im letzten Jahrzehnt des Quattrocento in so reicher und künstlerischer, so stilvoller
Weise ausgeführt worden sind, wie nur noch einmal ein Menschenalter später durch
Hans Holbein. Wir gehen gewiß nicht fehl, wenn wir an diesem großen Aufschwung
der reproduzierenden Künste Botticelli den wesentlichsten Anteil zuschreiben,
auch wenn wir nicht annehmen wollen, daß er diese Künste selbst ausgeübt hat.
Sandro ist kein eigentlicher Kolorist, sowenig wie irgendeiner der Florentiner
Maler des 15. Jahrhunderts. In seiner Färbung ist er abhängig von Fra Filippo,
aber er stimmt die helle Farbenfreudigkeit seines Lehrers zu einer mehr tonigen
Wirkung. Er erzielt dies nicht wie die Pollajuoli und wie teilweise auch Ver-
rocchio durch den braunen Gesamtton der harzigen Sanderakfarben, deren
Mischung ihre Erfindung war, sondern durch reiche Goldornamente, die er
über die Stoffe ausstreut oder sie damit einfaßt, und durch milchfarbene durch-
sichtige Schleier, mit denen er Körper und Stoffe vielfach halb verhüllt. Beide
Arten der Abtönung und Auflichtung sind ebenso charakteristisch für Sandro
wie die außerordentlich kunstvolle Zeichnung und Ausführung dieser Gold-
ornamente und golddurchwirkten Stoffe und die geschickte Anbringung und
Fältelung der Schleierstoffe; sie sind für Sandro so eigentümlich, daß sich seine
eigenhändigen Bilder auch dadurch von den Arbeiten seiner Schüler unter-
scheiden lassen. Die »Madonna Raczynski« und der »Frühling« sind besonders
ausgezeichnete Meisterwerke auch nach dieser Richtung. Eine Prüfung der
Farbenwerte und ihrer Zusammenstellung, durch die der Künstler die Har-
monie in der Farbenwirkung seiner Gemälde erzielt, wie er seine Eigenart
nach dieser Richtung ausbildet und weiterentwickelt und wie er sich darin zu
seinen Lehrern und zu seinen Zeitgenossen verhält, wäre ein lohnendes Stu-
dium, zumal für einen musikalisch begabten Fachgenossen, lohnender als die
jetzt vorwiegend üblichen einseitigen und eintönigen Untersuchungen, die
sich ausschließlich mit der plastischen und räumlichen Wirkung der Bilder
oder gar mit den persönlichen Eigenarten und Unarten der Künstler in der
Zeichnung und Modellierung abgeben. Denn in der farbigen Erscheinung der
Bilder beruht ihre größte Wirkung, beruht ihr künstlerischer Wert mindestens
ebensosehr wie auf Komposition, Zeichnung und Ausdruck. Die musikalische
Wirkung der Bilder, ihre Stimmung, ist gerade für die richtige Würdigung
Botticellis ein sehr wesentlicher Faktor.
Wenn ich hier Botticelli mit Künstlern wie Michelangelo und Leonardo ver-
glichen habe, so geschah dies nicht, weil ich ihn diesen größten unter den
210
Weise ausgeführt worden sind, wie nur noch einmal ein Menschenalter später durch
Hans Holbein. Wir gehen gewiß nicht fehl, wenn wir an diesem großen Aufschwung
der reproduzierenden Künste Botticelli den wesentlichsten Anteil zuschreiben,
auch wenn wir nicht annehmen wollen, daß er diese Künste selbst ausgeübt hat.
Sandro ist kein eigentlicher Kolorist, sowenig wie irgendeiner der Florentiner
Maler des 15. Jahrhunderts. In seiner Färbung ist er abhängig von Fra Filippo,
aber er stimmt die helle Farbenfreudigkeit seines Lehrers zu einer mehr tonigen
Wirkung. Er erzielt dies nicht wie die Pollajuoli und wie teilweise auch Ver-
rocchio durch den braunen Gesamtton der harzigen Sanderakfarben, deren
Mischung ihre Erfindung war, sondern durch reiche Goldornamente, die er
über die Stoffe ausstreut oder sie damit einfaßt, und durch milchfarbene durch-
sichtige Schleier, mit denen er Körper und Stoffe vielfach halb verhüllt. Beide
Arten der Abtönung und Auflichtung sind ebenso charakteristisch für Sandro
wie die außerordentlich kunstvolle Zeichnung und Ausführung dieser Gold-
ornamente und golddurchwirkten Stoffe und die geschickte Anbringung und
Fältelung der Schleierstoffe; sie sind für Sandro so eigentümlich, daß sich seine
eigenhändigen Bilder auch dadurch von den Arbeiten seiner Schüler unter-
scheiden lassen. Die »Madonna Raczynski« und der »Frühling« sind besonders
ausgezeichnete Meisterwerke auch nach dieser Richtung. Eine Prüfung der
Farbenwerte und ihrer Zusammenstellung, durch die der Künstler die Har-
monie in der Farbenwirkung seiner Gemälde erzielt, wie er seine Eigenart
nach dieser Richtung ausbildet und weiterentwickelt und wie er sich darin zu
seinen Lehrern und zu seinen Zeitgenossen verhält, wäre ein lohnendes Stu-
dium, zumal für einen musikalisch begabten Fachgenossen, lohnender als die
jetzt vorwiegend üblichen einseitigen und eintönigen Untersuchungen, die
sich ausschließlich mit der plastischen und räumlichen Wirkung der Bilder
oder gar mit den persönlichen Eigenarten und Unarten der Künstler in der
Zeichnung und Modellierung abgeben. Denn in der farbigen Erscheinung der
Bilder beruht ihre größte Wirkung, beruht ihr künstlerischer Wert mindestens
ebensosehr wie auf Komposition, Zeichnung und Ausdruck. Die musikalische
Wirkung der Bilder, ihre Stimmung, ist gerade für die richtige Würdigung
Botticellis ein sehr wesentlicher Faktor.
Wenn ich hier Botticelli mit Künstlern wie Michelangelo und Leonardo ver-
glichen habe, so geschah dies nicht, weil ich ihn diesen größten unter den
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