MIT der Versteigerung der Sammlung Arnold Otto Meyer kommt die letzte
der großen alten Privat-Sammlungen von Handzeichnungen deutscher Meister
des XIX. Jahrhunderts zur Auflösung.
A. O. Meyer ist am i. September 1825 als Sohn des Senators G. C. Lorenz
Meyer in Hamburg geboren und starb daselbst, als Großkaufmann, am 12. März
1913. Was der Großvater des Sammlers, der Hamburgische Senator Johann Va-
lentin Meyer, begonnen, setzte der Enkel fort. Wenn wir hören, daß Chodo-
wiecki mit Johann Valentin Meyer eng befreundet war, daß er ihn und seine
ganze Familie porträtiert hat, so glauben wir gern, daß zum Erbe des Enkels Zu-
neigung zur Kunst und ein angeborenes Kunstverständnis gehörten. Den überkommenen
Schatz hat Arnold Otto Meyer als köstliches Vermächtnis gehegt und vermehrt, und
so ist seine berühmte Sammlung entstanden, die fast alle bedeutenderen deutschen
Meister seiner Zeit umfaßt. Es fehlt Böcklin, für ihn finden wir aber Ersatz an
hervorragenden Zeichnungen Franz-Drebers.
Mit vielen der Künstler, die in den Mappen vertreten sind, stand der Sammler
in persönlichem freundschaftlichen Verkehr, so mit Schwind und Richter, Julius
Schnorr von Carolsfeld, Steinle und Philipp Veit. Zahlreiche im Besitz der
Familie befindliche Briefe geben Zeugnis von der ungezwungenen Art des Umgangs
zwischen ihm und den Genannten, darüber hinaus eine anschauliche Vorstellung von dem
vornehmen Charakter, den reichen Kenntnissen und den Neigungen des Sammlers.
„Richtungen", in jenem ausschließenden Sinne, den ihnen der moderne Kunstbetrieb
unterlegt, kannte er nicht, für ihn gab es nur gute und schlechte Kunst. Daß er unbe-
wußt gewissen Einflüssen seiner Zeit und seiner Freunde zugängig gewesen ist, bedarf
keiner Erwähnung: Dem romantischen Zeitideal hat A. O. Meyer nur als Kenner, der das
Wahre vom Falschen zu unterscheiden wußte, gehuldigt. Fast ausschließlich sammelte
Meyer Handzeichnungen. Er begegnete sich in seiner Vorliebe für Zeichnungen mit
seinem Freunde Schwind. „Ich glaube nicht zu irren," schreibt Schwind in einem
an ihn gerichteteten, ungemein interessanten Briefe, „wenn ich annehme, daß in
unserer Zeit das Wichtigere und Gedankenreichere mehr in Handzeichnungen fest-
gelegt ist als in Bildern." Von Schwind selbst besaß Meyer bei seinem Tode mehr
als 200 Blätter. Mit ihnen zieht das ganze Leben des Meisters an uns vorüber.
Die köstlichsten Erzeugnisse der Schwindschen Muse gehören wohl seiner Jugendzeit
an. Es sind von tiefer Empfindung beseelte, in der ungezwungenen Naivität des
Ausdrucks doppelt reizvolle Arbeiten. Bald einzelne Darstellungen, Bildnisse oder
Genreszenen, bald Zyklen novellistischen, poetisch-legendarischen oder visionären In-
halts. Das Haus, in dem der Knabe heranwuchs: „Schwindien", der Schober-, Schu-
bert-, Hetzenecker-Kreis, das ganze Wien der fünfziger Jahre lebt mit seinem frohen
harmlosen Treiben in diesen Blättern. Neben dem Kunstliebhaber kommt der Kunst-
historiker im Beschauer zu seinem Recht. Da ist ein Blatt, „Das Paar im Kahn",
das eine Überleitung von Johann Olivier zu Schwind bildet; eine Allegorie:
„Mangel und Armut überfallen den Müßigen," die uns die tiefe Wirkung nachempfin-
den läßt, die der Umgang mit Julius Schnorr von Carolsfeld auf den jungen
Künstler ausübte. Ein flüchtige Episode im Leben Schwinds findet Ausdruck in
Auktions-Katalog CXXIII von CG, Boerner. Sammlung A. O. Meyer I.
der großen alten Privat-Sammlungen von Handzeichnungen deutscher Meister
des XIX. Jahrhunderts zur Auflösung.
