebt, zu verschönern und zu ver-
allgemeinern. Die Sorgfalt der Durchführung, die namentlich
im Körper und im Kopfe Christi noch fleissiges Naturstudium
verrät, entspricht diesem allgemeinen Streben des Künstlers. Bei
alledem fehlt dem Kunstwerk die packende, unmittelbare Wir-
kung, die Frische und Naivetät der grossen Kunst. Eine ge-
wisse Befangenheit und Absichtlichkeit, eine allzugrosse Einförmig-
keit und Leere, sowohl in der Anordnung wie in der Empfin-
dung, Formenbildung und Faltengebung lassen den Beschauer
zu einem vollen und reinen Genüsse nicht gelangen. Die grosse
Sorgfalt in der Durchführung steigert womöglich noch diese nüch-
terne Wirkung. Bezaubernd und einschmeichelnd wie seine Vor-
gänger im Quattrocento oder überwältigend wie seine grossen
Nachfolger kann daher Giovanni della Robbia selbst in diesem
Werke nicht auf uns wirken. Trotzdem werden wir dieser Kunst
unsere Anerkennung nicht verweigern können; in ihrer Beziehung

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