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Boetticher, Ernst
... Sendschreiben über Troja (Teil 1): Offenes Sendschreiben — 1889

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https://doi.org/10.11588/diglit.4331#0001
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Hochgeehrte Versammlung!

Ja ich zu meinem Bedauern nicht persönlich in-der
Generalversammlung erscheinen kann, so möchte ich
den hochgeehrten Vereinsgenossen schriftlich über
den Fortgang meiner Spczialforscliuiigeii über llissarlik-
Troja berichten, und zugleich das kürzlich darüber ver-
öffentlichte Werk vorlegen: „La Troie de Schlicmaiiii
une necropolc ä incineration ä la mnnicre assyro-baby-
lonieniic".

Wie der geehrten Versammlung bekannt ist, erregte meine
,imi Weihnachten 1883 im „Ausland" veröffentlichte Hypothese
über Hissaiiik sofort das grösste Aufsehen. Sie fand vielfache Zu-
stimmung, natürlich auch lebhaften Widerspruch, diesen seitens
der Nächstbetheiligten. Während der berühmte Ethnograph
Prof. Moritz Wagner mir durch Prof. Fr. Eatzel sagen lioss,
meine Ausführungen hätten ihn vollständig überzeugt, trat
Prof. Virchow sofort meiner Hypothese maasslos heftig
entgegen. Seine Ausführungen finden sich in den Verhand-
lungen der Berliner Anthropol. Gesellseh. (Februar 1884) und
in seiner der Berl. Archäolog. Gesellschaft im Nov. 1884
überreichten Schrift „Hissarlik als Feuornekropolo". Herr
Schliemauu nahm ebenfalls mehrere Gelegenheiten wahr, mir,
wie er sagte, ..eine vernichtende Antwort" zu geben, und auch
Dr. Düiplulil sali sieb, wie er angibt, geuothigt-, die Sache
vom Standpunkt des Arehitecten zu beleuchten. (Allg. Zeitg.,
Beilage Nr. 294 Oktober 1884). Meine Erwiderungen brachte
die Köln. Ztg., das „Ausland" und die „Ztsehr. f. Musoologie".
Diese Diskussion währte also ein Jahr. Das spricht für sieh
Selbst. Darnach änderte sich die gegnerische Taktik. Die
Parole hiess nun „Todtschweigen" und „Mundtodmachen".
Es bedarf keiner Erläuterung, warum ich nach Jahresfrist
ausser der Köln. Ztg., die unentwegt festhielt, die deutsche
Tagespresso, sowie die deutschon Wissenschaft!, und popul.
Wissenschaft! Zeitschriften verschlossen fand, und warum es
mir trotz unausgesetzter Bemühungen nicht gelang, einen
Verleger für eine Schrift über Schliemann's Troja zu finden.
Um meiner Schrift die grösste Verbreitung zu gehen, wählte
ich nun die Sprache, die doch wieder die wissenschaftliche
Weltsprache werden wird, und übergab moino Arbeiten dor
belgischen Revue Internationale, Le Mnseou die von einer
Vereinigung von Professoren der Universität Löwen heraus-
gegeben wird und in alle Welttheilo wandert. Die im Juni-
Heft v. J. begonnene Arbeit fand im August-Heft d. J. ihren
Absehluss. Der vor Ihnen liegende Sondcrabdruck ist von
einer Vorrede des ausgezeichneten Orientalisten Prof.
C. de Harlcz eingeleitet. Sie ersehen daraus, wie man
draussen die Frage auffasst, und Sie werden das noch weiter
aus Besprechungen erkennen, welche die ersten französischen
Fachautoritäten meiner Schrift widmen.

