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Boehlau, Johannes
Aus ionischen und italischen Nekropolen: Ausgrabungen und Untersuchungen zur Geschichte der nachmykenischen griechischen Kunst — Leipzig, 1898

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https://doi.org/10.11588/diglit.669#0155
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4. Unbemalte Vasen. 149

bietet die Besonderheit, dafs der Gefäfskörper ringsum etwa 3 mm über die Standfläche vor-
springt, so dafs das Gefäfschen — übrigens offenbar auch eine Miniatur-Ausgabe — auf einer
zurücktretenden 3 cm hoben Scheibe zu ruhen seheint. Dies konnte zu keinem anderen
Zwecke angeordnet sein, als um das Gefäfs in eine Leere einzulassen, die in einem anderen
flachen Geräte, sei es in dem Deckel einer gröfseren Kanne, sei es in einer Schale, sich
befand, zu dessen Benutzung das Kännchen als Schöpf- oder Gufsgefäfs nötig war. Damit
würden wir an die Kannen des Dipylonstils gemahnt, auf deren Deckel häufig ein kleineres
Gefäfs als Krönung angebracht ist, hier schon in rein ornamentaler Verwendung, ursprüng-
lich zu praktischem Bedarf. Dies ist ein neuer Fall einer Parallele der auf Samos ge-
gefundenen lokal-ionischen Keramik mit der geometrischen des Mutterlandes. Und eine
solcbe sehe ich auch in der Schlange am Henkel, denn die Schlange tritt bekanntlich
gleichzeitig im Dipylon und im Bucchero (rhodischer Bucchero im British Museum, man
erinnere sieh auch des Panzers des Agamemnon) auf, während die mykenisehe sie nie
darstellt. Die sonstigen Kannen mit blattförmigem Ausgufs wie Tafel VIII. 7 entsprechen
in den bauchigen Körpern und dem absetzenden niedrigen breiten Halse den Fikellura-
kannen. Der Hals geht in den Körper über in dem Tafel VI. 6 abgebildeten Exemplar.
Kannen von der Form der kleinen schwarzfigurigen mit dem Herakleskampfe sind nicht
gefunden worden. Nicht unwichtig ist ein Känncben mit geknicktem Kontur, eine Eigen-
heit, die öfters an Gefäfsfragmenten der Nekropole wiederkehrt (vgl. z. B. Tafel VIII. 13)
und echt ionisch zu sein scheint, wenigstens tritt sie an einer geometrischen rhodisehen
Kanne des British Museum auf (Conze, Anfänge t. VI. 4) und Spuren davon finden wir
namentlich in der böotischen Keramik (vgl. Jahrbuch 1888 S. 340. 21, S. 353. 32, Wiener
Vorlegeblätter 1888 t. I. 2).

In mehreren Beispielen, aber nur in Miniaturen, ist die einhenkelige hohe Kanne
mit steiler Wandung und breiter vertikaler Mündung Tafel VIH. 15, 17 vertreten. Wie
so manche der bisher behandelten Formen kehrt auch sie auf Rhodos wieder (Exemplar
im British Museum) und zwar mit demselben Ornament, einer Schlangenlinie, unter der
Mündung und an der Mündungswand. Wichtiger ist, dafs wir die Form über ein Jahr-
hundert früher schon in geometrischen Kreisen in Italien finden, in dem Cornetaner Krieger-
grab (Mon. X, t. 10°. 12) und mehrfach in kymaeischen Funden mit demselben Ornamente,
wie es die kleinasiatischen Exemplare trugen.

Das Gufsgefäfs Tafel VIII. 14, an dem die für die ionische Keramik charakteristische
Schlangenlinie wieder auftritt, hat hier schon die Form, die es bis in die spätesten Zeiten
hinein behält (Furtwängler, Berliner Katalog, Form 247. 249), einen niedrigen Körper mit
steiler Mündung, einem aufwärts gerichteten Ausgufsrohre und einem senkrecht zu dessen
Durchschnittsebene stehenden vertikalen Henkel. Vorgebildet ist sie in mykenischer Keramik,
s. Furtwängler und Löschcke M. V. t. 44, 41. Auch das Miniaturgefäfs Tafel VIII. 18 hat
sich bis in die spätesten Zeiten des rotfigurigen Stiles gehalten, es knüpft mit seinem in
 
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