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C. G. Boerner, Auktions-Institut, Kunst- und Buchantiquariat <Leipzig> [Hrsg.]
Sammlung Julius Model, Berlin: kostbare französische Farbdrucke, Kupferstiche und Lithographien ; wertvolle gebundene Folgen sowie illustrierte Bücher französischer Künstler, eine gewählte Handbibliothek über die französische Graphik des XVIII. Jahrhunderts ; Versteigerung von Montag, den 13., bis Mittwoch, den 15. Mai 1929 (Katalog Nr. 160) — Leipzig, 1929

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https://doi.org/10.11588/diglit.16443#0016
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VORREDE

Die Sammlung Julius Model zeichnet sich aus durch Einheitlichkeit, durch Geschlossenheit
und weckt die Erinnerung an den Sammler, der sie geschaffen, ihr den Charakter so sicher
aufgeprägt, sie als sein Denkmal hinterlassen hat. Er ist 1920 gestorben. Der Verkauf soll
nunmehr nach seinem Willen im Hause C. G. Boemer stattfinden.

Julius Model lebte Jahrzehnte hindurch in Berlin, war aber mit dieser Stadt eher ver-
schwägert als verwandt. Geboren zu Landau in der Pfalz, 1838 — Schule und Lehrzeit in
Landau und Frankfurt a. M. — sieben Jahre geschäftlicher Wirksamkeit in Paris, ein Jahr
Brüssel, ein Jahr Italien. Nach all dem tief vertraut mit westlichem Wesen, kam er 1872 in
die preußische Hauptstadt, die gerade mit geräuschvoller Anstrengung Weltstadt zu werden
begann. Er brachte urbane Geschmackskultur mit sich. Ohne streberische Ansprüche, ohne den
steifen Stolz auf berufsmäßige Pflichtleistung führte er in behaglicher Lage und unabhängig
ein häusliches und geselliges Leben, das er mit gütigem Humor erhellte und durch Kunst-
liebe veredelte.

Wenn ich nichts weiter wüßte, als daß er ein Gemälde von Edvard Munch erwarb — zu einer
Zeit, da die Berliner Kommerzienräte sich von Koner malen ließen und Bilder von Paul
Meyerheim kauften, könnte ich danach allein die weitsichtige Selbständigkeit seines Geschmacks
rühmen. Ich weiß aber mehr, weil er zu den Sachverständigen des Kupferstichkabinetts ge-
hörte, und ich oft Gelegenheit bekam, die einsichtsvolle Universalität seines Urteils zu be-
obachten und mich seines Rates zu erfreuen.

Aus all den Jahren steht mir zumal ein Vorfall im Gedächtnis. Erst kurze Zeit am Kupfer-
stichkabinett tätig und noch ziemlich unerfahren, sah ich in Paris auf einer Auktion Radierungen
von Gabriel de St. Aubin. Wir besaßen kein Blatt von der Hand dieses damals wenig bekannten,
auch heute noch nicht seinem Werte nach geschätzten Meisters. In dem naiven Glauben, etwas
selbst den Parisern Verborgenes entdeckt zu haben, begann ich zu bieten, stieß aber auf un-
vermutete Widerstände und mußte den Preisen entnehmen, daß es Leute gab, die meinen
Enthusiasmus teilten. Nach Berlin zurückgekehrt, erzählte ich von meiner neuen und unglück-
lichen Liebe. Es kam heraus, daß Julius Model vier Radierungen von Gabriel de St. Aubin be-
saß, wahrscheinlich die einzigen, die nach Deutschland gekommen waren, und er schenkte sie
lächelnd und glücklich über meine Freude dem Kupferstichkabinett.

Als Sammler grenzte Julius Model sein Feld eng ein und konnte um so sicherer, mit selb-
ständiger Kennerschaft zugreifen und lassen. Eine natürliche Vorliebe zog ihn zum 18. Jahr-
hundert und nach Frankreich. Die beschwingte Anmut, di'e ungebrochene Lebenslust jenes
Zeitalters, sowie die handwerkliche Meisterschaft, die den Druck der Materie scheinbar spielend
aufhebt, strahlen eine Heiterkeit aus, die dem Temperament und den Sinnen dieses Kunst-
freundes gemäß war.
 
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