A. O. Meyer ist am i. September 1825 als Sohn des Senators G. C. Lorenz
Meyer in Hamburg geboren und starb daselbst, als Großkaufmann, am 12. März
1913. Was der Großvater des Sammlers, der Hamburgische Senator Johann Va-
lentin Meyer, begonnen, setzte der Enkel fort. Wenn wir hören, daß Chodo-
wiecki mit Johann Valentin Meyer eng befreundet war, daß er ihn und seine
ganze Familie porträtiert hat, so glauben wir gern, daß zum Erbe des Enkels Zu-
neigung zur Kunst und ein angeborenes Kunstverständnis gehörten. Den überkommenen
Schatz hat Arnold Otto Meyer als köstliches Vermächtnis gehegt und vermehrt, und
so ist seine berühmte Sammlung entstanden, die fast alle bedeutenderen deutschen
Meister seiner Zeit umfaßt. Es fehlt Böcklin, für ihn finden wir aber Ersatz an
hervorragenden Zeichnungen Franz-Drebers.
Mit vielen der Künstler, die in den Mappen vertreten sind, stand der Sammler
in persönlichem freundschaftlichen Verkehr, so mit Schwind und Richter, Julius
Schnorr von Carolsfeld, Steinle und Philipp Veit. Zahlreiche im Besitz der
Familie befindliche Briefe geben Zeugnis von der ungezwungenen Art des Umgangs
zwischen ihm und den Genannten, darüber hinaus eine anschauliche Vorstellung von dem
vornehmen Charakter, den reichen Kenntnissen und den Neigungen des Sammlers.
„Richtungen", in jenem ausschließenden Sinne, den ihnen der moderne Kunstbetrieb
unterlegt, kannte er nicht, für ihn gab es nur gute und schlechte Kunst. Daß er unbe-
wußt gewissen Einflüssen seiner Zeit und seiner Freunde zugängig gewesen ist, bedarf
keiner Erwähnung: Dem romantischen Zeitideal hat A. O. Meyer nur als Kenner, der das
Wahre vom Falschen zu unterscheiden wußte, gehuldigt. Fast ausschließlich sammelte
Meyer Handzeichnungen. Er begegnete sich in seiner Vorliebe für Zeichnungen mit
seinem Freunde Schwind. „Ich glaube nicht zu irren," schreibt Schwind in einem
an ihn gerichteteten, ungemein interessanten Briefe, „wenn ich annehme, daß in
unserer Zeit das Wichtigere und Gedankenreichere mehr in Handzeichnungen fest-
gelegt ist als in Bildern." Von Schwind selbst besaß Meyer bei seinem Tode mehr
als 200 Blätter. Mit ihnen zieht das ganze Leben des Meisters an uns vorüber.
Die köstlichsten Erzeugnisse der Schwindschen Muse gehören wohl seiner Jugendzeit
an. Es sind von tiefer Empfindung beseelte, in der ungezwungenen Naivität des
Ausdrucks doppelt reizvolle Arbeiten. Bald einzelne Darstellungen, Bildnisse oder
Genreszenen, bald Zyklen novellistischen, poetisch-legendarischen oder visionären In-
halts. Das Haus, in dem der Knabe heranwuchs: „Schwindien", der Schober-, Schu-
bert-, Hetzenecker-Kreis, das ganze Wien der fünfziger Jahre lebt mit seinem frohen
harmlosen Treiben in diesen Blättern. Neben dem Kunstliebhaber kommt der Kunst-
historiker im Beschauer zu seinem Recht. Da ist ein Blatt, „Das Paar im Kahn",
das eine Überleitung von Johann Olivier zu Schwind bildet; eine Allegorie:
„Mangel und Armut überfallen den Müßigen," die uns die tiefe Wirkung nachempfin-
den läßt, die der Umgang mit Julius Schnorr von Carolsfeld auf den jungen
Künstler ausübte. Ein flüchtige Episode im Leben Schwinds findet Ausdruck in
Auktions-Katalog CXXIII von CG, Boerner. Sammlung A. O. Meyer I.