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Boetticher, Ernst
... Sendschreiben über Troja (Teil 5): Hissarlik, wie es ist: auf Grund der Untersuchungen vom 1. bis 6. Dezember 1889 und im Frühjahr und Sommer 1890 ; (nebst Protokoll der Zeugen) — Berlin, 1890

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https://doi.org/10.11588/diglit.5497#0096
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enthalten haben, habe ieh bereits S- 30 gezeigt, dass das nur Ausnahme sein
konnte, und dass solche Ausnahmen (entgegen dem Virchow'schen „niemals")
thatsüehlieh vorliegen. Wenn Prof. Virehow behauptete, der Pithos mit einem
Schädel und menschlicher Asche habe „in beträchtlicher Höhe über der 2. (der
verbrannten) Stadt gestanden", so ist auch dies unrichtig, da derselbe nach Ilios
S. 570 „in der 3. (der verbrannten) Stadt" und zwar (a. a. 0.571) „in 23 Fuss Tiefe",
also in derselben Trümmerschieht stand, welcher die famosen jetzt als Tempel
(bezw- Palast) der 2. Stadt gedeuteten Reste angehören. Man möchte auf gegner-
ischer Seite jetzt alles, was, wie doch länger nicht zu läuguen, für eine Verbrenn-
ungs-Mekropole zeugt, nur oberhalb der 2. Schicht gelten lassen und diese nebst
der untersten für die Ansiedlungstheorie retten (vgl. S. 29j. Aber auch das ist
vergebliche. Mühe, wie aus meinen Darlegungen klar erhellt.

Ein Bericht des Dr. Schliem ann vom 2. Juni 1890
in der „Neuen Freien Presse" u. a. Bl. lässt den völligen Misserfolg . seiner
Arbeiten deutlich erkennen. Die Zahl der Ansiedlungen wächst zusehends. Bereits
sind es vier geschichtliche und sieben vorgeschichtliche, denn die 2. vorgeschichtliche
hat jetzt drei Perioden, zählt also dreifach Eilf „Ansiedlungen" übereinander,
die sorgfältig bemüht sind, einen Raum von wenig mehr als 100 (hundert) Meter
Durchmesser nicht zu überschreiten ! Könnten die HH. Schliemann und Dörpfeld noch
alle Brandschichten zählen und auch in den abgetragenen „Ansiedlungen" „wie in
der 2." mehrere „Perioden" („Vernichtungen durch Brand"!) erkennen [vgl. S. 23 d.
Bau HS der 3. Sch.], so würde die Zahl der „Ansiedlungen" leicht verdreifacht werden.
In der 2. „Ansiedlung" soll Dr. Dörpfeld nun „noch eine gar viel ältere und
ebenso wie ihre Thürme stark geböschto Ringmauer" aufgedeckt haben. Eine
stark geböschte Mauer kann aber im Alterthum nimmermehr eine Befestigung
gewesen sein. (Wegen der Thürme-Strebepfeiler — vgl. S- 84—89.) Au der Süd- und
Ostseite ist „die Burgmauer der 3. Periode der 2. Stadt mit ihren Thürmen" fast
ganz aufgedeckt, und „die vielen Merkmale heftiger Gluth an beiden Seiten" lassen
Schliemann nicht zweifeln, „dass sie mit einer verdeckten Galerie aus Holz ver-
sehen war". Dieser neueste Versuch, die Verbrennung der Mauern zu erklären,
ist verfehlt, denn 1) ist die Mauer, wie ich selbst gesehen habe, nur auf der inneren
Seite verbrannt, während auf der äusseren nur die Querlöcher (vgl- S. 88 babylon.
Bauten) Gluthspureu zeigen, und 2) ist die Mauer gerade oben, wo die Galerie
gebrannt hätte, am wenigsten, oft gar nicht, dagegen unten stark verbrannt (vgl.
S. 83, auch S. 9). Diese neueste' Deutung verkehrt alle Angaben, die früher zur
Theorie des künstlichen Mauerbrennens geführt hatten. Die wichtigste aller Mit-
theilungen ist endlich folgende: „Die auf Plan VII mit B C bezeichnete Mauer,
„in der wir eine Mauer der Unterstadt vermutheten, hat sieh als Rampe erwiesen,
„auf der man gleichwie in Tiryns zur Burg hinaufstieg." Hiermit ist meine Ver-
muthung S- 12 (schon vor Monaten im Correcturbogen Hrn. S. Reinach mitgetheilt)
glänzend bestätigt, zugleich aber der „Unterstadt", von der nun der letzte Schein
verschwunden, und der „Burg" das Ui'theil gesprochen. Eine „Burg" von nur 90
bezw. 117 m Durchmesser mit vier Thoren wäre offenbar ein Unding, und diese
Erwägung liess in den drei Brandschichten ebensoviele Bauperioden erkennen und
jeder ein Thor zuweisen, als ob ein successiver Bau der Thore nachweisbar sei. (!!)
Ich aber frage vor aller Welt, ist das noch ernsthafte Forschung?

Mit der Aufklärung über die Mauer BC ist der Burg- und An-
siedlungstheorie der letzte Schein einer Berechtigung entzogen.
 
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