In diesem mit 13 Tareln Zeichnungen baulicher
Einzelheiten ausgestatteten, von Hrn. Karl W. Hiorsemann
in Leipzig in Commission genommenen Buche habe ich be-
wiesen:

1) Es ist zu Hissarlik nicht die Spur von einer Stadt
gefunden worden. Die sogenannte „Unterstadt" ist völlig

der Luft gegriffen. Schliemauu selbst sagt, er habe weder
Häuserreste noch eine Stadtmauer, sondern nur den „geglätteten"
Fels, wo dieselbe gestanden haben könne (!) gefunden. Bei
solcher Sachlage war es unerlaubt, auf Plan Ylll des Buches
„Troja" jene angeblich 450 m lange und 200 in breite Unter-
stadt einzuzeichnen.

2) Es ist falsch, zu sagon, Schliemann's „Akropolis" von
Troja liege „auf" dem Hügel Hissaiiik, und man steige von
der Unterstadt den Burgberg hinan. In Wirklichkeit ist diese
sogenannte Akropolis der unterste »inwendige Theil des
künstlichen Hügels Hissarlik, der nur die Grösse der Mausoleen
des Augustus und Iladriau zu Rom besitzt, und sie steht er-
weislich auf gleichem Niveau wie die vorgebliche Unter-
stadt, nämlich auf dem flachen Kalksteiurücken, der sich nach
Chi blak hinzieht, und auf dessen äusserstom Bande der Hügel
Hissaiiik sitzt wie eine Warze auf dem Finger.

3) Grundfalsch ist das Bild, das in Hissarlik Befestig-
ungen malt. Es gibt dort keine Burgmauer, keine Thore,
keine Thürme. Der Plan VII des Buches Troja ist ganz und
gar falsch. Die Zeichnung einer Umfassungsmauer (Burg-
mauer) ist rein willkürlich. In Wirklichkeit gibt es ausser-
halb dieser Umfassung dassolbe Gemäuer voller Brandreste
wie innerhalb. Die Thore thun der Wirklichkeit nicht weniger
Gewalt an. Wie es bei den Ausgrabungen 1882 zugegangen
ist, zeigt die Thatsacho, dass eine Doppelmauer, die eines
dieser angebliehen Thore versperrte (!) und in Hrn. Burnouf's
Zeichnung nach dor Natur (Bios Abb. Nr. 10) noch aufrecht
steht, also bis z. J. 188! noch vorhanden war, nach Dörp-
feld's Angabe „von den 2. Ansiedlern" (!!!) niedergelegt
worden ist, um bei einem Umbau das „Thor" zu verlängern.
Wie absurd Dörpfold's Tbürmo sind, zeigt meine Tafel 1H.
Alles das ist einfach eine Anlage von Commnnikationen, die
als Corridoro theiis circulär thoils radial durch das Innere
und auf Rampen nach Oben führten.

4) Ebenso falsch ist das von Häusern, Palästen und
Tempeln entworfene Bild. Dies Gemäuer ist dasselbe, von
dem die Herren Ingenieur Simpson, Prof. Christ, Prof. Steitz,
E. Meyer u. A. sagton, es fehle ein technischer Ausdruck zur
Bezeichnung seiner Dürftigkeit, denn dies Mauerwerk ohne
Mörtel sei ohne Loth und Winkolinaass errichtet, oft mehr
aus Erde mit Steinen als aus Steinen in Lehmverband, und
unbegreiflich sei die Kleinheit und Enge der wie Zellen
aneinanderschliossenden und mit Asche und Scherben erfüllton,
schrecklich verbrannten Räume. Wie nun aus diesem Ge-
mäuer „Tempol" hervorgegangen sind, die nachträglich (im
Buche Tiryn's!) wieder in „Paläste" (Auaktenhäuser!) um-
getauft wurdou, das habe ich S. S. 59—64 und Tafel IX, und
obonso, wio Fortlassung intogrirendor Mauerzügo den Plan VII
dor troj. Akropolis weiter gestaltet hat, S. S. G4—67 und
Tafel X mathematisch bewiesen. Wie richtig ich gourtheilt
habe, erhellt überdies aus einer Erklärung des Direktors des
Musee St Germain Hrn. Dr. Salomon Reinach, des welt-
bekannten Archäologen, ihm seien schon i. J. 1882, als er an

Dardanellen woilte, von einem Mitarbeiter Schliemann's
 
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