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C. G. Boerner, Auktions-Institut, Kunst- und Buchantiquariat <Leipzig> [Hrsg.]
Die Handzeichnungs-Sammlung Prof. Paul Arndt, München und andere Beiträge aus privatem Besitz, deutsche Meister des XIX. Jahrhunderts, dabei ausgewählte Zeichnungen und Aquarelle von Aberli, Blechen, Busch ..., umfängliche Spezialsammlungen von Zeichnungen von Ludwig Richter, Moritz von Schwind und Karl Spitzweg, Druckgraphik des XIX. Jahrhunderts: Versteigerung am Mittwoch, den 16. Mai 1934 (Katalog Nr. 185) — 1934

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https://doi.org/10.11588/diglit.6043#0007
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Wir möchten hoffen, daß die feine deutsche Zeichenkunst des 19. Jahrhunderts,
die dieser Katalog in reicher Fülle enthält, durch unsere Versteigerung einem
breiten deutschen Publikum zugänglich gemacht wird, das im Begriff steht, sich
auf gute deutsche Art zu besinnen.

Diese Kunst war im letzten Drittel des 19. bis in das 20. Jahrhundert hinein vom
Impressionismus, der von neuen Anschauungserkenntnissen aus etwas verächtlich auf
sie herabsah, für das große Publikum in den Hintergrund gedrängt worden. Führende
Museumsleute und wenige feinsinnige Sammler erkannten trotzdem schon damals
ihren Wert, und die wirklich bedeutenden Sammlungen auf diesem Gebiet, die wir
1908, 1912 und Anfang 1914 versteigerten, drückten das in hohen Preisen aus.
Nach dem Kriege ging die wissenschaftliche Würdigung wohl ihren Weg weiter,
aber es gab wenig Gelegenheit, die Sammellust zu befriedigen, und das Interesse
wandte sich hauptsächlich den eigentlichen Nazarenern zu, jenen Künstlern, die
bei aller feinen Zeichenkunst und tiefer Religiosität so sehr dem italienischen
Vorbilde verfallen waren, daß sie uns oft fremd anmuten.

Die Sammlung Paul Arndt und was mit ihr in diesem Katalog vereinigt wurde,
zeigt neben sehr feinen Proben besten Nazarener-Zeichnens ein anderes Gesicht.
Hier breitet sich die deutsche Landschaft aus, wie man sie damals teils realistisch
sah und in zarten Aquarellfarben wiedergab, teils romantisch umdichtete. Hier
herrscht die Märchenwelt Schwinds in kostbaren Blättern aus der Familie des
Künstlers und die deutsche Kinderkunst Ludwig Richters, die so sehr viel mehr
bedeutet als Illustration und Spießertum. Hier ist Bayern, das immer ein besonders
nahes Verhältnis zum Boden wie auch zur Klassizistik hatte, mit schönen Werken
seiner erdnahen und seiner idealisierenden Landschafter vertreten. Und auch der
bayrische Humor kommt in der einzigartigen Serie feinster Zeichnungen Spitzwegs
zur Geltung, bei denen man leicht die große Kunst über demlustigenlnhalt übersieht.
All das sind heute keine unerschwinglichen Kostbarkeiten, Es können Sammlungen
entstehen ohne überwältigende Mittel. Man wünscht aber auch, daß das einzelne
Blatt seinen Weg in das deutsche Haus findet, wo es als originale deutsche Kunst
wieder zum Wandschmuck werden kann.

Das bedeutendste Werk dieses Katalogs ist der Originalkarton Schwinds,
die Einweihung des Freiburger Münsters. Nach dem Streben zur Monu-
mentalkunst in der vorhergehenden Generation der Cornelius und Schnorr, die
ohne die großen italienischen Vorbilder nicht zu denken ist, und neben Rethel,
dessen Schaffen in so jungen Jahren abgebrochen wurde, ist es im 19. Jahrhundert
einzig Schwind beschieden gewesen, einen wirklich echten populären Wandstil zu
finden. Unser Karton — außerdem einem der schönsten Werke deutscher Gotik
gewidmet — ist wohl das letzte verfügbare Beispiel dafür. Möge es einen Platz
an repräsentativer Stelle finden, wo der Deutsche mit Stolz seiner künstlerischen
Vorfahren gedenkt.
 
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