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Böttiger, Carl August; Sillig, Julius [Editor]
C. A. Böttiger's kleine Schriften archäologischen und antiquarischen Inhalts (Band 2) — Dresden, Leipzig, 1838

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https://doi.org/10.11588/diglit.5485#0260
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254

Auch der ursprüngliche Maler dieser Seeue — denn wir
müssen annehmen, dafs die Vasenzeiehner Skizzen von den vor-
trefflichsten Werken grofser Meister vor Augen hatten, die uns
dadurch wenigstens in einer noch immer gefälligen Abschaltung
erhallen worden sind — bedurfte keiner Aßthra und Clymene (so
nennt ja die alte TJebeilieferung die zwei Dioneiiiinen der Helena)
zur Darstellung- dieser Scene. Die Bilderschrift der allen Welt
hatte ein einziges, aber Alles, was man wollte, beredter, als je
der Buchstabe es vermag, aussprechendes Zeichen für die Liebe.
Wo diefs steht, bedarf es keiner anderen Umgebungen oder aus-
deutenden Nebenfiguren. Es ist Eros, der Flü'gelknabe, derselbe,
der dem Zeus selbst den Donnerkeil entreifst und den der weich-
lichste und tapferste unter den Athenicnsern , Alcihiades, als Don-
nerkeilträger auf seinem goldenen Schilde abgebildet trug *) , der-
selbe auch, den Raphael Mengs uns im Geiste des Alterthums
bildete, wie er den Himmel und den Verralh im Auge mit ge-
schärfter Pfeilspitze dem Vater der Gölter und Menschen und zu-
gleich auch allen übrigen Göller und Menschen droht. Alle Leiden
und Freuden der Liebe vermochte die alte Kunst durch den Bei-
satz dieses ewigen Kindes so sinnig und für die Darstellung selbst
so dankbar und anmuthig auszudrücken-, dafs für Composilion und
Bedeutung nichts Bildsameres und Sinnreicheres je ausgesonnen
worden ist. Die auf Naxos verlassene Ariadnc beweint die durch
den wortbrüchigen Theseus getäuschte Liebe, Phädra, ihre Schwe-
ster, verschmachtet in hoffnungsloser Sehnsucht nach Hippolyt.
So herzzerschneidender Liebesschmerz soll grofs und einfach uns
im antiken Gemälde vor's Auge gestellt werden. Der Maler jenes
bekannten, oft nachgeahmten Gemäldes in der Herculanischen
Galerie **) stellte zu den Fiifsen der erwachten Ariadiie einen,
mit vorgehaltenen Händchen bitter weinenden Amor, und wir ver-
stehen nun schneller und richtiger, als es durch irgend einen an-
deren Zusalz halte geschehen können, die gekränkte Liebe dieser
Heroine; der Künstler, welcher die hoffnungslos an den Busen
ihrer Oeuone hingesunkene Phädra auf einem silbernen Medaillon
in derselben Herculanischen Galerie eingrub ***), durfte nur einen
liefbekümmerten Amor ihr zwischen die Füfse stellen und den
Elbogeu auf das eingesunkene Knie der in Verzweiflung Hinster-
benden aufstützeil lassen, und wir sind wenigstens über die Be-

*) Plutarch im Leben des AIcibiades c, 16.

**) Pittare d'Ercolano T. II. tav. 15. In Farben ausgeführt und er-
klärt in Böttiger''s und Meyer's archäologischem Museum, im
ersten Heft.

***) Bronzi d'Ercolano, T. I., in den dazu gehörigen Bassi-Rilievi,
No. Fr, P- 257.
 
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