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Boetticher, Adolf
Olympia: das Fest und seine Stätte ; nach den Berichten der Alten und den Ergebnissen der deutschen Ausgrabungen (2. durchges. u. erw. Aufl.) — Berlin, 1886

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https://doi.org/10.11588/diglit.673#0321
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ver-

Charakter der Tempelsculpturen.

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sollte auch die Compositionen des Paionios und Alkanienes und die Me-
topen beeinflusst haben. Durch solchen Missgriff verleitet, musste man
sich unter den unbekannten Giebelgruppen allerdings Werke vorstellen,
die in des grossen Meisters Sinne und noch später als die gewaltigen
Parthenonsculpturen entstanden, diesen gar überlegen sein mochten.

Als im Jahre 1829 durch die französischen Ausgrabungen grössere
Metopenfragmente zu Tage kamen, erregte ihr eines Pheidias durchaus
nicht würdiger Charakter schon lebhaftes Befremden, und während andere
Gelehrte sich mit Versuchen abmühten, das hier gebotene Räthsel in
spitzfindiger Weise zu lösen, erklärte Otfried Müller rund, diese Bild-
werke könnten nicht unter Pheidias Einflüsse entstanden, sie müssten
vorhanden gewesen sein, bevor der attische Meister nach Elis kam. Wie
in so vielen Fällen hat der grosse Kunstgelehrte auch hier Recht be-
halten. Freilich liess der Beweis dafür sich damals nicht erbringen; er
konnte erst durch die bei unseren Ausgrabungen festgestellten Maasse
und Detailformen der inneren Metopen mit voller Sicherheit gegeben
werden.

Auch ohne dass Pausanias es ausgesprochen hätte, war stillschweigend
vielfach, angenommen worden, die Künstler, welche die Giebelfelder
machten, seien auch die Schöpfer der Metopen gewesen. War dies der
Fall — und jetzt wo beide Kunstwerke vor uns liegen, wird man mehr
denn je dieser Ansicht beipflichten müssen — dann freilich kann Alka-
menes bei den Metopen wenigstens nicht betheiligt gewesen sein. Denn
um 460 v. Chr. konnte der Künstler, den uns erhaltenen Angaben zu-
folge, zwar schon am Leben, aber keineswegs in künstlerischer Thätigkeit
sein. Für Paionios ist eine Mitwirkung bei den Metopen, soweit seine
Chronologie in Frage kommt, nicht ausgeschlossen.

Wie aber steht es nun mit der Datirung und der Urheberschaft der
Giebelfelder?

Für neu auftauchende Bildwerke, welche weder datirbar noch auf
einen bestimmten Meister zu beziehen sind, bleibt die Einreihung in die
Folge der bekannten Kunstwerke abhängig von den stilistischen Eigen-
schaften, die man an ihnen wahrzunehmen meint. Freilich sind die Er-
gebnisse solcher stilistischer Untersuchungen zum nicht geringen Theil
subjective Anschauungen. „Einem hochbegabten Geiste mag es gelingen,
einzig auf künstlerisches Gefühl gestützt, die vollständige Entwickelung
der Kunst aus ihren Werken zu erkennen. Allein auch das feinste Ge-
1 ist Irrungen unterworfen, und bei der verschiedenen Befähigung der
eschauer wird dem Einen zuweilen etwas zweifelhaft erscheinen, von


 
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