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Boeckler, Albert
Der Codex Wittekindeus — Leipzig, 1938

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https://doi.org/10.11588/diglit.34631#0026
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lieben Adagruppe und Schule vonCorbie ist noch ein sächsisches Vorbild für Fulda
maßgebend gewesen, das auch im Wittekindeus nachklingt. Den Weg zu dieser dritten
Quelle der Fuldaer Buchmalerei weist die Matthaeus-Zierseite des Wittekindeus. Sie führt
auf das Lektionar Ms. 2 der Schloßbibliothek in Aschaffenburg und beweist dessen
Entstehung in FuldaQ. Die Handschrift enthält nur Purpurseiten und eine Miniatur des
Lammes mit der Ecclesia und den vier Evangelistensymbolen. Die Gestalten dieses Bildes,
insbesondere die Ecclesia wirken trotz der Anmerkung 87 genannten Beziehungen zu
G und B andersartig (vgl. Tafel XXXII a und c)^). Dagegen steht die zu der sog. Weser-
gruppe gehörige sächsische Handschrift des 10. Jahrhunderts in Wolfenbüttel sehr nahe,
vgl. den Engel der Hirtenverkündigung (Tafel XXXII b) mit XXXII a. Hier sind dieselbe
höhere Kühnheit und Originalität der Formgebung, die extravagante Kurvatur von Umriß
und Bewegung, die größeren prononzierteren Motive der Innenzeichnung, dieselben in-
einandergeschobenen Spitzwinkel und Parallelkurven, die besonders charakteristischen,
ungemein verwandten flatternden Faltenglocken und -gehänge mit ihren eigentümlich ge-
zahnten Säumen. Oft scheinen diese bewegten Gewandpartien seitlich an die Figur angesetzt
und ziehen sie eigentümlich in die Breite. Bei den Aposteln des zu der gleichen sächsischen
Gruppe gehörenden Phngstbildes in Kassel theol. fol. 60 konstatiert man auch im Gesichts-
schnitt eine Ähnlichkeit mit Aschaffenburg, (vgl. die langen Nasen mit stark einspringender
Wurzel).
Die Einwirkung dieser sächsischen Werke, zu denen noch das Sakramentar-Fragment
des Codex CXC der Leipziger Stadtbibliothek als Arbeit desselben Skriptoriums tritt,
auf Fulda steht also fest. Die Vermittlung dieser Vorlagen könnte durch Corvey erfolgt
sein, es liegt sogar nahe, diese hervorragenste Gruppe der sächsischen Buchmalerei s. X in
Corvey beheimatet zu denken. Das Kloster war im 9. Jahrhundert das wichtigste in Sachsen
und büßte auch im 10. Jahrhundert seine Bedeutung nicht ein. Beziehungen zwischen Fulda
und Corvey lassen sich in nicht geringer Zahl nachweisen^), die Wasserstraße Fulda-Weser
bot ja auch eine bequeme Verbindung. Daß diese Werke in Fulda nachhaltigen Einfluß
ausübten, ist wohl zu verstehen, denn diese drei sächsischen Handschriften stellen eine der
phantasievollsten und großartigsten Erscheinungen der frühottonischen Kunst dar. Der
Ernst der Auffassung, die Herbheit sächsischen Wesens vereinigen sich hier mit geistreicher
Erfindung, grandioser Haltung, prachtvoller Intensität des Ausdru&s, mit hoher Kraft
ornamentaler Gestaltung und außerordentlichem Reichtum der Zeichnung***).
Noch einheitlicher offenbart sich diese Beziehung Fulda-Sachsen in Hannover 189.
Die Farbigkeit ist ganz fuldisch, wie schon Zimmermann hervorhebtQ, desgleichen die

8?) Es begegnen dieselben Zierrahmen, dieselben J-lnitialien, und das Bild, das es enthält, kommt in G ebenfalls
vor. Insbesondere aber ist dieses Bild dem Matthaeus in Berlin in entscheidenden Punkten verwandt. Die Farbigkeit
ist genau entsprechend, der Purpurgrund zeigt dasselbe Changieren nach Grün, die Inkarnat-Behandlung ist typisch
Fulda (siehe Anm. 84) und ganz übereinstimmend, die Schrift steht B besonders nahe. Dank dem liebenswürdigen
Entgegenkommen der Aschaffenburger Schloßbibliothek konnte ich die beiden Handschriften miteinander vergleichen.
Das von Zimmermann S. 35 im Zusammenhang mit Aschalfenburg genannte Lektionar in Udine gehört, wie ich aus
einer von Professor Haseloff freundlichst überlassenen Photographie ersehe, in der Tat nach der Ausstattung aufs
engste mit jenem Codex zusammen; auch die Schrift ist fuldisch. 88) Tafel XXXII c (G) zeigt ein ganz ähnliches Ab-
sinken zu belangloser Gefälligkeit wie das Phngstbild in Clm. 10077 gegenüber seiner Vorlage in Kassel th. f. 60.
89) Sie drückten sich schon in der Bestimmung von Clm. 10077 für Corvey aus, äußern sich aber auch sonst auf
dem Gebiet des Buchwesens. Die Dichtungen des Corveyer Mönches Agius sind durch Fulda überliefert (Lehmann,
Corveyer Studien S. 4 ff., 8). Der aus Fulda stammende Ammianus Marcellinus Vat. lat. 1873 ist nach Lehmann 1. c.
S. 38 dem Corveyer Tacitus der Laurentiana LXVIII1 palaeographisch nahe verwandt. München Cod. lat. 14641 ent-
hält die Fuldaer Annalen und im Anschluß daran Plinius-Briefe, die „textgeschichtlich nach Corvey und palaeographisch
nach Fulda weisen" (Lehmann, Die alte Klosterbibliothek Fulda und ihre Bedeutung, Rede anläßlich der 150 Jahr-
feier der Landesbibliothek Fulda, Kommissionsverlag der Fuldaer Aktiendruckerei, Fulda 1928, S. 9). 90) Die Ent-
stehung dieser Handschriften in Sachsen folgt aus der Ornamentik und der gleichmäßigen Reihung der Symbole in
den Kanontafeln (vgl. Boeckler, Abendländische Miniaturen, S. 52). 9i) Der beliebte Zusammenklang von Lila, Blau-

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