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Boetticher, Ernst
... Sendschreiben über Troja (Teil 5): Hissarlik, wie es ist: auf Grund der Untersuchungen vom 1. bis 6. Dezember 1889 und im Frühjahr und Sommer 1890 ; (nebst Protokoll der Zeugen) — Berlin, 1890

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https://doi.org/10.11588/diglit.5497#0099
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Gefässe aus poröser Thonniasse dicht." Da aber von vielen Seiten dem nur eine
theoretische Bedeutung beigelegt wird, und da überhaupt nirgends damit gerechnet
wird, wo es sich um Beurtheilung der Kulturen handelt, die uns eine so ungeheuere
Menge unglasirter und poröser Thongefässe aller Art hinterlassen haben, so dürfte
i es an der Zeit sein, auf dem Wege des Versuches festzustellen, welche praktische
Bedeutung die Undichtigkeit dieser Gefiisse hat.

Der Begriff der Porosität ist ja sehr relativ. Gefässe, die Wasser halten,
lassen Oel durch, und für Petroleum giebt es ganz dichte Gefässe überhaupt nicht
das 'schwitzt selbst durch Glas-, Porzellan- und Metallbohälter hinaus. Dünne
Eisenbleehkapseln haben sich auch für Baumöl, Thran und Glyceriu undicht er-
wiesen- Um Thongefässe als dicht oder porös zu unterscheiden, betrachtet
man ihr Verhalten gegenüber dem Wasser, und diess richtet sich nach
der inneren Beschaffenheit der gebrannten Masse. Dicht sind diejenigen Thonge-
fässe, die während des Brennens einer so starken Gluth ausgesetzt waren, dass
ihre Masse versintert (zerflossen) ist und im Bruche glasartig erscheint. Die hell-
klingenden Scherben geben am Stahle Funkon. Diese Gefässe sind undurchdring-
lich für Wasser und bedürfen keiner Glasur. Diejenigen aber, die nicht so stark
gebrannt werden, bezw. wegen Schwerflüssigkeit der benutzten Thonart nicht so stark
gebrannt werden können, ohne zu zerspringen, verglasen innerlich nicht, erscheinen
im Bruche erdig; ihre Masse bleibt locker und zerreiblich, klebt an der Zunge und
lässt, wenn unslasirt, Wasser durch. Beide Arten, dichte und poröse, bleiben ent-
weder roh, oder sie werden mit einer glasartigen Masse, mit der Glasur überzogen,
welche die porösen erst dicht macht. Glasur und farbigen Glasfluss
(Emaille) kannten schon die Altbabylonier und Assyrer Jahrtausende vor Chr.
(vgl. Kawlinson, Ancient Monarchies Vol. I. S. 92. 386) und nicht viel später die
Aegypter- Der Orient überlieferte diese Kenntniss den Griechen und Römern.
Glasirte Gefässe dieser Völker sind zwar selten, aber im Besitz unserer Museen
(z. B. des Antiquariums und des Nationalmuseums von München), und auch der
Firniss der gräco-italischeu Vasen wird für einen leicht schmelzbaren Glasfluss' (aus
oisenoiydulhaltigem Gestein) angesehen. Die 1283 n. Chr. in Deutschland erfun-
dene Bleiglasur soll den Alten nicht bekannt gewesen sein. Ihre Glasuren be-
standen aus kieselsaurem Alkali, ebenso die älteren des christlichen Abendlandes
im Anschluss an antike Kunstübung, die in Italien (Arezzo!) bis ins 7. Jahr-
hundert fortlebte. Alkali- und Bleiglasur sind an sich durchsichtig, desshalb gab
man dem Gefässe etwa gewünschte Farbe durch einen Üeberzug (Angiessen, Engo-
biren) vor dem Glasiren. Die emailartige Zinnglasur wurde erst von den Mauren,
denen wir auch die im Orient lebendig gebliebene Kunst des Emaillirens ver-.
danken, nach dem Abendlande (zuerst nach Spanien) gebracht, vielleicht nur zu-
rückgebracht. Die Alkaliglasur und namentlich die Kunst,, versinterte,
also absolut dichte Thongefässe herzustellen, ist dem Abendlande nie
verloren gegangen. In unseren Museen (z. B. im Germanischen Museum, Raum VI)
sehen wir „Gefässe aus der Frühzeit der germanischen Kultur vom 4. bis O.Jahr-
hundert" aus völlig versinterter Masse, wie solche von der sogenannten Bauern1
töpferei zu allen Zeiten hergestellt wurden und noch heute gefertigt werden.
(Vgl. die Keramik von Siegburg, Höhr, Grenzhausen, Raeren, Kreussen u. a. Orten.)
 
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